Deutscher Gewerkschaftsbund

30.11.2010
3. deutsch-französisches Gewerkschaftsforum

Gemeinsam gegen europäische Sparpolitik

Drittes Deutsch-Französisches Gewerkschaftsforum in Paris:VertreterInnen der Gewerkschaften sitzen am runden Tisch in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Paris

An einem Tisch: deutsche und französische GewerkschafterInnen wollen dem Sozialabbau in Europa solidarisch die Stirn bieten. Foto: Michael Wolters/IG BCE

Mit radikalen Kürzungen versuchen die EU-Staaten die Folgen der Finanzkrise in den Griff zu bekommen. Die Krisenverursacher bleiben ungeschoren, der Sparkurs trifft ArbeitnehmerInnen und sozial Schwache. Deutsche und französische Gewerkschaften wollen jetzt gemeinsam gegen diese Politik vorgehen.

In einer gemeinsamen Erklärung kritisieren deutsche und französische EGB-Gewerkschaften die nationalen Sparpakete und die gegenwärtige Europapolitik ihrer Regierungen. Diese seien die treibende Kraft hinter dem massiven Spardruck auf Griechenland, Irland, Spanien und Portugal.

Annelie Buntenbach beim 3. deutsch-französischen Gewerkschaftsforum in Paris

"Europa braucht einen Kurswechsel": DGB-Bundesvorstand Annelie Buntenbach (Mitte) beim 3. deutsch-französischen Gewerkschaftsforum. Links:Gabriele Bischoff, Leiterin Europapolitik beim DGB. Rechts: Manfred Brinkmann, Leiter Internationale Abteilung der GEW. Foto: Ute Hang/FES

Die Gewerkschaften forderten beim dritten deutsch-französischen Gewerkschaftsforum die beiden führenden Wirtschaftsnationen der EU auf, "solidarische und faire Lösungen in Europa zu finden und nationale Egoismen und Alleingänge zu stoppen." Frankreich und Deutschland haben eine zentrale Verantwortung, notwendige Maßnahmen auf europäischer und internationaler Ebene voranzubringen, heißt es in der Erklärung.

An dem Treffen in Paris nahmen der DGB und VertreterInnen der Mitgliedsgewerkschaften teil, von französischer Seite die Gewerkschaftsbünde CGT, CFDT, FO, UNSA und CFTC. Das Thema; „Aus der Krise – aber unter welchen Bedingungen? Konkurrenz und Solidarität im deutsch-französischen Verhältnis“. Das Forum wurde von Hans-Böckler- und Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert.

Wortlaut der Gemeinsamen Erklärung

3. Deutsch-Französisches Gewerkschaftsforum 23./ 24. November 2010

Gemeinsame Erklärung

Die im EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund) vertretenen Gewerkschaftsorganisationen aus Deutschland (DGB) und Frankreich (CGT, CFDT, FO, UNSA, CFTC) haben sich im Rahmen des 3. Deutsch-Französischen Gewerkschaftsforum getroffen, das in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung und IRES am 23. November 2010 in Paris statt fand.

Die unterzeichnenden Organisationen betonen die große Bedeutung regelmäßiger Treffen der Gewerkschaftsorganisationen beider Länder. Sie ermöglichen es, sich gegenseitig über die wirtschaftlichen und sozialen Realitäten zu informieren und gemeinsame Aktivitäten im Rahmen der Europäischen Gewerkschaftsarbeit zu verabreden.

Überall in Europa prägen ein beunruhigendes Ausmaß an Ungleichheiten und prekärer Beschäftigung und eine starke Ungewissheit über die Zukunft von Wirtschaft und Beschäftigung die wirtschaftliche und soziale Situation. Wir setzen uns in Europa gemeinsam dafür ein, gleichen Lohn und gleiche Rechte durchzusetzen. Und zwar für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, egal woher sie kommen. Allen Versuchen das Herkunftslandprinzip bei Dienstleistungen doch noch durch die Hintertür einzuführen, treten wir entschieden entgegen. 

Die Ursachen der Krise (fehlende Regulierung und Governance der Finanzwelt, das zügellose Streben nach Profit, Steueroasen,…) sind nicht behoben. Unsere Regierungen in Frankreich und Deutschland bringen Sparmaßnahmen auf den Weg, die die Situation von vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gefährden, prekäre Beschäftigung und Ungleichheiten befördern und in die nächste Rezession zu führen drohen, obwohl es dringend erforderlich wäre, Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Die Vermögen von Spekulanten, zu deren Rettung sich die Staaten verschulden mussten, bleiben dagegen unangetastet. Sie verdienen über neue Staatsanleihen sogar an ihrer Rettung mit. Statt diese Finanzgeschäfte effektiver zu besteuern, werden die Kosten einseitig bei Beschäftigten und Sozialleistungsempfängern, im Bereich der Kultur, der öffentlichen Investitionen und der öffentlichen Dienste eingeholt. Dadurch wächst die Gefahr einer langjährigen Stagnation oder sogar Schrumpfung der nationalen und europäischen Binnenmärkte, einer neuen Runde im Spekulationskarussel und schließlich einer Wiederholung der Krise auf höherem Niveau.

Die Europäischen Demonstrationen am 29. September haben eindrucksvoll den Protest der Gewerkschaftsorganisationen gegen die Austeritätspolitiken zum Ausdruck gebracht.

In Frankreich hat sich eine breite Protestbewegung gegen die ungerechte und ineffiziente Rentenreform gebildet. Auch die Analysen von Gewerkschaften und Wissenschaft in Deutschland haben gezeigt, dass die Anhebung des Rentenalters die Renten nicht „sicherer“ macht, solange die strukturellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht gelöst werden.

In Deutschland zielen die Aktivitäten der Gewerkschaften im Rahmen der « Herbstaktionen » gegen die zunehmende Schieflage im Land.

Die Koordinierung der Wirtschaftspolitiken in Europa muss nachhaltiges Wachstum und Gute Arbeit in den Mittelpunkt stellen und eine zukunftsfähige Industriepolitik fördern. Dabei ist die Autonomie der Sozialpartner unbedingt zu achten.

Auch wenn die von der Krise verursachten Schulden mittelfristig angegangen werden müssen, dürfen diese Maßnahmen nicht das Wachstum abwürgen. Sie müssen, im Gegenteil, der Ankurbelung der Wirtschaft dienen mit europäischen Maßnahmen, auf Ebene der Industriepolitik (Infrastruktur, Unterstützung von Wirtschaft und Entwicklung,…) und von Dienstleistungen.  Die Regierungen in Deutschland und Frankreich haben eine zentrale Verantwortung, eine solche Politik auf Europäischer und Internationaler Ebene voranzubringen.

Die Einführung von Mindestlöhnen (tarifvertraglich und/oder gesetzlich) in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – angepasst an die jeweiligen Realitäten – sind dringend erforderlich, um sozialen Wettbewerb zu verringern und allen ein Mindesteinkommen zu sichern.

Der Sektorale und Sektorübergreifende Soziale Dialog muss zentrales Instrument für die Entwicklung gemeinsamer Regeln in den Bereichen Wirtschaft und Soziales sein. Er muss wieder dazu beitragen, über verbindliche Sozialpartner-Vereinbarungen Sozialen Fortschritt zu befördern.

Gleichzeitig müssen sich Deutschland und Frankreich in der Europäischen Union massiv dafür einsetzen, die nötige Regulierung der Finanzmärkte sicherzustellen. Dies ist bisher nicht ausreichend geschehen: Weder im Rahmen der Richtlinie zu den Private Equity- und Hedgefonds, noch bei der Richtlinie zu Leerverkäufen und Kreditausfallversicherungen. Dringend notwendig sind zudem ein „Finanzprodukte-TÜV“, eine Europäische Ratingagentur und eine Europäische Finanztransaktionssteuer.

Die Harmonierung und  Neuausrichtung der Steuerpolitiken in Europa  ist notwendig, um den Anforderungen an eine gerechtere Verteilung der Reichtümer gerecht zu werden, und um Steuerdumping wirksam zu bekämpfen.

Auch in der kommenden G20-Präsidentschaft Frankreichs müssen sich die Mitgliedsländer und die Europäische Union dafür einsetzen, dass die Regulierung der Finanzmärkte und das Thema Gute Arbeit im Mittelpunkt steht.

Die Gewerkschaftsorganisationen in Deutschland und Frankreich unterstützen die EGB Kampagne gegen Sparmaßnahmen – Für Wachstum und Beschäftigung.

Deutschland, teilweise unterstützt von Frankreich, ist die treibende Kraft im Europäischen Rat, auf Länder wie Griechenland, Irland, Spanien und Portugal um jeden Preis massiven Spardruck auszuüben. Dies findet in den Gewerkschaftsorganisationen beider Länder keinerlei Unterstützung. Wir setzen uns vielmehr durch verschiedenste Aktivitäten im Rahmen der EGB-Kampagne dafür ein, solidarische und faire Lösungen in Europa zu finden und nationale Egoismen und Alleingänge zu stoppen. Die erzwungenen Spar- und Kürzungsmaßnahmen gefährden das Europäische Sozialmodell, führen zu gesellschaftlichen Spaltung und untergraben die Systeme der sozialen Sicherung. Dies alles gefährdet das Europäische Einigungswerk.

Dagegen wehren wir uns – national wie europäisch.


Nach oben

Finde deine Gewerkschaft

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter halten Fahnen hoch: Grafik
DGB
Rechtsschutz, tarifliche Leistungen wie mehr Urlaubstage und Weihnachtsgeld, Unterstützung bei Tarifkonflikten und Weiterbildung – dies sind 4 von 8 guten Gründen Mitglied in einer DGB-Gewerkschaft zu werden.
weiterlesen …

Der DGB-Tarifticker

Ge­werk­schaf­ten: Ak­tu­el­le Ta­rif­ver­hand­lun­gen und Streiks
Gewerkschafter*innen auf Demonstration für besseren Tarif
DGB/Hans-Christian Plambeck
Aktuelle Meldungen zu Tarifverhandlungen, Tariferfolgen und Streiks der acht Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
weiterlesen …

RSS-Feeds

RSS-Feeds: Un­se­re In­hal­te – schnell und ak­tu­ell
RSS-Feed-Symbol im Hintergrund, im Vordergrund eine Frau, die auf ihr Handy schaut
DGB
Der DGB-Bundesvorstand bietet seine aktuellen Meldungen, Pressemitteilungen, Tarifmeldungen der DGB-Gewerkschaften sowie die Inhalte des DGB-Infoservices einblick auch als RSS-Feeds.
weiterlesen …

Direkt zu deiner Gewerkschaft

Zu den DGB-Gewerkschaften

DGB