Deutscher Gewerkschaftsbund

15.06.2022

Kongress der belgischen Gewerkschaft FGTB: Eine beeindruckende Demonstration gewerkschaftlichen Kampfeswillens

von Sigrid Bachler, DGB

Ein ohrenbetäubender Jubel: tosender Applaus, Pfiffe, Rufe, Getrampel. Dann Stille, ernste Gesichter, gereckte linke Faust, die Internationale. Der Kongress der belgischen „Fédération Générale du Travail de Belgique (FGTB)“ vom 1.6. bis zum 3.6. ist zu Ende. Die 1500 Delegierten sind mobilisiert für die nächste politische Aktion am 20. Juni 2022.

Gewerkschafter mit roter FGTB Fahne

DGB/wlerooy/123rf.com

Diese Mobilisierung ist überaus wichtig für die FGTB: Sie handelt wesentlich von der Straße aus, mit großen Demonstrationen. Der Präsident Thierry Bodson formulierte es folgendermaßen: Die FGTB wolle gar nicht in politische Entscheidungsprozesse eingebunden sein, sondern vielmehr unabhängig und unparteiisch aus der Opposition agieren und eine politische Gegenkraft sein.

Deshalb war das Demonstrationsrecht auch einer der zentralen Punkte auf dem Kongress: Die FGTB nimmt ein sehr weit ausgelegtes Demonstrationsrecht für sich in Anspruch. So haben sich beispielsweise Aktivist*innen von einer Brücke auf den Mittelstreifen einer Autobahn abgeseilt, um mit der Demonstration den Verkehr zum Erliegen zu bringen oder Feuer auf der Straße angezündet. Die belgische Justiz reagiert darauf zunehmend scharf. So wurde der Kollege, der das Feuer entzündet hatte, zu einem halben Jahr Gefängnis verurteilt. Doch Streiks und Demonstrationen seien ein Menschenrecht und deshalb vom Ordnungs- und Streikrecht auszunehmen. Die FGTB ist der Meinung, nicht sie sei mit ihren Aktionen radikal, sondern die staatlichen Strukturen, und sie reagieren nur darauf. So lautet die Losung: „Kampf dem Kapitalismus, Faschismus und Radikalismus!“ und trifft auf einen hoch motivierten Kongress. 

Es wurde ein nationales Manifest für den 20. Juni verabschiedet. An diesem Tag soll eine Demonstration aller belgischen Gewerkschaften für eine Steigerung der Kaufkraft im Angesicht steigender Preise stattfinden. Außerdem wurde ein 10-Punkte-Programm für die nächsten vier Jahre beschlossen: Kaufkraftsteigerung, sichere und gute Arbeitsplätze, ein starkes soziales Sicherungssystem, gerechte Besteuerung, starker öffentlicher Dienst, stärkere Beteiligung von Gewerkschaft und Stärkung gewerkschaftlicher Freiheiten, europäische und internationale Solidarität, Kampf gegen Rechts sowie eine Reform der föderalen Ausgleichsmechanismen, sowie die Forderung nach 14 Euro Mindestlohn. Die Diskussion dazu wurde eingeleitet mit einem Musikvideo „Fight for the Fourteen!“. Ferner gab es vier Anträge. Im internationalen Antrag wurde der Krieg in der Ukraine verurteilt, ebenso die Blockade Kubas und die Situation der Palästinenser*innen.

Insgesamt bot der Kongress dramatische Inszenierung. Die Delegierten waren stärker in einer Zuschauerrolle, schon von der Räumlichkeit her. Sie saßen in einem Zuschauerraum ansteigend wie ein Amphitheater, auf Kinobestuhlung und im Dunklen. Die Bühne war durch eine Nebelmaschine in schimmerndes Licht getaucht, bei wichtigen Reden erschien das Licht der Scheinwerfer wie Strahlen vom Himmel auf einen Heilsbringer.

Nicht zuletzt wurden die Vorschläge für die Führungsriege vom Kongress im Block per Akklamation bestätigt, an der Spitze als Präsident Thierry Bodson, als Generalskretärin Miranda Ulens.


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