Pflege zu brauchen, bedeutet für viele Menschen und ihre Angehörigen hohe finanzielle Belastungen oder sogar Armut. Bereits heute sind mehr als 30 Prozent der in Pflegeeinrichtungen versorgten Menschen auf Sozialhilfe angewiesen, weil die Eigenanteile ihre Einkünfte übersteigen.
Gleichzeitig fehlen in der Pflege Fachkräfte. Viele, die in der Pflege arbeiten, klagen über Überlastung und unattraktive Arbeitsbedingungen, was die angespannte Versorgungssituation weiter verschärft. Deshalb braucht die Pflege eine Reform, damit sie zukunftssicher, gerecht und solidarisch wird.
Warum braucht die Pflege eine Reform?
Pflegebedürftige müssen im ersten Jahr ihres Aufenthalts in einem Pflegeheim durchschnittlich rund 3.100 Euro pro Monat aus eigener Tasche zahlen. Davon entfallen allein rund 1.600 Euro auf die Pflege selbst (Waschen, Anziehen, Medikamente geben, Verbände wechseln etc.) – die sogenannten "pflegerischen Eigenanteile". Der Rest sind Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Ausbildung und notwendige Investitionen. Bei einer durchschnittlichen Rente von 1.543 Euro bleibt vielen nichts übrig. Hohe Pflegekosten belasten oft die Familien der Pflegebedürftigen.
Pflege als Armutsrisiko
Mehr als ein Drittel aller Pflegebedürftigen in Heimen ist auf Sozialhilfe angewiesen, Tendenz steigend. In der ambulanten Pflege wird notwendige Pflege oft nicht in Anspruch genommen, weil Betroffene sich die Kosten nicht leisten können.
Akuter Pflegekräftemangel
Überlastung und unattraktive Arbeitsbedingungen verschärfen den Fachkräftemangel in der Pflege. Bis 2049 wird der Bedarf an Pflegefachkräften auf 2,15 Millionen steigen.
Angehörige am Limit
Angehörige leisten oft unbezahlt Pflege und sind beruflich wie privat stark belastet – ohne ausreichende Unterstützung.
Solidarische Finanzierung ist möglich
Eine Pflegevollversicherung ist finanzierbar, wenn alle Erwerbstätigen einzahlen – auch Spitzenverdiener*innen, Selbstständige und Beamt*innen.
Wie funktioniert die Pflegeversicherung heute?
Beschäftigte und Arbeitgeber zahlen gemeinsam in die Pflegeversicherung – in der Regel in gleicher Höhe – ein. Wenn Senior*innen oder Erkrankte Pflege zu Hause oder im Heim brauchen, entstehen hohe Kosten. Einen Teil dieser Kosten übernimmt die Pflegeversicherung. Der andere Teil der Leistungen muss privat finanziert werden. Die Höhe dieser sogenannten Eigenanteile steigt seit Jahren kontinuierlich an. Wenn Patient*innen den Eigenanteil nicht leisten können, bekommen sie Sozialhilfe ("Hilfen zur Pflege" genannt). Das betrifft aktuell ein Drittel der vollstationär Pflegebedürftigen.
Was ist eine Pflegevollversicherung?
Eine Pflegevollversicherung übernimmt alle pflegebedingten Kosten vollständig – unabhängig davon, ob die Pflege zu Hause oder in einer Einrichtung erfolgt. Bei einer Vollversicherung gibt es keine pflegerischen Eigenanteile für Pflegebedürftige und ihre Familien. Finanziert wird solidarisch von allen Erwerbstätigen. Das Ziel ist, alle Menschen im Pflegefall umfassend abzusichern und niemanden finanziell zu überfordern. Mit einer Pflegevollversicherung würde die Pflege zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die den sozialen Zusammenhalt stärkt und die Pflegebedürftigen sowie ihre Angehörigen nachhaltig entlastet.
DGB/Joanna Kosowska
Aber aktuell ist Pflege leider immer noch ein Armutsrisiko für viel zu viele Menschen. Sicherheit für alle gibt es nur mit einer Pflegevollversicherung für sämtliche pflegerische Leistungen, die von allen Bürger*innen solidarisch finanziert wird.
Was fordert der DGB bei der Pflege?
Wir fordern eine umfassende Reform der Pflegeversicherung. Wir wollen, dass alle Menschen sich gute Pflege leisten können. Pflegebedürftig zu sein, darf nicht arm machen. Deshalb wollen wir eine Pflegeversicherung für alle, die im Pflegefall alle Kosten übernimmt – eine Pflegevollversicherung. Wir fordern, die Eigenanteile an den Pflegekosten schnellstens drastisch zu senken und langfristig abzuschaffen.
Wie lässt sich die Pflegevollversicherung finanzieren?
Die Pflegevollversicherung ist finanzierbar, wenn alle Erwerbstätigen in die Pflegeversicherung einzahlen – auch Spitzenverdiener*innen, Selbstständige und Beamt*innen. Die Beitragsbemessungsgrenze, also der Höchstbetrag des Einkommens, bis zu dem Sozialversicherungsbeiträge berechnet werden, soll angehoben werden. Das führt dazu, dass höhere Einkommen stärker beteiligt werden.
Welche Rolle spielt die Erbschaftsteuer bei der Finanzierung der Pflege?
Dem deutschen Staat gingen laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftungseit 2009 durch Steuerprivilegien bei der Erbschaftsteuer rund 74 bis 88 Milliarden Euro verloren. Mit diesem Geld hätten knapp 1,5 Millionen Pflegekräfte pro Jahr finanziert werden können – oder alternativ 370.000 neue Sozialwohnungen. Bis zu 88 Prozent der Firmen-Erb*innen müssen keine Erbschaftsteuer zahlen – ein Verlust von 5 bis 10 Milliarden Euro pro Jahr.
Wir fordern: Besonders große Vermögen sollten einen fairen Beitrag zum Gemeinwesen leisten. Die Steuerprivilegien für Superreiche bei der Erbschaftsteuer müssen abgeschafft werden, damit die Pflege solidarisch finanziert werden kann.
Wie wollen wir Pflegeberufe aufwerten?
Die Pflegeberufe müssen attraktiver werden: durch verbindliche Personalbemessung, bessere Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne und eine kostenfreie, praxisorientierte Ausbildung. Das ist der Schlüssel, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
Faire Bezahlung bedeutet: Pflegekräfte verdienen Anerkennung nicht nur in Worten, sondern auch im Portemonnaie.
Bessere Arbeitsbedingungen bedeuten: Weniger Überlastung, mehr Zeit für Patient*innen, verlässliche Dienstpläne.
Wie stärken wir die ambulante Pflege?
Wir fordern mehr professionelle Pflege zu Hause durch den Ausbau der ambulanten Pflege. Eine bessere Vernetzung von ambulanten Diensten, Kurzzeitpflege und Tagespflege soll dafür sorgen, dass Menschen möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können.
Wie entlasten wir pflegende Angehörige?
Angehörige benötigen mehr Unterstützung durch bessere Freistellungsmöglichkeiten, eine Lohnersatzleistung bei Pflegeauszeiten sowie Entlastung durch professionelle Pflegekräfte und Fortbildungen.
Unsere Forderungen für eine gerechte Pflege im Überblick
- Pflegevollversicherung für alle einführen: Alle Pflegekosten sollen vollständig von der Pflegeversicherung übernommen werden, um Armut zu verhindern. Pflegerische Eigenanteile gehören abgeschafft. Zur Finanzierung fordern wir ein solidarisches System, in das alle Erwerbstätigen einzahlen – auch Spitzenverdiener*innen, Selbständige und ab einem definierten Stichtag auch neue Beamt*innen.
- Faire Finanzierung der Pflege sicherstellen: Die Beitragsbemessungsgrenze soll angehoben werden, damit höhere Einkommen stärker an der Pflegefinanzierung beteiligt werden.
- Pflegeberufe aufwerten: Verbindliche Personalbemessung, bessere Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne und eine kostenfreie, praxisorientierte Ausbildung sind der Schlüssel, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
- Ambulante Pflege zu Hause stärken: Eine bessere Vernetzung von ambulanten Diensten, Kurzzeitpflege und Tagespflege soll dafür sorgen, dass Menschen möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung zu Hause bleiben können.
- Pflegende Angehörige entlasten: Bessere Freistellungsmöglichkeiten, eine Lohnersatzleistung bei Pflegeauszeiten sowie Entlastung durch professionelle Pflegekräfte, Fortbildungen.
Jetzt handeln – für eine Pflege, die niemanden zurücklässt
Gute Pflege braucht eine solidarische Finanzierung und bessere Arbeitsbedingungen. Wir setzen uns für eine Pflegevollversicherung ohne pflegerische Eigenanteile, für eine bedarfsgerechte und verbindliche Personalbemessung und gerechte Löhne ein. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt den solidarischen Weg aus der Pflege-Krise. Jetzt muss die Politik handeln.