Deutscher Gewerkschaftsbund

06.03.2018
Aufruf

Diskussion um Tafeln: Sozialleistungen endlich erhöhen!

Essensausgabe in der Bahnhofsmission

DGB/Simone M. Neumann

Die Essener Tafel hat entschieden, vorerst keine Ausländer mehr aufzunehmen – was folgte, war eine kontroverse Debatte über Armut in Deutschland. Der DGB, der Paritätische Gesamtverband und viele weitere Verbände fordern jetzt in einem Aufruf: "Arme Menschen nicht gegeneinander ausspielen – Sozialleistungen endlich erhöhen"!

Der Paritätische

Entschlossene Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und eine sofortige Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung für alle hier lebenden bedürftigen Menschen fordern über 30 bundesweit aktive Organisationen von der neuen Bundesregierung in einer gemeinsamen Erklärung anlässlich der aktuellen Debatte um die Tafeln. Dass Menschen, egal welcher Herkunft, überhaupt Leistungen der Tafeln in Anspruch nehmen müssten, sei Ausdruck politischen und sozialstaatlichen Versagens in diesem reichen Land, heißt es in der Erklärung, die unter anderem vom DGB, der Nationalen Armutskonferenz, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem Sozialverband VdK Deutschland, dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter, dem Deutschen Kinderschutzbund, der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und PRO ASYL unterzeichnet wurde.

Buntenbach: Grundsicherung zu gering - schützt nicht vor Armut

Konkret gefordert wird die Anhebung der Regelsätze in Hartz IV, der Sozialhilfe und der Leistungen für Asylbewerber auf ein bedarfsgerechtes und existenzsicherndes Niveau. "Die Leistungen in der Altersgrundsicherung, bei Hartz IV oder im Asylbewerberleistungsgesetz sind ganz einfach zu gering bemessen und schützen nicht vor Armut. Die Regelsätze müssen sich am tatsächlichen Bedarf orientieren und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe garantieren. Wir brauchen eine untere Haltelinie gegen die Spaltung in Arm und Reich und müssen den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken", so DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Portrait von DGB-Vorstand Annelie Buntenbach, daneben das Zitat: „Die Leistungen in der Altersgrundsicherung, bei Hartz IV oder im Asylbewerberleistungsgesetz sind ganz einfach zu gering und schützen nicht vor Armut.“

Foto: DGB/Simone M. Neumann

"Skandal, wie das Armutsproblem verharmlost wird"

Es sei ein Skandal, dass die politisch Verantwortlichen das seit Jahren bestehende gravierende Armutsproblem verharmlosen und keine Maßnahmen zur Lösung einleiten, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Kritik äußert in diesem Zusammenhang Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, auch am Koalitionsvertrag der künftigen Regierung: „Wir wollen den Kern des Problems in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte und das Thema Armutsbekämpfung auf die Agenda der Großen Koalition setzen. Die Sicherung des Existenzminimums ist Aufgabe des Sozialstaates und nicht privater Initiativen und ehrenamtlichen Engagements. Niemand dürfte in unserem Sozialstaat auf Lebensmittelspenden angewiesen sein. Der Koalitionsvertrag zeigt hierzu eine bemerkenswerte Leerstelle.“

Mehr gegen Kinderarmut tun

Nachbesserungsbedarf wird dabei unter anderem beim Thema Kinderarmut gesehen. Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB): „Die Tafeln leisten großartige Arbeit. Aber dass in einem reichen Land wie Deutschland 360.000 Kinder und Jugendliche gezwungen sind, die Tafeln zu nutzen, um satt zu werden, ist eine Schande. Der Staat hat die Pflicht, dafür zu sorgen, dass jemand, der Kinder hat, ganz normal im Supermarkt einkaufen gehen kann, und nicht auf kostenlose und freiwillige Angebote Dritter ausweichen muss. Dafür müssen die Regelsätze ausreichen und entsprechend bemessen werden.“

"Für alle Menschen in Deutschland"

Gemeinsam positionieren sich die Organisationen ganz klar für Integration und eine offensive Sozialpolitik für alle hier lebenden Menschen. Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL: „Deutschland ist reich, in Deutschland gibt es genug Geld und erst recht genug Nahrung für alle. Flüchtlinge und Migranten werden als Sündenböcke instrumentalisiert und für Fehlentwicklungen wie Armut und Wohnungsnot verantwortlich gemacht, die die Politik zu verantworten hat. Wir brauchen eine auf Gerechtigkeit und Integration abzielende Sozialpolitik, die Flüchtlinge und Migranten einschließt. Dazu gehört auch die Sicherstellung des Existenzminimums für alle Menschen in Deutschland. Hilfsbedürftige dürfen nicht nach Pass oder Nationalität gegeneinander ausgespielt werden.“

"Es ist unerträglich, dass von Armut Betroffene Menschen jetzt in Konkurrenz zueinander stehen"

Auch Barbara Eschen, Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz und Diakoniedirektorin in Berlin-Brandenburg, warnt vor einer gesellschaftlichen Entsolidarisierung und unterstreicht: "Alle in Armut lebenden Menschen leiden unter einer ungerechten Politik, die Armut nicht bekämpft. Es ist unerträglich, dass von Armut Betroffene Menschen jetzt in Konkurrenz zueinander stehen. Es kann nicht länger sein, dass staatliche Maßnahmen wie der Regelsatz das Auskommen nicht sichern und Ehrenamtliche einspringen sollen, die das an die Belastungsgrenze bringt. Die Tafeln dürfen nicht länger die Ausputzer der Nation sein!"

Die Erklärung wird getragen von über 30 bundesweit aktiven Organisationen. Weitere interessierte Organisationen und Initiativen, auch lokal und regional aktive, sind eingeladen, den Aufruf mit zu unterstützen.


LINKS


Nach oben

Weitere Themen

1. Mai 2024: Mehr Lohn, mehr Frei­zeit, mehr Si­cher­heit
1. Mai 2024. Mehr Lohn. Mehr Freizeit. Mehr Sicherheit.
DGB
Tag der Arbeit, Maifeiertag oder Kampftag der Arbeiterbewegung: Am 1. Mai rufen wir Gewerkschaften zu bundesweiten Kundgebungen auf. 2024 steht der 1. Mai unter dem Motto „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit". Das sind unsere 3 Kernversprechen. Wir geben Antworten auf die zunehmende Verunsicherung in der Gesellschaft.
weiterlesen …

#Ta­rif­wen­de: Jetz­t!
Infografik mit Kampagnenclaim "Eintreten für die Tarifwende" auf roten Untergrund mit weißen Pfeil, der leicht nach oben zeigt.
DGB
Immer weniger Menschen arbeiten mit Tarifvertrag. Die Tarifbindung sinkt. Dadurch haben Beschäftigte viele Nachteile: weniger Geld und weniger Sicherheit. Wir sagen dieser Entwicklung den Kampf an – zusammen mit unseren Gewerkschaften – und starten für dich und mit dir die Kampagne #Tarifwende!
weiterlesen …

Mit dem neu­en Qua­li­fi­zie­rungs­geld Ar­beitsplät­ze si­chern!
Mehrere Menschen vor Computern bei einer Weiterbildung
DGB/Cathy Yeulet/123rf.com
Seit dem 1. April 2024 gibt es das Qualifizierungsgeld. Bekommen können es Beschäftigte, deren Arbeitsplatz durch die Transformation wegfallen könnte. Ziel ist, ihnen mit Weiterbildungen eine zukunftssichere Beschäftigung im gleichen Unternehmen zu ermöglichen. Alle Infos dazu findest du hier.
weiterlesen …

ein­blick - DGB-In­fo­ser­vice kos­ten­los abon­nie­ren
einblick DGB-Infoservice hier abonnieren
DGB/einblick
Mehr online, neues Layout und schnellere Infos – mit einem überarbeiteten Konzept bietet der DGB-Infoservice einblick seinen Leserinnen und Lesern umfassende News aus DGB und Gewerkschaften. Hier können Sie den wöchentlichen E-Mail-Newsletter einblick abonnieren.
zur Webseite …