Immer weniger Betriebe bilden aus. Darüber berichtete die Süddeutsche Zeitung am 6. März. Im Artikel benutzte der Autor für Auszubildende auch das Wort "Lehrling". Ein Begriff der längst nicht mehr zeitgemäß ist, findet Jenny Zimmermann, Jugendbildungsreferentin beim DGB Hessen-Thüringen. Eine Erwiderung.
Von Jenny Zimmermann
In neumodischen Kaufhäusern sucht man das Wort „Schlüpfer“ vergeblich, Kinos heißen heute nicht mehr Lichtspielhäuser und in Zeiten von Smartphones braucht niemand mehr Münzfernsprecher. Sprache befindet sich stets im Wandel und passt sich ihrer Zeit an. Für Journalisten ist sie, was für Tischler der Hobel ist – ihr Handwerkszeug.
Warum also lese ich ständig „Lehrling“ in den Zeitungen (jüngst in den Artikeln „Immer weniger Betriebe bilden Lehrlinge aus“ und „Immer weniger Betriebe leisten sich einen Lehrling“, vom 6. März 2012, Süddeutsche Zeitung)?
In der BRD wurde der Begriff Lehrling bereits nach der Novellierung des BBiG 1971 durch die Bezeichnung Auszubildene oder Auszubildender ersetzt. Aus guten Gründen: Ein Lehrling hatte nur wenig Rechte, schuldete seinem Lehrherrn strengen Gehorsam, bezahlte an ihn Lehrgeld und durfte sogar von ihm gezüchtigt werden.
Mit der Neuordnung der Berufe zur Zeit der Industrialisierung änderten sich auch Formen der Lehre. Das Berufsbildungsgesetz von 1969 nimmt diese Änderungen auf und legt erstmals den Begriff „Auszubildender“ fest. Damit einher gingen festgeschriebene Rechte und Pflichten von Auszubildenden und Ausbildern. Die Art der Ausbildung, ihre sachliche und zeitliche Gliederung mussten beschrieben werden, tägliche Arbeitszeiten wurden festgelegt und eine Ausbildungsvergütung gezahlt.
Schließlich ging und geht es um viel mehr, als etwas „gelehrt“ zu werden. Zum Bildungsauftrag der Berufsschulen gehört heute zum Beispiel, den Auszubildenden berufliche Handlungskompetenzen zu vermitteln, aber auch ihre Allgemeinbildung zu erweitern. Sie sollen nicht nur ihre Aufgaben im Beruf erfüllen, sondern ihre eigene Arbeitswelt und die Gesellschaft mitgestalten und soziale, sowie ökologische Verantwortung übernehmen (Kultusministerkonferenz).
Rein sprachlich gesehen, ist das Wort „Lehrling“ mit einer Nachsilbe versehen, die pejorativ, abwertend zu verstehen ist. In Zeiten, in denen die Wirtschaft händeringend nach Fachkräften sucht, sollte man denen, die Fachkräfte sein werden, mehr Respekt entgegen bringen.
Da geht es zum Einen um das ständige Lamentieren über die angebliche Ausbildungsunfähigkeit der Bewerber_innen, zum anderen aber auch um die gebetsmühlenartige Wiederholung veralteter und überholter Begriffe.