Der 13. Februar ist für die Dresdner ein Tag des Gedenkens – an diesem Tag des Jahres 1945 wurde die Stadt bei einem verheerenden Luftangriff dem Boden gleich gemacht. zehntausende Menschen starben im Feuersturm. Seit Jahren versuchen Neonazis, dieses Datum und das Gedenken an die Opfer für Geschichtsrevisionismus und Hass-Propaganda zu missbrauchen. Die Zivilgesellschaft wehrt sich. Der DGB unterstützt den Protest, denn hier geht es darum, die Demokratie zu schützen. Ein Interview mit dem DGB-Vorsitzenden Michael Sommer.
Bei mehreren Luftangriffen zwischen dem 13. und 15. Februar 1945 wurden die Innenstadt (hier: Blick vom Neuen Rathaus) und die Infrastruktur Dresdens größtenteils zerstört. Tausende kamen um. Das Gedenken an die Opfer versuchen Rechtsextreme seit Jahren am Gedenktag für ihre Propaganda zu missbrauchen. cc Richard Peter/Deutsche Fotothek
Nun hat der DGB Sachsen zum friedlichen Protest gegen den Naziaufmarsch aufgerufen. Michael Sommer begrüßt den breiten gesellschaftlichen und politischen Widerstand gegen die neuen Nazis. Er wünscht sich eine starke Zivilgeselllschaft gegen Rechts, unterstützt von Initiativen, Projekten und Organisationen.
Frage: Die Dresdner Bürger lassen sich nicht einschüchtern und bieten den Nazis auch in diesem Jahr die Stirn. Wäre ein NPD-Verbot nicht ein wichtiger Schritt im Kampf gegen diese rechtsextremistischen Aufmärsche?
Michael Sommer: Ganz klar: Wir sind für ein Verbot der NPD, auch um zu verhindern, dass Rechtsextreme weiter mit Steuergeldern finanziert werden. Aber es wäre ein Fehler, sich in der Auseinandersetzung mit den Rechten nur auf ihre Parteien zu konzentrieren. Denn sogenannte Freie Kameradschaften und lose Netzwerke spielen eine immer wichtigere Rolle und das nicht nur bei den Aufmärschen am 13. Februar in Dresden. Das zeigen auch die mörderischen Aktivitäten der Zwickauer Terrorzelle und ihrer Unterstützer. Der Staat muss konsequent gegen alle neonazistischen Organisationen vorgehen. Dazu gehören auch Webseiten, wie „Politically Incorrect“, die noch immer nahezu ungestört menschenverachtende Propaganda und Hass verbreiten können.
In Dresden prallen ja nicht nur die Bürger auf Neonazis. Wie bei jeder Demo sind die Kolleginnen und Kollegen der Polizei betroffen, die die Kundgebung sichern müssen. Wie gehen die Gewerkschaften damit um, wenn die Situation wie im vergangenen Jahr eskaliert und zur Bedrohung für Leib und Leben der eigenen Mitglieder wird?
Michael Sommer: Der DGB-Bundesvorstand hat sich intensiv mit den Ereignissen in Dresden und den möglichen Schlussfolgerungen beschäftigt. Alle, die sich Naziaufmärschen entgegenstellen, werden mit den gleichen Schwierigkeiten konfrontiert. Auf der einen Seite will der DGB die Menschen mobilisieren, auf der anderen Seite Menschen davon abhalten, beim Protest die Grenze zur Gewalt zu überschreiten. Wir wollen einen friedlichen, aber wirksamen Protest, der das Grundrecht auf körperliche und seelische Unversehrtheit, auch der Polizistinnen und Polizisten, wahrt. Hier geht es schließlich darum, alle Demokraten vor brutalen tätlichen und verbalen Angriffen und die Demokratie selbst zu schützen.
Die Gesellschaft muss Flagge zeigen gegen den Nazi-Terror, heißt es in einer Resolution des DGB. Könnte dabei das geplante „Informationszentrum gegen Rechts“ von Familienministerin Kristina Schröder eine Hilfe sein?
Michael Sommer: Frau Schröder will dieses Zentrum, weil sie meint, es mangele am Transfer von Wissen über rechtsextreme Strukturen und Strömungen in der Gesellschaft. Diese Erkenntnisse haben wir aber schon lange. Zahlreiche Initiativen, Projekte und Organisationen widersetzen sich tagtäglich den Neonazis. Sie klären auf, beraten die Opfer rechter Gewalt. Und sie unterstützen Menschen, die aus der rechten Szene aussteigen möchten. Diese Einrichtungen und Vereine leisten hervorragende Arbeit und brauchen finanzielle Unterstützung.
Frau Schröder sollte also statt zwei Millionen in ein weiteres bürokratisches Projekt stecken, mit diesem Geld lieber das Know-how und Engagement dieser bestehenden Initiativen unterstützt. Stattdessen wird die Mittelvergabe für diese Einrichtungen durch die Extremismusklausel erschwert. Dieser Gesinnungs-TÜV des Bundesfamilienministeriums ist nicht nur überflüssig, sondern er behindert sogar die Arbeit gegen Rechts.
Der DGB und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände rufen die Menschen in Deutschland dazu auf, am Donnerstag, 23. Februar 2012, um 12.00 Uhr für eine Schweigeminute in ihrer Arbeit innezuhalten.