Seit dem 20. August 2018 ist Griechenland wieder offiziell finanziell unabhängig. In Zukunft soll sich Griechenland wieder Geld am internationalen Kapitalmarkt beschaffen und keine Hilfskredite mehr benötigen. Trotzdem gehen die Sparauflagen weiter. Doch um die Wirtschaft zu stärken, dürfen Investitionen und Kosnum nicht weiter behindert werden, fordert der DGB-klartext.
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Seit dem 20.08.2018 ist es offiziell: Griechenland ist gerettet und hat seine finanzielle Souveränität wiedererlangt. So zumindest lautet das Credo in Brüssel. Das Datum markiert das Auslaufen des letzten Rettungsprogramms. In Zukunft soll sich Griechenland wie alle anderen Euro-Länder das Geld am internationalen Kapitalmarkt beschaffen und keine Hilfskredite mehr benötigen.
Doch in Griechenland selbst kommt keine Jubelstimmung auf. Die bisherigen Kredite wurden unter drakonischen Auflagen erteilt. Das Spardiktat der Gläubiger führte zu erheblichen Einschnitten am Arbeitsmarkt, bei Renten, im Steuersystem sowie bei Löhnen und Gehältern und beinhaltete auch die Zerschlagung der Tarifsysteme. Die Staatsausgaben wurden zwischen 2008 und 2016 um 30 Prozent zusammengekürzt. Die griechische Wirtschaftsleistung brach ein, die Arbeitslosenquote erreichte Rekordwerte und liegt heute noch bei fast 20 Prozent.
Hinzu kommt, dass Griechenland weiterhin unter einer engmaschigen Beobachtung der Gläubiger steht. Die Finanzlage des Landes soll von den Gläubigern mindestens bis 2050 überwacht werden. Griechenland musste sich dazu verpflichten, weitere Sparmaßnahmen zu erfüllen, darunter Rentenkürzungen im Januar 2019, obwohl diese bereits um 60 Prozent gesunken sind. Zudem soll das Land für Jahrzehnte Primärüberschüsse erzielen, also ein Plus im Staatshaushalt, ohne die Kosten des Schuldendienstes. Bis 2022 soll dieser bei 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen und danach bis 2060 pro Jahr bei 2,2 Prozent. Solche Dauer-Überschüsse in dieser Höhe hat noch nie ein Land erwirtschaftet. Selbst der In-ternationale Währungsfonds sieht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Euro-Land dies erfüllen könnte, bei weniger als 6 Prozent. Eine rigide Austeritätspolitik wäre so für Jahrzehnte vorprogrammiert.
Die Zinsen für Staatsanleihen im Vergleich mit anderen Euro- Ländern sind in Griechenland immer noch relativ hoch und der Schuldendienst für den Staat vergleichsweise teuer. Quelle: investing.com/ DGB
Zudem ist das Problem einer drohenden Staatspleite keinesfalls aus dem Weg geräumt. Zurzeit sind die Zinsen für Staatsanleihen im Vergleich mit anderen Euro- Ländern immer noch relativ hoch und der Schuldendienst für den Staat vergleichsweise teuer (siehe Grafik). Weil eine Pleite weiterhin denkbar ist, verlangen die Märkte Risikozuschläge. In der Folge liegen die Realzinsen weit höher als die wirtschaftliche Wachstumsrate, was einen Ausfall wiederum wahrscheinlicher macht. Angesichts dieser Tatsachen ist es zynisch, von einer finanziellen Unabhängigkeit Griechenlands zu sprechen.
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken muss bei der Ursache angesetzt werden, die die griechischen Zinsen in die Höhe schießen lässt – die Unsicherheit. Die Eurozone muss klar signalisieren, dass sie kein Mitgliedsland in die Pleite schickt. Die Staatsfinanzen der Euroländer müssen vor Spekulation geschützt werden, indem der Europäische Stabilitätsmechanismus mit einer Banklizenz ausgestattet und als „Gläubiger der letzten Instanz“ eingesetzt wird bzw. gemeinsame Anleihen in der Eurozone („Eurobonds“) ausgegeben werden können.
Investitionen und Konsum innerhalb Griechenlands dürfen nicht länger behindert werden, die Lohnkürzungen der Vergangenheit und die Zerschlagung der Tarifsysteme müssen rückgängig gemacht werden. Nur so kann das Land seine Wirtschaft stärken.