Der Mindestlohn sorgt für steigende Einkommen und mehr Gerechtigkeit. Die Beschäftigungszahlen steigen ebenfalls. Mit dieser positiven Bilanz eröffnete Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles die Mindestlohn-Konferenz des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 15. September 2015 in Berlin. Unter dem Titel „Kommt der Mindestlohn überall an – eine Zwischenbilanz" hatte der DGB zu einer ersten Rückschau auf den gesetzlichen Mindestlohn eingeladen – und das gleichnamige Buch vorgestellt.
Rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten den Diskussionen und Vorträgen. Neben Wissenschaft und Politik kamen Menschen zu Wort, die vom Mindestlohn profitieren – aber auch solche, die von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern um ihren Anspruch geprellt wurde.
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell und Bundeswirtschaftsministerin Andrea Nahles eröffneten die DGB-Tagung mit einer ersten Bilanz nach 9 Monaten Mindestlohn.
DGB/Simone M. Neumann
„Es ist mit Abstand eine der tiefgreifendsten Sozialreformen Deutschlands und auch ein Erfolg der Gewerkschaften“, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles in ihrer Eröffnungsrede. Der Mindestlohn sei eine Erfolgsgeschichte, so Nahles. Besonders in den Niedriglohnbranchen seien die Einkommen seit Einführung des Mindestlohns überdurchschnittlich gestiegen – er komme also genau dort an, wo er ankommen sollte. „Mehr Lohn, mehr Beschäftigte, mehr Gerechtigkeit, das ist die Bilanz“, erklärte die Bundesarbeitsministerin. Doch die Geschichte sei noch nicht zu Ende – „wir müssen dranbleiben“, zitierte Nahles den Slogan der DGB-Mindestlohnkampagne. Vor allem müsse die Umsetzung des Mindestlohns wirksam kontrolliert werden. Forderungen nach Änderungen am Miindestlohn-Gesetz erteilte die Ministerin eine Absage. Denn die Fakten zeigten, dass das Gesetz wirke. „Weil wirkt, kneift es auch hier und da“, so Nahles, „aber unter dem Strich ist es ein gutes Gesetz, und deswegen muss man es auch nicht ändern.“
„Zahlen der Bundesbank belegten, dass insbesondere Un- oder Angelernte in Ostdeutschland vom Mindestlohn profitierten, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell in seiner Rede: „Es gab Lohnsteigerungen von bis zu 9,3 Prozent, das ist doppelt bis dreifach so viel wie in höheren Gehaltsgruppen.“ Positiv wertete Körzell auch die Entwicklung bei den so genannten Aufstockern. Die Bundesagentur für Arbeit gehe davon aus, dass die Zahl der Menschen, deren Lohn so niedrig ist, dass sie zusätzlich Arbeitslosengeld-II-Anspruch haben, im laufenden Jahr um rund 60.000 sinken werde. „Löhne rauf, Aufstocker runter, Entwarnung bei Jobs und Preisen“, fasste Körzell zusammen. Eine klare Absage erteilte das Bundesvorstandsmitglied Forderungen aus der Politik, den Mindestlohn für Flüchtlinge abzusenken. „Auf dem Arbeitsmarkt gibt es keine Menschen erster und zweiter Klasse. Der Mindestlohn ist nach dem Gesetz für alle gültig und nicht abdingbar“, so Körzell.
Eröffnungsdiskussion: Welche Erfahrungen gibt es mit dem gesetzlichen Mindestlohn nach 9 Monaten? Von links: Peter Loder (Arbeitgeber Wachgewerbe), Nadia Kluge (DGB-Projekt Faire Mobilität), Michael Pipper (Konzern-BR Westfleisch), Moderatorin Petra Kaps, Georg Macht (Arbeitnehmer), Uwe Ledwig (NGG Berlin-Brandenburg), Andreas Fröhlich (ver.di Bundesverwaltung) .
DGB/Simone M. Neumann
In der Diskussionrunde "Mindestlohn der Praxis" stellten Gewerkschafter von NGG und ver.di ihre bisherigen Erfahrungen mit dem Mindestlohn vor. Sie zogen eine erste positive Bilanz. Zwar komme der Mindestlohn noch nicht überall an, doch habe das Gesetz bereits "Schmutzkonkurrenz" gegen faire Arbeitgeber beseitigt, sagte Uwe Ledwig, Geschäftsführer der NGG-Region Berlin-Brandenburg. Dies betreffe vor allem Branchen, in denen das Personal entscheidender Kostenfaktor sei, wie etwa dem Wach- und Sicherheitsgewerbe. Peter Loder, Arbeitgebervertreter in der Runde und Geschäftsführer einer Wach- und Schließgesellschaft aus Landshut, bestätigte, dass in seiner Firma niemand wegen dem Mindestlohn entlassen worden sei. Im Gegenteil fehlten ihm sogar Beschäftigte. Deutlich wurde jedoch, dass in etlichen Branchen massiv getrickst wird. Doppelte Arbeitszeiterfassung, Vollzeit, die als Teilzeit abgerechnet wird, Lohn, der nur teilweise ausgezahlt wird – das waren nur einige Beispiele, über die Nadia Kluge vom DGB-Projekt Faire Mobilität" berichtete. Klar wurde: Der Mindestlohn braucht konsequente staatliche Kontrollen. Nur so kann das Gesetz auch auf breiter Ebene effektiv durchgesetzt werden.
Dann kamen die Fachleute zu Wort: Axel Osmenda vom Hauptzollamt Berlin stellte die Möglichkeiten und gesetzlichen Befugnisse des Zolls zur Kontrolle des Mindestlohns vor. Die wissenschaftliche Sicht auf den Mindestlohn präsentierten Dr. Claudia Weinkopf (stellvertretende Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation IAQ) und Dr. Thorsten Schulten vom WSI der Hans-Böckler-Stiftung.
Der Mindestlohn: Erfolgsprogramm oder Dauerbaustelle? Abschlussdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der Parteien im Bundestag. Von links nach rechts: Peter Weiß (CDU), Stefan Körzell (DGB-Vorstandsmitglied), Katja Mast (SPD), Moderatorin Petra Kaps, Brigitte Pothmer (Bündnis90/Die Grünen), Jutta Krellmann (Die Linke), Max Straubinger (CSU).
DGB/Simone M. Neumann
In der abschließenden Runde "Der Mindestlohn: Erfolgsprojekt oder Dauerbaustelle" kam die Politik zu Wort. Vertreterinnen und Vertreter der Parteien im Bundestag diskutierten mit DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell positive Effekte des Mindestlohngesetzes, Defizite in der Umsetzung und über Nachbesserungsbedarfe.
Die Tagung "Kommt der Mindestlohn überall an?" in Bildern
Downloads
Das Buch zur Tagung
Die Autorinnen und Autoren stellten bei der Mindestlohntagung des DGB das Buch "Kommt der Mindestlohn überall an?" vor: Ulrich Jonas (Journalist), Stefan Körzell (DGB-Vorstandsmitglied), Dr. Claudia Weinkopf (IAQ, Universität Duisburg-Essen), Dr. Thorsten Schulten (WSI der Hans-Böckler-Stiftung), Claudia Falk (DGB). (von links).
DGB/Simone M. Neumann
Bei der Tagung stellten die Autorinnen und Autoren das gleichnamige Buch "Kommt der Mindestlohn überall an?" vor. Darin kommen Menschen zu Wort, die vom Mindestlohn profitieren, aber auch solche, die von den Arbeitgebern um ihren Anspruch geprellt werden. Das Buch berichtet von Beschäftigten, Arbeitgebern und Betriebsräten aus verschiedenen Branchen und Regionen und ihre ersten Erfahrungen mit dem gesetzlichen Mindestlohn.
Rabatt für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter
Gewerkschaftsangehörige können das Buch "Kommt der Mindestlohn überall an?" über den DGB-Bestellservice online für 4 Euro plus Versandkosten erwerben. Sammelbestellungen sind zu empfehlen. Um den Artikel bestellen zu können, müssen sie sich vorher online im Bestellsystem anmelden. Im Buchhandel kostet das Buch 6 Euro.
Zum DGB-Bestellservice