Arbeitsunfall und Berufskrankheit

Wann handelt es sich um einen Arbeitsunfall? Und wann gilt eine Krankheit als Berufskrankheit? Das und mehr erfährst du in unserem Ratgeber.

Was ist ein Arbeitsunfall?

Ein Unfall ist ein zeitlich begrenztes, plötzliches Ereignis, das von außen auf den Körper einwirkt und zu einem Gesundheitsschaden oder sogar zum Tode führen kann. Ein Arbeitsunfall liegt laut gesetzlicher Definition dann vor, wenn das Opfer zum Zeitpunkt des Unfalls eine berufliche Tätigkeit mit gesetzlicher Versicherungspflicht ausübt.

Was ist eine Berufskrankheit?

Nicht jede Krankheit, bei der die Möglichkeit besteht, dass die berufliche Tätigkeit Ursache ist, wird als Berufskrankheit anerkannt. Wie bei Unfällen gilt auch hier ein Kausalzusammenhang. Bestimmte Arbeitsbedingungen müssen dann für das Ausbrechen oder die Verschlimmerung einer in der Berufskrankheitenliste aufgenommenen Krankheit ursächlich sein. 

Als Berufskrankheiten werden nur solche Krankheiten bezeichnet, für die wissenschaftliche Untersuchungen tatsächlich einen eindeutigen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit als Ursache belegen. Aufgelistet sind sie in der Liste zur Berufskrankheitenverordnung der Bundesregierung. Dort ist auch ausgeführt, welche weiteren Bedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Anerkennung als Berufskrankheit möglich ist.

Wegfall des Unterlassungszwangs:

Bis 2020 bestand bei 9 Berufskrankheiten ein sogenannter unterlassungszwang. Betroffene erhielten nur dann Leistungen der Unfallversicherung, wenn sie die Tätigkeit aufgaben, die zu der Berufskrankheit geführt hatte. Diese Regelung wurde mit der Reform des Berufskrankheitenrechts 2020 abgeschafft. Wir als DGB haben für diese Reform gekämpft. Betroffene müssen nun nicht mehr ihre Tätigkeit komplett aufgeben und damit existenzbedrohende Situationen aushalten, um die ihnen zustehenden Leistungen zu bekommen.

Häufig gestellte Fragen:

Ist es ein Arbeitsunfall, wenn ich auf dem Weg von zu Hause zur Arbeitsstätte verunglücke?

Wenn du auf dem direkten Weg zwischen der Wohnung und deinem Arbeitsplatz verunglückst, spricht man von einem Wegunfall. Dieser gilt als Arbeitsunfall. Geschützt ist dieser Weg allerdings nur, solange, wie er in einem “inneren sachlichen Zusammenhang” mit deiner Beschäftigung steht und nicht eigenwirtschaftlichen Interessen dient. Nimmst du also nicht den direkten und kürzesten Weg, geht dein Versicherungsschutz verloren. Schon ein Umweg, beispielsweise, um an einem Bankautomaten Geld zu ziehen, zählt zu den eigenwirtschaftlichen Angelegenheiten. Entscheidend ist die „objektivierte Handlungstendenz“, also: welchem Ziel galt der jeweilige Weg. Unter bestimmten Umständen kann jedoch auch ein anderer als der kürzeste und direkteste Weg von und zur Arbeit noch dem Unfallversicherungsschutz unterfallen. Die Rechtsprechung sieht einen Weg noch als unmittelbar und damit einen inneren sachlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung noch als gegeben an, wenn die weitere Wegstrecke aus Sicht des Versicherten z. B. weniger zeitaufwändig, sicherer, übersichtlicher, besser ausgebaut oder kostengünstiger (bei Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels) als der entfernungsmäßig kürzeste Weg ist (BSG 24.06.2003 – B 2 U 40/02 R; LSG Halle 15.11.2006 - L 6 U 118/04).

Wann ist ein Unfall im Homeoffice ein Arbeitsunfall?

Der Unfallversicherungsschutz im Homeoffice besteht nur, wenn es eine Vereinbarung zur Arbeit im Homeoffice bei deinem Arbeitgeber gibt. Wenn du also bspw. ohne das Wissen deines Arbeitgebers von zu Hause arbeitest und du dich verletzt, hast du keinen Versicherungsschutz über die Unfallversicherung. Nach §8 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist ein Unfall im Homeoffice ein Arbeitsunfall, wenn du beim Unfall eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wolltest. Als Faustregel gilt: Wenn der Unfall bei einer Tätigkeit im unmittelbaren Betriebsinteresse passiert ist, handelt es sich um einen Arbeitsunfall. Kein Arbeitsunfall ist es, wenn du dich bei einer Tätigkeit im eigenwirtschaftlichen Interesse verletzt. Auch Wege sind im Homeoffice versichert, wenn sie “betrieblich ausgerichtet” sind. Das heißt: Wenn du bspw. auf dem Weg zum Drucker stürzt, um einen Ausdruck für deine Arbeit zu besorgen, gilt der Sturz als Arbeitsunfall. Auch der Weg zur Toilette oder in die Küche, um Essen zu holen, ist versichert.

Welche Rechte und Pflichten habe ich, wenn ich einen Arbeitsunfall hatte? Was muss ich tun? Was muss mein Arbeitgeber tun?

Wenn du einen Arbeitsunfall hattest, musst du diesen sofort und am besten schriftlich deinem Arbeitgeber melden. Bist du verletzt – die Schwere ist nicht entscheidend –, so suche einen Unfallarzt (sog. Durchgangsarzt) und gib auch dort das Unfallgeschehen an. Dieser meldet den Unfall bei der für dich zuständigen Unfallkassen/Berufsgenossenschaft. Falls du im Homeoffice verunglückt bist, solltest du außerdem den Unfall am besten ausführlich beschreiben, ggfs. Bilder hinzufügen und – falls vorhanden – Zeug*innen benennen. 

Muster: Unfallanzeige für Arbeitnehmer*innen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)

Dein Arbeitgeber (oder eine vom Arbeitgeber bevollmächtigte Person) ist verpflichtet, den Unfall bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung in einer Unfallanzeige zu melden, wenn der Unfall 

  • mehr als 3 Tage Arbeitsunfähigkeit des versicherten Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin zur Folge hat oder 
  • der*die versicherte Arbeitnehmer*in in Folge des Unfalls gestorben ist. 

Die Unfallanzeige muss innerhalb von 3 Tagen nach dem Unfall über das Online-Formular oder per Post beim zuständigen Versicherungsträger erfolgen. Wenn ein Betriebs- oder Personalrat besteht, muss dieser die Unfallanzeige mit unterzeichnen. Bei einer Online-Anzeige muss angegeben werden, welches Mitglied des Betriebs- oder Personalrats vor der Absendung von ihr Kenntnis genommen hat. Der Betriebs- bzw. Personalrat erhält ebenfalls ein Exemplar der Unfallanzeige. Ein Exemplar der Unfallanzeige geht dabei an die zuständige Unfallversicherung, ein weiteres dient der Dokumentation im Unternehmen. Weitere Exemplare müssen gesendet werden, wenn 

  • das Unternehmen der allgemein Arbeitsschutzaufsicht unterliegt (Exemplar geht an die für den Arbeitsschutz zuständige Landesbehörde, wie z. B. das Gewerbeaufsichtsamt oder das Staatliche Amt für Arbeitsschutz) oder 
  • das Unternehmen der bergbehördlichen Aufsicht unterliegt (Exemplar geht an die zuständige Bergbehörde). 

Dein Arbeitgeber muss dir als verunglückte*n Mitarbeiter*in außerdem eine Kopie der Unfallanzeige zukommen lassen und den Betriebsarzt oder die Betriebsärztin sowie die Fachkraft für Arbeitssicherheit über die Unfallanzeige informieren. 

Wir sprechen uns dafür aus, die betrieblichen Interessenvertretungen stets mit einzubeziehen – bei bereits erfolgten Arbeitsunfällen, aber auch für deren Verhütung. Das soll nicht nur dafür sorgen, dass der Arbeitsunfall gut abgewickelt wird, sondern auch, dass sich in Folge des Unfalls – falls nötig – Verbesserungen im Arbeitsschutz ergeben.

Warum ist es wichtig, einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit anerkennen zu lassen?

Wird ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit anerkannt, bekommst du den Versicherungsschutz der Gesetzlichen Unfallversicherungen. Das ist zu deinem Vorteil, denn meistens sind die Behandlung und Rehabilitationsmaßnahmen im Unfallversicherungssystem hochspezialisiert und besser.

Für welche Folgen kommt die gesetzliche Unfallversicherung auf?

Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Anders als im Krankenversicherungsrecht, wo mit wenigen Ausnahmen jede Krankheit unabhängig von ihrer Ursache behandelt wird, will die gesetzliche Unfallversicherung nicht jeden Gesundheitsschaden ausgleichen. Sie tritt bei einem Gesundheitsschaden ein, wenn 

  1. der Unfall berufsbedingt ist ("haftungsbegründende Kausalität"); 
  2. das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden zur Folge hat ("haftungsausfüllende Kausalität").

Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um körperliche oder seelische Schäden handelt. In einigen Fällen kann die haftungsbegründende Kausalität streitig sein. 

Das ist allerdings dann nicht der Fall, wenn etwa ein Arbeiter auf einer Baustelle schwere Gegenstände transportiert, dabei ausrutscht und sich verletzt. Hier kann man ohne weiteres einen Arbeitsunfall annehmen. Weniger eindeutig wird es, wenn zum Beispiel eine Versicherungsvertreterin mit potenziellen Kunden zum Skifahren fährt und dabei verunglückt. Oft stellen sich schwierige Abgrenzungsprobleme, wie auch bei Wegeunfällen. 

Der Versicherungsschutz für den Weg zur Arbeit beginnt mit dem Durchschreiten der Haustür, bei Mietwohnungen z. B. nicht bereits vor der Wohnungstür. Der Schutz endet mit Erreichen des Arbeitsplatzes. Ein Stopp während der Fahrt, um z. B. noch Lebensmittel zu kaufen, unterbricht den Versicherungsschutz. Das gilt selbst dann, wenn die oder der Beschäftigte auf direktem Weg zur Arbeit fährt (objektivierte Handlungstendenz, siehe Frage „Ist es ein Arbeitsunfall, wenn ich auf dem Weg von zu Hause zur Arbeitsstätte verunglücke?).

Welche Leistung kann ich von der gesetzlichen Unfallversicherung erhalten?

Der Leistungskatalog der gesetzlichen Unfallversicherung ist umfassend: 

  • Heilbehandlungen (inklusive der medizinischen Rehabilitation) 
  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben 
  • Leistungen zum Leben in der Gemeinschaft 
  • Leistungen bei Pflegebedürftigkeit 

Die Unfallversicherung ist verpflichtet, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit mit allen erdenklichen Mitteln wiederherzustellen. Die BG Kliniken der Unfallversicherung sind hochspezialisiert auf die Folgen von Arbeitsunfällen. Denn ihr erstes Ziel ist es, immaterielle Schäden zu beseitigen oder zu mindern. Sachschäden sind grundsätzlich – mit wenigen Ausnahmen – von der Entschädigung ausgeschlossen. Gehen dagegen Hilfsmittel zu Bruch, so gibt es hierfür Ersatz. So besteht ein Ersatzanspruch für eine Brille, die beim Unfall beschädigt wurde. 

Bei einem bleibenden Gesundheitsschaden besteht ein Anspruch auf eine Verletztenrente. Voraussetzung ist, dass durch den Unfall die Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach dem Schadensereignis hinaus um wenigstens 20 Prozent gemindert ist (MdE = Minderung er Erwerbsfähigkeit).

Weitere Informationen zur Gesetzlichen Unfallversicherung: www.dguv.de 

Anerkannte Berufskrankheiten: Berufskrankheitenverordnung der Bundesregierung

Die Anerkennung als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit wurde abgelehnt: Kann ich dagegen vorgehen?

Du kannst innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids Widerspruch bei der Berufsgenossenschaft/Unfallkasse einlegen. Dies ergib sich auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung, die dem Bescheid beigefügt sein muss. Gewerkschaftsmitglieder sollten sich unverzüglich nach Erhalt des Bescheids mit ihrer Gewerkschaft in Verbindung setzen, da diese (kostenfrei) Rechtsschutz gewähren kann. Nicht Organisierte sollten, wenn sie unsicher sind, ebenso unverzüglich (auf eigene Kosten) Rechtsrat einholen.

Was bedeutet „Minderung der Erwerbstätigkeit“ („MdE")?

Die Abkürzung MdE steht für die "Minderung der Erwerbsfähigkeit". Die Höhe der MdE wird abstrakt ermittelt. Ausschlaggebend sind Umfang der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und der verminderten Arbeitsmöglichkeit während des Erwerbslebens.

Verletztenrenten werden als sogenannte Teilrenten gewährt, wenn die MdE unter 100 beträgt. Neben der MdE ist für die Höhe der individuelle Jahresarbeitsverdienst maßgeblich. Anspruch auf eine Verletztenrente besteht ab einer MdE von 20 Prozent. Weil auch Schüler*innen, Studierende und andere unter dem Schutz der gesetzlichen Versicherung stehen können, werden bei der Ermittlung des Jahresarbeitsverdienstes für diesen Personenkreis Mindest- und Höchstsätze zu Grunde gelegt. Damit erhalten auch diese Personengruppen eine Rente im Fall einer bleibenden Erwerbsminderung. 

Beträgt die MdE 100, wird eine Vollrente in Höhe von 2/3 des Jahresarbeitsverdienstes gewährt.

Können Berufskrankheiten anerkannt werden, wenn sie noch nicht in der Liste stehen?

Ja, sobald wissenschaftliche Untersuchungen nachweisen, dass bestimmte Tätigkeiten oder Einwirkungen die Krankheit verursachen, können diese als sogenannte „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt werden. Voraussetzung ist hierbei, dass der Gesetzgeber bereits die Absicht hat, diese Krankheit zukünftig in die Liste zur Berufskrankheitenverordnung aufzunehmen. „Wie-Berufskrankheiten“ werden also im Zeitraum zwischen den neuen Erkenntnissen der Wissenschaft und Aufnahme der Krankheit in die die Liste zur Berufskrankheitenverordnung wie Berufskrankheiten behandelt. 

Es zeigt sich, dass „Wie-Berufskrankheiten“ nur sehr zögerlich von den Sozialgerichten anerkannt werden. Trotzdem empfiehlt es sich, mit deinem Arzt abzuklären, ob es neue medizinische Erkenntnisse zu einer Krankheit gibt, die du in Folge deines Berufes hast und die noch nicht auf der Liste der Berufskrankheitenverordnung aufgeführt ist.

Stichtagsregelung bei Berufskrankheit: Was muss ich wissen?

Ein Stichtag im Sinne des Berufskrankheitenrechts ist der Zeitpunkt, ab dem Rechte nicht mehr geltend gemacht werden können oder Rechte neu entstehen. Grundsätzlich sind solche Stichtags-Regelungen rechtmäßig und verfassungsgemäß. 

Wurde die Anerkennung einer Berufskrankheit beantragt, darf die Berufsgenossenschaft die Entscheidung darüber nicht zurückstellen, wenn bereits ersichtlich ist, dass die Verordnung zu einem Stichtag in Kraft treten wird. 

Das Bundesverfassungsgericht sieht darin sogar eine Verletzung der Grundrechte, wenn die Berufsgenossenschaft in einem solchen Fall über einen Antrag nicht entscheidet. Durch ein derartiges Vorgehen greife der Unfallversicherungsträger in schwebende Verfahren ein und schaffe unzulässige Stichtagsregelungen.

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