Europa steht nach Wochen der politischen Achterbahnfahrt vor einem Scherbenhaufen. Auch wenn am Ende die Gläubiger und die griechische Regierung einen groben Plan für die nächsten drei Jahre unterschrieben haben: Langfristig ist kein Problem gelöst. Die harte und unnachgiebige Haltung der Gläubiger hat der europäischen Idee einen schweren Schlag verpasst.
Wie schon bei früheren Verhandlungen wurde allenfalls Zeit gewonnen und kurzfristig Schlimmeres verhindert. Griechenlands Banken werden jetzt wieder Liquidität bekommen, die griechische Regierung Überbrückungsgelder und später wohl erneute Hilfskredite, um einen Zahlungsausfall zu stoppen. Vor allem wurde ein unmittelbares Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone (Grexit) noch einmal abgewendet.
Ein Grexit hätte eine deutlich schwächere, neue griechische Währung geschaffen, mit der Löhne, Renten und Sozialtransfers beglichen worden wären. Das hätte Massenarmut und die humanitäre Katastrophe von einem Tag auf den anderen deutlich vergrößert. Griechenland ist eine zu kleine Volkswirtschaft, um sich autark zu versorgen, Importe wären nach einem Grexit aber deutlich verteuert und erschwert worden. Auch die Eurozone hätte bei einem Grexit Auflösungserscheinungen zu verzeichnen gehabt. Es ist gut, dass es nicht so weit kam.
Doch das Ergebnis kommt für die Griechen und für Europa zu einem hohen Preis – einem Preis, der sinnlos und vor allem einer falschen Ideologie geschuldet ist. Denn die Kreditgeber setzen jetzt nicht nur die griechische Demokratie außer Kraft – die Athener Regierung muss sich künftig jede Maßnahme, die sie ergreifen will, von der nicht demokratisch legitimierten Troika aus Europäischer Zentralbank, IWF und EU-Kommission genehmigen lassen.
DGB/Zahlen IMK
Die Gläubiger haben zudem klargemacht, dass sie keine Alternative zum katastrophalen Spar- und Kürzungskurs in Europa akzeptieren. Die Folge: Athen muss weiter Renten kürzen, öffentliche Güter verscherbeln und Mehrwertsteuern erhöhen, was insbesondere die Armen trifft. Auch Massenentlassungen muss Griechenland noch weiter erleichtern, obwohl eine Lockerung des Kündigungsschutzes keine Arbeitsplätze schafft, wie empirische Studien beweisen.
Insgesamt wird der verschärfte Kürzungskurs die griechische Wirtschaft weiter abwürgen. Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) haben gezeigt, dass die katastrophale wirtschaftliche Situation Griechenlands vor allem durch diese falschen Auflagen in den letzten Jahren zustande kam und es dem Land ohne Kürzungen deutlich besser ergangen wäre. Wenn die Wirtschaft weiterhin nicht auf die Beine kommt, ist aber nicht ausgeschlossen, dass Hellas schon bald wieder vor dem Grexit steht.
Deshalb muss jetzt gegengesteuert werden: Die am Montag unterschriebene Vereinbarung sieht vor, den Griechen 35 Milliarden Euro an Strukturfondsmitteln zugänglich zu machen, die sie bislang nicht abrufen konnten, weil die teure Kofinanzierung nicht zu leisten war. Die Kofinanzierung muss jetzt vollständig ausgesetzt werden, die 35 Milliarden Euro müssen schnellstmöglich direkt in konjunkturstützende, sozial gerechte Maßnahmen und langfristig sinnvolle Investitionen fließen.