Die Kohl–Regierung setzt auf eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, die zunächst konträr zu den keynesianischen Prinzipien der siebziger Jahre steht. Schnell wird deutlich, dass hiermit die radikale Abkehr von sozialstaatlichen Prinzipien gemeint ist. Damit begibt sich Kohl in ein ideologisches Bündnis mit der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und dem amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan.
Die neue Koalition mit der CDU entsprach den Vorstellungen des wirtschaftsliberalen Flügels, der inzwischen in der FDP den Ton angab. Kohl entschied sich aber nicht für einen so radikalen Rückzug des Sozialstaates, wie ihn die Liberalen forderten. Die Regierung leitete allerdings eine Wende zum Abbau des Sozialstaats und zur Deregulierung der Wirtschaftspolitik ein.
Tafelsilber wird verschleudert
Die im Herbst 1982 beschlossenen Sparmaßnahmen beinhalteten zunächst die Kürzung der Arbeitslosenunterstützung, eine stärkere Eigenbeteiligung der Krankenversicherten und die Streichung der Ausbildungsförderung für Schüler.
Dieser Kurs der christlich-liberalen Koalition wurde bis zum Ende der achtziger Jahre fortgesetzt. So kam es zu Verschiebungen fälliger Rentenerhöhungen, zu Beitragserhöhungen in der Sozialversicherung und zu Zuzahlungen bei Arzneikosten, Krankenhaus– und Kuraufenthalten.
Die Privatisierung öffentlicher Unternehmen fügte sich nicht nur in die ordnungspolitischen Vorstellungen des neoliberalen Wirtschaftskonzeptes, sondern verschaffte auch die notwendigen Mittel für die Konsolidierung des Haushalts. Volkswagen, die Lufthansa und die Deutsche Bundespost waren die prominentesten Beispiele für den Verkauf staatlichen Besitzes. Die Gewerkschaften lehnten die Privatisierungspolitik entschieden ab, brandmarkten sie gar als „Verschleuderung des Tafelsilbers“.
Die Kohl-Regierung war erklärtermaßen angetreten, den Sozialstaat zu deregulieren, seine Kosten zu drücken und den gewerkschaftlichen Einfluss zurückzudrängen. So konnte kaum erwartet werden, dass sich die neue Koalition um gute Beziehungen zu den Gewerkschaften bemühen würde. Dennoch standen dem Sozialabbau einzelne Verbesserungen gegenüber. Dazu gehören die Altersrente nach fünf statt bisher nach fünfzehn Beitragsjahren, die Erhöhung der steuerbegünstigten Vermögensbildung auf 936 DM, die rentenbegründenden und -steigernden Erziehungszeiten, sowie Erziehungsurlaub und -geld.
Proteste gegen Behinderung der Streikfähigkeit
Die Änderung des § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) im Mai 1986 jedoch wurde als eindeutige Kampfansage an die Gewerkschaften verstanden. Obwohl die Gewerkschaften in Kundgebungen über eine Million Arbeitnehmer gegen die Novelle mobilisierten, setzte sich Minister Blüm letztlich durch. Er zwang die Bundesanstalt für Arbeit zu einer neutralen Position bei Arbeitskämpfen, indem sie keine Ausfallunterstützung an „kalt Ausgesperrte“, an mittelbar von Streiks betroffene Arbeitnehmer während anderswo geführter Tarifauseinandersetzungen mehr zahlen durfte.