Seit dem 1 Januar 2024 gibt es steuerrechtliche Änderungen, die sich unmittelbar auf die verfügbaren Haushaltseinkommen auswirken. Eine neue IW-Studie zeigt, dass dadurch vor allem Familien und Alleinstehende gegenüber 2023 höher belastet werden. Die Politik riskiert so eine Schwächung der Massenkaufkraft und einen weiteren Wirtschaftseinbruch.
Ab dem 1. Januar 2024 gelten eine Reihe von Änderungen bei Steuern und Abgaben. Viele davon beeinflussen unmittelbar die verfügbaren Haushaltseinkommen von Familien und Alleinstehenden. Wie sich diese Änderungen im Einzelnen auswirken, hat das unternehmernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) untersucht und die Ergebnisse zum Jahresbeginn veröffentlicht.
Konkret betrachtet die Studie, wie sich der veränderte Einkommensteuertarif, die Erhöhung der Sozialbeiträge und des CO²-Preises, die Wiederanhebung des Mehrwertsteuersatzes für Gas und gastronomische Leistungen sowie die höheren Netzentgelte auswirken. Da Privathaushalte je nach Einkommen und Personenzahl unterschiedlich konsumieren, wurde für die Annahmen, die dabei zu treffen sind, auf die aktuelle Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des statistischen Bundesamtes und weitere nachvollziehbare Durchschnittswerte zurückgegriffen. Es wurde also seriös gerechnet.
Die Ergebnisse zeigen, dass die meisten Steuerzahler gegenüber 2023 höher belastet werden. Bei den beschriebenen Fällen fällt das Ergebnis für Alleinerziehende mit einem Kind und einem Bruttoeinkommen von 30.000 Euro besonders schlecht aus. Hier ergibt sich unter dem Strich eine Mehrbelastung von 144 Euro. Unabhängig davon, ob in den Haushalten Singles, Alleinerziehende mit einem Kind oder Paarhaushalte mit 2 Kindern leben, bleibt von einer zusätzlichen Belastung nur verschont, wer ein Jahresbruttoeinkommen von wenigstens 72.000 Euro erzielt. Trotz vergleichsweise hoher Ausgaben für Energie und Gastronomie schneidet ein Ehepaar mit 2 Kindern und einem Jahreseinkommen von 130.000 Euro am besten ab. Hier kommt es zu einer Entlastung von 262 Euro. Diese sehr ungleiche und ungerechte Verteilung der Lasten ist hauptsächlich durch die Änderungen im Einkommensteuerrecht verursacht.
DGB/Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft; eigene Berechnungen
Eine zu geringe Anhebung des Grundfreibetrages und die Beseitigung der sogenannten kalten Progression begünstigen nämlich eher höhere Einkommen, wenn nicht zugleich für wirkliche Spitzeneinkommen höhere Spitzen- und Reichensteuersätze angewendet und Kinder im Steuerrecht besser berücksichtigt werden. Auf diese Punkte zielen die Forderungen des DGB zum Einkommensteuerrecht ab.
Wären diese DGB-Forderungen bei ansonsten gleich hohen Belastungen zum 1. Januar 2024 umgesetzt worden, hätte der genannte Haushalt einer Alleinerziehenden anstelle der jetzigen Mehrbelastung eine Entlastung um 378 Euro jährlich erfahren. Ein Paar mit 2 Kindern und einem Bruttoeinkommen von zusammen 66.000 Euro erhielte 1.092 Euro, statt noch 5 Euro draufzuzahlen. Auch ein Single mit 30.000 Euro brutto würde sich mit dem DGB-Tarif um 149 Euro verbessern und nicht 79 Euro mehr an den Staat abgeben müssen, wie es jetzt der Fall ist.
Damit könnte auch ein dringend benötigter konjunktureller Impuls gesetzt werden. Stattdessen riskiert die Politik eine Schwächung der Massenkaufkraft und einen weiteren Wirtschaftseinbruch. Auch haushaltspolitische Bedenken sind nicht angebracht. Von den etwa 23 Milliarden Euro, die eine solche Steuerreform kosten würde, müssten 16 Milliarden Euro von den einkommensstärksten 5 Prozent getragen werden. Die 4-köpfige Familie mit 130.000 Euro brutto gehört nicht zu dieser Gruppe. Sie würde immer noch um 62 Euro entlastet.
DGB/hqrloveq/123rf.com
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