USA unter Trump: Maschinenstaat ohne Regeln

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Massenentlassungen im US-Staatsdienst

“Ich habe 18 Jahre meines Lebens im öffentlichen Dienst verbracht – 8 als US-Marine und 10 beim US Forest Service”, sagt der Forstbeamte und Ranger Gregg Bafundo, der im Rahmen der Massenentlassung unter der neuen US-Regierung seinen Job verloren hat. Verantwortlich dafür ist der harte und vor allem schnelle Kurs von DOGE (Department of Government Efficiency), einer Organisation ohne rechtlichen Status, die im Auftrag von US-Präsident Donald Trump massiv Kosten im Staatsdienst reduzieren soll. Elon Musk fungiert als ihr oberster Sprecher. Innerhalb weniger Wochen wurden mit harten Methoden mehr als 62.000 Staatsdiener*innen entlassen. Einer von ihnen ist Bafundo. “Ich bin Waldbrandbekämpfer, Notfallsanitäter, leitender Wildnis-Ranger und Ressourcenberater.” Er habe sich für die Gesellschaft in Gefahr begeben, um diese zu schützen. “Und so werde ich nun behandelt”, klagt er in einem Statement auf der Webseite des US-Gewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO.

E-Mail statt Kündigungsschutz: So laufen die Entlassungen

Das Vorgehen von Musk in der Bundesverwaltung erinnert an die Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter im Jahr 2023. Innerhalb einer kurzen Frist sollen Beschäftigte von Bundesbehörden auf eine E-Mail von DOGE antworten und in 5 Spiegelstrichen ihren Job beschreiben. Wer diese ignoriert, ist raus. Zudem wird Mitarbeiterinnen des öffentlichen Dienstes ein Auflösungsvertrag mit einer Entschädigungszahlung von einigen Monatsgehältern angeboten. Ähnlich hat der Tech-Milliardär 80 Prozent der Beschäftigten bei Twitter gefeuert. Vor allem Stellen, die sich mit Diversität, Gleichstellung oder Umweltschutz beschäftigen, stehen im Fokus – aber nicht nur. In den USA gibt es praktisch keinen Kündigungsschutz. Deshalb sind formlose Entlassungen möglich. Viele Stellenkürzungen werden erst in den kommenden Monaten durchschlagen, weil wissenschaftlichen Projekten die Mittel gestrichen wurden und diese auslaufen. Doch es regt sich Widerstand. Vor Gerichten laufen Klagen. In Kalifornien hat ein Richter den Zugriff von Bundesebene auf Landesbehörden als unzulässig erklärt. An anderer Stelle mussten Beamtinnen wiedereingestellt werden, da sie die wichtige Aufgabe haben, sich um die Sicherheit der US-Atombomben zu kümmern. Doch die Folgen bekommen immer mehr Menschen zu spüren. So ist etwa ein Programm zusammengestrichen worden, das Menschen mit körperlichen Einschränkungen bei einem Studium unterstützt. Auch viele Programme in der Sozialarbeit und der internationalen Entwicklungshilfe sind gestrichen worden – mit nicht absehbaren Folgen für Menschen. Der Katastrophenschutz wurde personell geschwächt. Zahlungen an Veteranen drohen nicht fristgemäß ausgezahlt zu werden, weil die Fachleute gefeuert wurden. 

Widerstand wächst: Gewerkschaften erhalten großen Zulauf

Die US-Gewerkschaften raten, die Kündigungsmails nicht zu beantworten. Sie organisieren landesweit Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmenden. Viele Beschäftigte suchen gezielt Rat und Schutz durch die Gewerkschaften. Innerhalb weniger Wochen sind die Mitgliederzahlen deutlich gestiegen. Die American Federation of Government Employees, die größte Gewerkschaft für Bundesangestellte, wuchs auf eine Rekordgröße von 319.233 aktiven Mitgliedern. In den letzten 5 Wochen sind mehr als 14.000 neue Mitglieder eingetreten. Das ist fast so viel, wie die Gewerkschaft in den vorherigen 12 Monaten gewinnen konnte. In keinem Bereich der amerikanischen Arbeitswelt ist der Anteil an Gewerkschaftsmitgliedern so hoch wie im öffentlichen Dienst. Mehr als 30 Prozent der Beschäftigten sind auf Bundesebene gewerkschaftlich gebunden, im kommunalen Bereich fast 40 Prozent. Aus Sicht eines Gewerkschaftsgegners wie Elon Musk ergibt es Sinn, Beschäftigte aus dem Staatsdienst zu entlassen und gleichzeitig Gewerkschaftsmitglieder loszuwerden.

Staat durch Künstliche Intelligenz ersetzen?

Expert*innen sind sich einig, dass es Musk nicht nur darum geht, die Gewerkschaften als, aus seiner Sicht, Teil der woke community zu schwächen und die öffentliche Verwaltung zu zerschlagen – er verfolgt Größeres. Der Spiegel-Kolumnist Sascha Lobo warnt vor dem radikalen Ziel, den Staat durch eine Künstliche Intelligenz zu ersetzen. Ein wichtiger Indikator: DOGE dürfe Daten des Staates in seine eigenen KI-Systeme einleiten. “Da soll wohl eine KI-Technokratie auf Speed entstehen, und bisher ist nicht klar, ob sie überhaupt noch demokratisch verfasst sein wird”, schreibt Lobo auf Spiegel online.

Plattform X als neue Super-App nach chinesischem Vorbild

Musk hat angedeutet, dass er seine Plattform X zu einer umfassenden, quasi-staatlichen Plattform erweitern möchte. Sein Vorbild ist die App WeChat in China. Chines*innen können damit Nachrichten versenden, Videotelefonate führen, Lebensmittel oder Essen bestellen, Restaurant- und Stromrechnungen bezahlen oder einen neuen Job suchen. Es gibt einen eigenen App-Store – und praktisch für den autoritären chinesischen Staat – die Nutzenden können ihre persönliche ID-Nummer mit dem Konto verbinden. Generell werden nahezu alle Daten an die chinesischen Behörden weitergegeben. Jede persönliche Nachricht kann zu einem Risiko werden. Alle Interaktionen können zur Massenüberwachung genutzt und zudem zum Training von Künstlicher Intelligenz eingesetzt werden.

Silicon Valley und der “Effektive Akzelerationismus”

Dieser potenzielle Plan deckt sich mit einem Tech-Kult, der sich im Silicon Valley ausgebreitet hat. Führende Köpfe vieler US-Digitalunternehmen glauben, dass eine beschleunigte und ungehemmte digitale Transformation gut für die Menschheit sei. “Effektiver Akzelerationismus” nennt sich diese Denkschule. Sie wollen so schnell wie möglich eine künstliche Superintelligenz produzieren, “um Bewusstsein im gesamten Kosmos zu verbreiten”. Um einzelne Menschen geht es hierbei nicht. Der Mensch ist eher ein evolutionäres Hindernis. Umweltschutz, Arbeitnehmerrechte oder Gleichstellung und Behörden stehen diesen Zielen im Weg.

Ein erster Schritt, ohne Gesetze und Regeln die Tech-Träume zu verwirklichen, sind sogenannte Freedom Cities – Orte, an denen keine Gesetze gelten. Rechtslibertäre Investoren wie Peter Thiel drängen die US-Regierung unter Trump, solche Sonderbewirtschaftungszonen zu gründen. Dort sollen vor allem Unternehmen aus Bereichen wie Atomkraft, Rüstung, Biotech, Halbleiter und Anti-Aging angesiedelt werden. Kernreaktoren sollen den immensen lokalen Energiebedarf sichern – Demokratie und Mitbestimmung sind dort nicht vorgesehen.

Kritik an Big Tech wächst: "Digitalkonzerne zerstören Demokratie"

Big Tech ist ein Problem für demokratische Gesellschaften. Das schreibt zum Beispiel der Medienwissenschaftler Martin Andree von der Universität Köln. In seinem Buch fordert er: “Big Tech muss weg.” Im Rahmen der diesjährigen Republica – der Digitalkonferenz Ende Mai in Berlin – wird Andree seine Thesen auf dem DGB-Panel darstellen. Er ist sich sicher: “Digitalkonzerne zerstören Demokratie und Wirtschaft.” Gemeinsam mit der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi, der Wissenschaftlerin Jeanette Hofmann vom WZB und dem Siemens-Betriebsrat Metin Bukan wird er über den Einfluss von großen US-Digitalkonzernen diskutieren.


US-Gewerkschaften: Demokratische Bundesstaaten gut organisiert

Anteil von Gewerkschaftsmitgliedern an allen Beschäftigten anhand ausgewählter Bundesstaaten in Prozent.

BundesstaatAnteil Gewerkschaftsmitglieder in %
Höchster Wert
Hawaii24,1
New York20,6
Washington16,5
New Jersey15,8
Connecticut15,2
Niedrigster Wert
Texas4,4
Georgia4,4
Virginia4,3
North Carolina2,7
South Carolina2,3

Quelle: Bureau of labour statistics 2024

Die meisten Gewerkschaftsmitglieder gibt es in den eher urbanen und demokratisch geprägten Bundesstaaten der USA. Geringe Organisationsgrade gibt es in den konservativen Südstaaten. 

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