Mit einer „Konzertierten Aktion“ will Wirtschaftsminister Karl Schiller die Stabilitätspolitik der Großen Koalition unterstützen. Auch die Gewerkschaften werden an den Treffen beteiligt, verbindliche Absprachen sind nicht geplant. Doch es kommt anders: Ein Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung wird als eine Art Lohnleitlinie interpretiert, die Gewerkschaften geraten von zwei Seiten unter Druck.
Um die Stabilitätspolitik der Großen Koalition zu unterstützen, machte sich Karl Schiller für eine „Konzertierte Aktion“ stark. Sie sollte den Rahmen bilden für eine kooperative Zusammenarbeit der großen Interessengruppen. VertreterInnen von Bundesregierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften sollten in regelmäßigen Runden aufeinandertreffen. Ziel war es, wirtschaftliche Probleme zu diskutieren, Informationen auszutauschen, Erwartungen und Interessen zu artikulieren. Schiller wusste von der abwehrenden Haltung der Gewerkschaften gegenüber Lohnleitlinien. Er versprach, dass keine Eingriffe in die Tarifautonomie vorgesehen seien.
Doch am Ende kam es doch so: In der öffentlichen Debatte wurde der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung als eine Art Lohnleitlinie interpretiert, Politik und Medien forderten die Gewerkschaften zur Mäßigung auf. Deren Begeisterung für die „Konzertierte Aktion“ ließ daraufhin spürbar nach. Zudem drängten die Mitglieder bei stagnierenden Reallöhnen und steigenden Unternehmensgewinnen auf eine offensivere Lohnpolitik.
Manche Arbeitnehmer mochten auf die Gewerkschaften nicht warten und betrieben 1969 ihre Tarifpolitik auf eigene Faust. Arbeiter der Eisen– und Stahlindustrie traten in den Ausstand. Die IG Metall, die sich aufgrund des noch laufenden Tarifvertrags in der Friedenspflicht befand, aber auch die Arbeitgeber, versuchten durch vorgezogene Tarifverhandlungen den Streikenden entgegenzukommen. Überall gelang es, Lohn– und Gehaltserhöhungen durchzusetzen. Diese „Septemberstreiks“ gingen als erfolgreiches Kapitel in die Tarifgeschichte ein. Sie zwangen die Gewerkschaften in der Folge zu einer offensiveren Lohnpolitik.