In Berlin wird am Donnerstag, dem 23. Oktober, beim Essenlieferdienst Lieferando (Takeaway Express B.V. & Co. KG) gestreikt. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten ruft rund 1.900 Essenskuriere und Support-Mitarbeiter auf, die Arbeit niederzulegen. Ziel ist es, gute Löhne, sichere Jobs und einen Tarifvertrag durchzusetzen sowie gegen eine unsoziale Unternehmenspolitik zu protestieren.
Kritik an Auslagerung und “Schattenflotten”
Die Unternehmenszentrale plant bundesweit etwa 2.000 Jobs auszulagern. Beschäftigte sollen in Scheinselbständigkeit gedrängt oder als Angestellte von Subunternehmen eingesetzt werden. Diese sogenannten Schattenflotten sind für problematische und teils illegale Praktiken berüchtigt. Die NGG sieht darin den Versuch, Beschäftigte durch digitale Tagelöhner zu ersetzen und arbeitsrechtliche Standards zu umgehen.
“Klick-Kapitalismus”: NGG warnt vor Entwertung von Arbeitsrechten
“Wenn bei Lieferando von ‚ausgeliefert‘ gesprochen wird, sind damit die Beschäftigten gemeint. Es findet eiskalter Klick-Kapitalismus statt: Außen Hightech, innen Frühkapitalismus”, sagt Veit Groß von der NGG Berlin. Besonders betroffen seien migrantische Beschäftigte in rechtlich schwacher Position. Groß warnt, Unternehmen testeten mit digitalen Tricksereien die Grenzen des Arbeitsrechts – ein Risiko für alle Beschäftigten.
Verhandlungen parallel zum Streik
Zeitgleich zum Streik findet in Berlin die 6. Verhandlungsrunde zu einem Interessenausgleich und Sozialplan statt. “Jetzt sind bundesweit 2.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Bisher verweigert das Unternehmen eine Zukunftssicherung und auch einen Sozialtarifvertrag. Der Streik unterstützt unsere Verhandlung”, erklärt Mark Baumeister, Referatsleiter Gastgewerbe bei der NGG.
Forderung an die Politik: EU-Plattformrichtlinie umsetzen
Die NGG fordert, die EU-Plattformrichtlinie mit einem Festanstellungsgebot zügig umzusetzen. Nur mit einem Direkteinstellungsgebot könnten Kontrollbehörden, Betriebsräte und Gewerkschaften wirksam handeln. In Strukturen mit vielen Subunternehmen funktioniere das nicht, wie Erfahrungen aus der Fleischbranche zeigen.
Hintergrund: Tarifkampf und Investoren-Druck
Die Lebensmittelgewerkschaft NGG kämpft seit Jahren für einen bundesweiten Tarifvertrag bei Lieferando, unter anderem für einen Einstiegslohn von 15 Euro. Das Unternehmen lagert derzeit tausende Jobs aus, schließt Standorte und vergibt Aufträge an lokale Dienstleister wie Fleetlery. Betroffen sind auffällig häufig Standorte mit Betriebsräten. Die NGG kritisiert die investorengetriebene Plattform-Ökonomie mit wenigen sozialen Rechten. Anfang Oktober wurde der Lieferando-Mutterkonzern von dem internationalen Finanzinvestor Prosus übernommen.
Ablauf und Auswirkungen am Streiktag
Die NGG ruft Fahrerinnen und Fahrer auf, von 23. Oktober ab 8:00 Uhr bis 0:30 Uhr am 24. Oktober zu streiken. An diesem Tag sind Zustellprobleme oder komplette Ausfälle bei Lieferando-Bestellungen zu erwarten. Die Streikversammlung beginnt um 13:00 Uhr vor den Fahrerstartpunkten/HUB in der Rotherstraße 16, 10245 Berlin, nahe S-Bahnhof Warschauer Straße. Geplant ist ein Protestzug über die Oberbaumbrücke zur Unternehmenszentrale in der Schlesischen Straße 34 und zurück.