Deutscher Gewerkschaftsbund

07.09.2016
Flexible Arbeitsmodelle

Arbeiten zu Hause: Pro und Contra Home Office

Mails checken im Café, arbeiten am Küchentisch: Statt jeden Morgen ins Büro zu fahren, können Beschäftigte heute bequem von zu Hause aus arbeiten, mobile Endgeräte und Cloud Computing machen es möglich. Das klingt nach Freiheit und Flexibilität – doch funktioniert das wirklich? Wo liegen die Vorteile vom Home Office, welche Gefahren und Risiken gibt es?

Teaser Home Office Telearbeit Vereinbarkeit Digitalisierung Eltern

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Home Office: Wunsch und Wirklichkeit

Theoretisch ist es möglich, praktisch wird es kaum gemacht: Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern ist Home Office in Deutschland kaum verbreitet. Nur knapp jeder achte Beschäftigte arbeitet zumindest gelegentlich zu Hause, nur jeder fünfundzwanzigste täglich – obwohl das bei vielen Arbeitsplätzen theoretisch möglich wäre. Das geht aus dem DIW Wochenbericht 5/2016 hervor.

30 Prozent wünschen sich auch mal Home Office

Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wünschen sich jedoch mehr räumliche Flexibilität: Nach Angaben des Monitors „Mobiles und entgrenztes Arbeiten“ würden rund 30 Prozent der Angestellten, die bislang nicht zu Hause arbeiten, dies gerne tun. Sie glauben, so Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bekommen oder besser arbeiten zu können.

Doch auch wenn das mobile Arbeiten viele Freiheiten bringt: es birgt auch Risiken. Was spricht dafür, was dagegen?

PRO

  • Bessere Vereinbarkeit von Familie und Privatleben. Home Office kann zu mehr Spielräumen führen, die Arbeitszeit lässt sich flexibel gestalten und zum Beispiel an die Öffnungszeiten der Kita anpassen.
  • Ungestörtes Arbeiten. Kollegen, die laut telefonieren, zeitraubende Meetings: Solche Störfaktoren gibt es im Home Office nicht. In den eigenen vier Wänden können Beschäftigte deshalb oft konzentrierter und effektiver arbeiten und sich ihre Zeit selbst einteilen.
  • Weniger Fahrzeiten. Durch das Arbeiten zu Hause fallen Fahrten zur Arbeitsstätte weg oder reduzieren sich. Das ist vor allem für Pendler mit langen Anfahrtswegen interessant – und die werden immer mehr.
arbeitsmarkt aktuell 2/2016: Mobilität in der Arbeitswelt: Immer mehr Pendler, immer größere Distanzen (PDF, 1 MB)

Fast jeder zweite Arbeitnehmer pendelt, jeder zehnte sogar über Grenzen der Bundesländer hinweg. Tendenz steigend. Der DGB macht sich stark für mehr flexible, individuelle Lösungen im Sinne der Beschäftigten. Digitalisierung und vernetztes Arbeiten bieten hier neue Möglichkeiten. Die Position des DGB in der neuen Ausgabe von "arbeitsmarkt aktuell".

CONTRA

  • Entgrenzung. Es gibt keine klare Trennung von Beruf und Privatleben, die Grenzen verschwimmen. Es besteht die Gefahr, dass nicht genügend Entspannungsphasen bzw. Pausen eingelegt werden und Beschäftigte den Überblick darüber verlieren, wann und wie viel sie arbeiten.
  • „Unsichtbare“ Überstunden. Wer immer und überall arbeiten kann läuft Gefahr, das auch zu tun - vor allem dann, wenn die Ziele, die Beschäftigte erreichen sollen, zu hoch gesteckt werden. In den allermeisten Fällen gibt es keine vertraglichen Regelungen, viele Home Worker arbeiten ausschließlich außerhalb der regulären Arbeitszeiten. Einen Ausgleich für Überstunden gibt es in der Regel nicht. Im Schnitt arbeiten Beschäftigte im Home Office rund sechs Stunden in der Woche mehr als andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
  • Ständige Erreichbarkeit. Dienst ist Dienst, Schnaps ist Schnaps: Das gilt schon lange nicht mehr – erst recht nicht im Home Office. Nach dem DGB-Index Gute Arbeit gibt knapp ein Viertel der Befragten an, das sie dem Arbeitgeber oft auch in der Freizeit zur Verfügung stehen müssen. Im Home Office verstärkt sich dieser Trend noch.
  • Ausgeprägte Präsenzkultur. Anders als in anderen Ländern wird in Deutschland Arbeit traditionell oft mit Anwesenheit gleichgesetzt, nach dem Motto: Je länger ich in der Firma war, desto mehr habe ich gearbeitet. Leistungen, die von zu Hause aus erbracht werden, werden oft weniger wahrgenommen. Mögliche Folge: Bei Beförderungen oder Sonderprojekten werden Home Worker übersehen.
  • Fehlender Austausch. Home Worker haben weniger persönlichen Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen, der persönliche Bezug zum Arbeitgeber und zum Unternehmen nimmt ab. Home Worker sind von der informellen Kommunikation („Flurfunk“) ausgeschlossen. Darunter kann nicht nur die Karriere, sondern auch die Motivation leiden.
Mann mit Laptop auf einer Wiese

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„Mobiles Arbeiten muss gestaltet werden“

Damit mobiles Arbeiten tatsächlich ein Gewinn für die Beschäftigten ist, müssen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. „Wichtig ist, dass Home Office immer freiwillig sein muss“, sagt DGB-Experte Oliver Suchy. „Es sollte nicht als Gegenmodell zum herkömmlichen betrieblichen Arbeitsplatz, sondern als flexible Ergänzung gesehen werden, damit der direkte Kontakt und Austausch unter den Kolleginnen und Kollegen nicht leiden. Es muss ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten geben, die Arbeitszeit muss erfasst und in vollem Umfang vergütet werden. Und natürlich muss die Verantwortung der Arbeitgeber für den Arbeits- und Gesundheitsschutz auch im Home Office gewährleistet sein.“

Kein generelles Recht auf Home Office

Anders als in den Niederlanden, wo es seit dem 01.07.2016 ein Recht auf Home Office gibt, sind Beschäftigte in Deutschland in der Regel auf die Zustimmung des Arbeitgebers angewiesen. Ein gesetzlicher oder tariflicher Anspruch auf Heimarbeit besteht nur in wenigen Ausnahmefällen. Ein Beispiel: Ein IT-Mitarbeiter hatte jahrelang im Home Office gearbeitet, sollte dann in den 300 Kilometer entfernten Firmensitz wechseln. Das hätte für ihn bedeutet, dass er umziehen oder sich eine Zweitwohnung nehmen müsste. Er klagte gegen die Anweisung und bekam Recht. Begründung der Richter: Zwar könne der Arbeitgeber grundsätzlich über den Arbeitsort der Beschäftigen bestimmen, wenn der Arbeitsvertrag keine Regelungen dazu enthält. Er müsse dabei aber auch die Interessen der Beschäftigten berücksichtigen – und habe im vorliegenden Fall nicht darlegen können, warum die Anwesenheit am Firmensitz künftig erforderlich sei.  

Weitere Infos: DGB Rechtsschutz: „Anspruch auf Home-Office-Arbeitsplatz“


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