Deutscher Gewerkschaftsbund

30.09.2015
EGB-Resolution

Europäische Gewerkschaften: Solidarität mit Flüchtlingen

Die Delegierten des Kongresses des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) haben am 30. September einstimmig eine Resolution zur Flüchtlingssituation in Europa verabschiedet. "Mit ihren 60 Millionen Mitgliedern bleibt die europäische Gewerkschaftsbewegung ein Bollwerk gegen jede Form von Intoleranz und wird sich weiterhin für eine humanitäre Antwort auf diese humanitäre Krise einsetzen", heißt es in der Entschließung.

Der EGB-Kongress findet vom 29. September bis zum 2. Oktober in Paris statt. Die Delegierten aus 40 Ländern wählen unter anderem ein neues Führungsteam für den EGB. Sie beraten und beschließen außerdem das Aktionsprogramm des EGB für die kommenden Jahre.

Aida Hadzialic, EGB-Kongress, Paris

Die schwedische Bildungsministerin Aida Hadzialic, einst selbst als Flüchtlingskind nach Schweden gekommen, zeigte sich auf dem EGB-Kongress in Paris ebenfalls solidarisch mit Flüchtlingen. EGB

EGB-Kongress zur Flüchtlingssituation in Europa: Die 13 Punkte der Resolution im Wortlaut

  1. In den vergangenen Monaten hat es über die europäischen Grenzen einen massiven Zustrom von Menschen gegeben, die bei uns Schutz vor Krieg und Zerstörung in ihren eigenen Ländern suchen.
  2. Viele dieser Asylsuchenden riskieren ihr Leben und das Leben ihrer Kinder auf der Suche nach friedlichen Lebensumständen, in denen sie als Menschen respektiert werden. Der EGB verurteilt nachdrücklich alle Maßnahmen, die die menschliche Würde, die Menschenrechte oder die körperliche Unversehrtheit dieser Menschen gefährden. 
  3. Die Hindernisse und Zäune, die in letzter Zeit errichtet wurden, haben sich als unwirksam erwiesen und bewirken lediglich, dass sich die Flüchtlingsströme einen anderen Weg suchen und Menschenschmuggler davon profitieren. Diesen Banden ist das Handwerk zu legen.
  4. Wir beklagen den Tod von Asylsuchenden, die Europa über das Mittelmeer erreichen wollen, und wiederholen unsere Forderung, dass die Europäische Kommission weiterhin Such- und Rettungseinsätze durchführen soll, um den Flüchtlingen auf hoher See humanitäre Hilfe zukommen zu lassen.
  5. Lange Schlangen vor den Asylbehörden, überfüllte Aufnahmelager und improvisierte Camps in vielen Teilen Europas zeigen, wie schlecht vorbereitet und unwillig die Länder sind, diese Krise zu bewältigen. Die Austeritätspolitik hat diese Probleme zusätzlich verschärft und die Bedingungen in den Ankunftsländern noch schwieriger gemacht. 
  6. Der EGB unterstützt die fundamentalen europäischen Werte wie Respekt vor dem menschlichen Leben und der Menschenwürde und bekämpft populistische und fremdenfeindliche Einstellungen. Das Einstehen für diese Werte muss in Form konkreter Maßnahmen erfolgen. Zu diesem Zweck ist eine echte Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten wichtig, die entsprechend dem Wortlaut und dem Geist der Verträge eine angemessene Anzahl von Flüchtlingen aufnehmen müssen.
  7. Der EGB fordert eine proaktive europäische Asylpolitik, die international vereinbarte Schutzstandards beachtet, darunter auch das UN-Abkommen über die Rechtsstellung von Flüchtlingen von 1951 und das ergänzende Protokoll von 1967. 
  8. Die Dublin-Verordnung muss modifiziert werden. Neue Vereinbarungen sollten sicherstellen, dass die Betreuung der Asylsuchenden gerecht zwischen Mitgliedstaaten aufgeteilt wird und dass dabei weitgehend auf die Bedürfnisse der Asylsuchenden und die Wahl ihres bevorzugten Ziellandes Rücksicht genommen wird. Dabei sind - neben anderen Faktoren - Gemeinschaft, Sprache und Familie entscheidend. 
  9. Der EGB fordert ein schnell umzusetzendes Neuansiedlungsprogramm, das weit über die ursprünglich von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Neuansiedlung von 20.000 Flüchtlingen aus Drittstaaten hinausgeht. 
  10. Die am 22. September angenommenen Beschlüsse des Rates sind zu begrüßen. Die Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen kann zu einer sofortigen Entlastung von Ländern führen, die eine außerordentlich hohe Zahl von internationalen Schutzsuchenden aufnehmen. Darüber hinaus werden Finanzhilfen für Sonderagenturen der Vereinten Nationen  ebenfalls den Millionen Menschen zugutekommen, die in Flüchtlingslagern unmittelbar an der Grenze der Konfliktzonen leben. Die vom Rat vereinbarten Maßnahmen stellen allerdings nur eine unvollständige Antwort auf die Herausforderungen dar, mit denen Europa konfrontiert wird, und sind weit von einer dauerhaften Lösung innerhalb einer echten europäischen Asylpolitik entfernt.  Der EGB ermutigt die Mitgliedstaaten, weiterhin im Geiste konstruktiver Solidarität unter der Führung der europäischen Institutionen  zusammenzuarbeiten. Der EGB verurteilt Regierungen, die gegenwärtig nicht an einer gemeinsamen Strategie zur Umverteilung der Asylsuchenden in Europa teilnehmen wollen. 
  11. Der EGB fordert eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit mit den Herkunftsländern.  Eine demokratische und wirtschaftliche Entwicklung ist entscheidend für die Beseitigung der eigentlichen Ursachen dieser massiven Wanderungsbewegungen von Menschen. Die EU muss einen wichtigen Beitrag zur Förderung dieses Entwicklungsprozesses leisten. 
  12. Die Agenda der Europäischen Kommission zur Bewältigung der Flüchtlingskrise kann sich angesichts des zunehmenden Ausmaßes dieses Problems als unzureichend erweisen, dies gilt besonders für die Situation auf den Ostbalkanrouten und im Mittelmeer. Hier muss mehr getan werden: Alle Menschen haben das Recht auf Schutz, wirtschaftliche Sicherheit, Religionsfreiheit, politische Freiheit und Zugang zu einem qualitativ hochwertigen Gesundheits- und Bildungswesen in einer Gesellschaft, die diese Freiheiten schützt. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass es wieder ein adäquates Angebot an qualitativ hochwertigen öffentlichen Diensten für alle gibt. Priorität sollten dabei Dienstleistungen haben, die den sozialen Zusammenhalt sichern, z.B. Beschäftigung und Wohnen. Die Aufnahmeeinrichtungen und die Zentren für die Prüfung von Asylansprüchen müssen mit gut ausgebildeten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes besetzt werden. 
  13. Mit ihren 60 Millionen Mitgliedern bleibt die europäische Gewerkschaftsbewegung ein Bollwerk gegen jede Form von Intoleranz und wird sich weiterhin für eine humanitäre Antwort auf diese humanitäre Krise einsetzen. Wo Flüchtlinge in der Lage sind zu arbeiten, werden die Gewerkschaften sie für sich gewinnen und sie vertreten. Wir werden mit Partnern zusammenarbeiten und denjenigen humanitäre Hilfe leisten, die keine Arbeit haben. Der EGB wird mit dem Internationalen Gewerkschaftsbund zusammenarbeiten, um auf eine Krise zu reagieren, die sowohl eine globale als auch eine europäische Dimension hat.

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