Deutscher Gewerkschaftsbund

12.04.2012
Hochschulfinanzierung

Studiengebühren sind ein Auslaufmodell

Campus-Maut verliert zunehmend an Rückhalt

Kaum ein Thema hat die hochschulpolitischen Debatten zuletzt derart bewegt wie die Studiengebühren. Studierende und Gewerkschaften lehnten sie ab, konservativ-liberale Regierungen führten sie ein. Nun sind die Befürworter der Campus-Maut auf dem Rückzug. Die Gebühren können die Finanzmisere der Hochschulen sowieso nicht auf Dauer lindern, meint DGB-Bildungsexperte Matthias Anbuhl.

Es ist gerade mal sechs Jahre her, dass CDU und FDP in NRW die allgemeinen Studiengebühren einführten, die rot-grüne Regierung schaffte sie 2011 wieder ab.  

Frage: Die CDU in Nordrhein-Westfalen hat jetzt angekündigt, auch bei einem Wahlsieg auf Gebühren zu verzichten. Sind die Studiengebühren damit ein Auslaufmodell?

Matthias Anbuhl: Ja, und das ist auch gut so! Von ehemals sieben Gebührenländern erheben nur noch Bayern und Niedersachsen die Campus-Maut. Im Saarland, in Hessen oder Nordrhein-Westfalen wurden die Gebühren wieder nach kurzer Zeit abgeschafft und auch in diesen Ländern will sie die CDU nicht mehr einführen. Denn es ist klar: Mit der Forderung nach Studiengebühren kann man Wahlen kaum gewinnen.

Warum kritisiert der DGB die Studiengebühren?

Bücherregal im Hintergrund zwei Menschen am Schreibtischen

Simone M. Neumann

Die Studienqualität leidet nicht generell, wenn Studiengebühren wieder abgeschafft werden. In Hessen und im Saarland sagen 88 Prozent der Studierenden, die Lage habe sich seit dem Gebühren-Aus nicht verschlechtert.

Matthias Anbuhl: Gerade Menschen aus ärmeren Familien entscheiden sich oft gegen ein Hochschulstudium, weil sie fürchten, dass das Geld für das Leben auf dem Campus nicht ausreicht. Sie wollen sich zudem nicht mit Studienkrediten verschulden.  Gebühren verteuern aber ein Studium unmittelbar. Allein 2008 haben bis zu 26.000 junge Menschen aufgrund von Studiengebühren auf ein Studium verzichtet,, wie eine Erhebung des Hochschulinformations-Systems (HIS) zeigt. Besonders Frauen und junge Menschen aus nicht-akademischen Familien sind betroffen.

Aber die Wirtschaft hatte doch die soziale Abfederung der Gebühren durch Stipendien versprochen…

Matthias Anbuhl: Das war ein leeres Versprechen. Gerade das „Deutschland-Stipendium“ – von der schwarz-gelben Bundesregierung mit viel Aufwand beworben - läuft nur schleppend an. Sollten 2011 mit rund 10.000 Stipendien ohnehin nur 0,45 Prozent der rund 2,4 Millionen Studierenden gefördert werden, bekamen nach Auskunft der Bundesregierung tatsächlich gerade einmal knapp 5.300 Studierende ein solches Stipendium. Auch diese Zahl zeigt: Ein internationaler Vergleich mit der Gebühren- und Stipendienkultur gerade in angelsächsischen Ländern trägt nicht. Rechnet man alle Stipendienprogramme zusammen, bekamen 2011 in Deutschland insgesamt nur 1,68 Prozent der Studierenden ein Stipendium.

Die Hochschulrektoren sind aber vielfach für Gebühren. Sie wollen diese direkt in die Lehre investieren…

Matthias Anbuhl: Dieser Effekt lässt sich nicht nachweisen. Das zeigt der Gebührenkompass 2011 der Universität Hohenheim. Fünf Jahre lang nahm dieser Kompass die Lage in den Gebührenländern unter die Lupe. Das Ergebnis: Die Akzeptanz von Studiengebühren an den Hochschulen ist gesunken. Auch die These, dass sich die Studienqualität nach Abschaffung der Gebühren verschlechtere, ist nicht haltbar. In Hessen und im Saarland, wo die Studiengebühren wieder abgeschafft wurden, meinen immerhin 88 Prozent der Studierenden, die Lage hätte sich seit dem Gebühren-Aus nicht verschlechtert. Dieses Beispiel zeigt: Es lohnt nicht, die klinisch toten Studiengebühren zu reanimieren. Den finanzschwachen Hochschulen wäre damit nicht geholfen.

Wie sieht denn die Alternative aus?

Matthias Anbuhl: Wer den Hochschulen wirklich helfen will, muss an die Finanzarchitektur des deutschen Bildungsföderalismus gehen. Mit der Föderalismus-Reform hat sich die Lage der Hochschulen verschlechtert. Ausgerechnet dem potentesten Geldgeber wurden die Taschen zugenäht – dem Bund. Die Schuldenbremse entpuppt sich zudem in zahlreichen Bundesländern als Bildungsbremse:  Viele Landesregierungen kürzen bereits die Etats der Hochschulen.

Also muss das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern fallen?

Matthias Anbuhl: Ja, denn es ist der falsche Weg, dass der Bund zwar konkrete Vorhaben an den Hochschulen fördern, sich aber an ihrer Grundfinanzierung nicht beteiligen darf. Es ist höchste Zeit den Bund als Geldgeber der Hochschulen dauerhaft mit ins Boot zu holen. Der Bund muss in der Breite in die Qualität der Lehre investieren statt sich  auf die Förderung von Eliteprogrammen zu konzentrieren.

Wird die Gebührendebatte wieder aufflammen, wenn die Länder ab 2016 die Schuldenbremse einhalten müssen

Matthias Anbuhl: Die Gefahr besteht durchaus. Schuldenbremse und Fiskalpakt können den  Staat finanziell austrocknen. . Bund und Länder müssen deshalb ihre Einnahmen stärken, um dauerhaft ein zukunftsfestes Bildungs- und Hochschulsystem zu finanzieren. Haushaltskonsolidierung und eine gute Ausstattung unserer Kindergärten, Schulen und Hochschulen lassen sich in Einklang bringen. Dafür müssen in Zukunft nicht nur Arbeitseinkommen, sondern auch hohe Erbschaften und Vermögen sowie Finanztransaktionen angemessen besteuert werden. Wer gut verdient, muss durch ein sozial gerechtes Steuersystem seinen Beitrag zu einem guten, gebührenfreien und öffentlichen Bildungssystem leisten.


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