Im Rahmen der Konferenz zum Thema „Hohe Mieten und soziale Ungleichheit – warum Wohnen immer teurer wird und was die Politik dagegen tun kann“ luden der DGB, die IG BAU und ver.di zu spannenden Vorträgen und Diskussionen ein. Denn steigende Mieten, zu wenige Sozialwohnungen und explodierende Bodenpreise heizen die aktuelle Wohnraumkrise immer weiter an.
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, Bauministerin Klara Geywitz, Bundesvorsitzender der IG BAU Robert Feiger, Bundesvorsitzender der ver.di Frank Werneke und Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes Melanie Weber-Moritz (von rechts nach links) auf der wohnungspolitischen Konferenz. DGB/Christian Jungeblodt
Die Mieten steigen, die Sozialwohnungen werden weniger, es wird zu wenig und am Bedarf vorbei gebaut, die Bodenpreise explodieren… Seit Jahren sind die Probleme eklatant; seit Jahren skizzieren der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften Lösungswege aus der Wohnraumkrise – doch getan hat sich wenig. Vor diesem Hintergrund luden der DGB, die IG BAU und ver.di zu einer Konferenz unter dem Titel: „Hohe Mieten und soziale Ungleichheit – warum Wohnen immer teurer wird und was Politik dagegen tun kann.“
In seiner Eröffnungsrede betonte DGB-Bundesvorstandsmitglied Stefan Körzell die Wichtigkeit des Themas für Gewerkschaften. Etliche Kolleg*innen zahlen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete oder nehmen lange Pendelwege in Kauf, weil sie keine bezahlbare Wohnung in der Nähe ihrer Arbeitsstätte finden. Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, wird nicht erreicht. „Die Bundesregierung muss jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, damit jährlich 100.000 Sozialwohnungen gebaut werden. Daran werden wir sie messen“, so Stefan Körzell mit Verweis auf das zweite zentrale wohnungspolitische Ziel der Ampel-Regierung. Dazu hat der DGB bereits im Februar ein Maßnahmenpapier vorgelegt. Ergänzend zu dem Papier führte Körzell aus, dass sich die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) bislang durch Privatisierungen und hohen Leerständen in ihren 38.200 Wohnungen auszeichnet. Mittels dieser Behörde könnte der Bund selbst stärker im Bau von bezahlbaren Wohnungen aktiv werden. Wenn die Wohnraumkrise nicht behoben wird und die Verteilungskämpfe um bezahlbare Wohnungen zunehmen, steht der soziale Zusammenhalt in diesem Land auf dem Spiel, so Körzell.
Bundesbauministerin Klara Geywitz betonte in ihrer Keynote die Fortschritte im Wohnungsbau: Dazu zählen unter anderem das wieder gegründete Bundesbauministerium, deutlich mehr Mittel für den sozialen Wohnungsbau als unter der Vorgängerregierung, eine breite Einbindung der zentralen Akteure im Bündnis bezahlbarer Wohnraum, das Wohngeld-Plus-Gesetz oder erste Schritte zur Beschleunigung und weiteren Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Jedoch räumte die Ministerin ein, dass die Situation sehr unbefriedigend sei und der stete Rückgang an Sozialwohnungen gestoppt werden müsse. Wohnungsbau sei eine langfristige Aufgabe und das Problem nicht von heute auf morgen zu lösen. Was also tun? Dazu lieferten Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG BAU und Frank Werneke, Bundesvorsitzender der ver.di, in der Diskussion mit der Ministerin einige Ideen.
Feiger erläuterte, dass die aktuelle Stimmungslage in der Bauwirtschaft aufgrund abzuarbeitender Aufträge noch ganz gut sei, durch den stagnierenden Wohnungsbau die Aussichten für die zweite Jahreshälfte allerdings schlecht seien. Die IG BAU fordert ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro. Rein rechnerisch bräuchte man diese Summe, um bis zum Ende der Legislaturperiode den Bau von 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr zu fördern. Zudem betonte Feiger: „Einmal preisgebundene Wohnungen, müssen dauerhaft preisgebunden bleiben.“ Hier knüpfte Frank Werneke an, der die Wichtigkeit einer neuen Wohngemeinnützigkeit erläuterte. Nur durch einen gemeinnützigen Wohnungssektor könne man verhindern, dass geförderte Wohnungen nach 20 oder 30 Jahren aus der Sozialbindung fallen. Zudem würde die Deckelung einer auszuschüttenden Rendite den Druck für Mieter*innen und Beschäftigte mindern (siehe auch: gemeinsame Broschüre von ver.di und IG BAU: "Keine Rendite mit der Miete. Für eine neue Wohngemeinnützigkeit"). Die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag zur Wiedereinführung einer Wohngemeinnützigkeit sollte zeitnah umgesetzt werden. Die Ministerin zeigte sich skeptisch, ob mehr Geld viel helfen würde und betonte ihr Engagement für eine neue Wohngemeinnützigkeit. Gelobt wurde die Ministerin für das Förderprogramm Junges Wohnen, das wohnen für Studierende und Auszubildende fördert und für 2023 mit 500 Millionen Euro aus Mitteln der sozialen Wohnraumförderung ausgestattet ist. Die Gewerkschafter machten aber deutlich, dass es eine Verstetigung des Programms braucht, damit auch Auszubildende profitieren, die über keine Struktur wie die Studierendenwerke verfügen. Projekte für Auszubildende sind oft noch nicht so weit, um dieses Jahr einen Förderantrag zu stellen. Einig waren sich Podium und Publikum in der Frage, dass das Mietrecht dringend verschärft werden müsse, um zu verhindern, dass die steigende Wohnungsnachfrage, bei stagnierendem Angebot die Preise noch weiter in die Höhe schnellen lässt. Doch dass an der Blockade der diskutierten Lösungsvorschläge nur die FDP Schuld ist, da sie die verantwortlichen Ministerien der Finanzen und der Justiz besetzt, wollten nicht alle gelten lassen. Der selbsternannte „Kanzler für bezahlbares Wohnen“ müsse den kleinsten Koalitionspartner in die Schranken weisen, so Stimmen aus dem Publikum.
Im zweiten Teil der Konferenz diskutierten Charlotte Bartels vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Dirk Löhr, von der Hochschule Trier, Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes und Stefan Körzell die Frage, wie die Verteilung des Immobilienvermögens zur sozialen Ungleichheit beiträgt und wie Politik dem entgegenwirken kann. Bartels zeigte die zunehmende markoökonomische Bedeutung von Immobilen, sowie die in langfristiger Betrachtung negative Korrelation zwischen sozialer Ungleichheit und Eigentümerquote. Der Vermögenszuwachs beim reichsten Prozent der Bevölkerung geht seit der Wiedervereinigung vor allem auf Betriebsvermögen zurück, während für die (obere) Mittelschicht in erster Linie Immobilien für den Vermögenszuwachs sorgen. Dabei ist die Quote an Eigentümer*innen und Vermieter*innen im Westen deutlich höher als in Ostdeutschland. Zudem präsentierte Bartels Befunde, wie sich wohnungspolitische Maßnahmen auf die soziale Ungleichheit auswirken. Der soziale Wohnungsbau kann ebenso wie die Regulierung der Mieten zu einer Reduktion der sozialen Ungleichheit führen, wobei Mietregulierung oft mit einer Verknappung des Angebots einher geht. Von Maßnahmen der Eigentumsförderung profitieren jedoch häufiger wohlhabende Haushalte und die Immobilienpreise werden weiter befeuert, was Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen den Erwerb einer Immobilie erschwert. Dirk Löhr legte in seinem Vortrag „Privateigentum an Boden – die große Umverteilungsmaschine“ den Fokus auf ein wenig beachtetes wohnungspolitisches Thema. Er führte aus, dass die gestiegenen Wohnkosten und Häuserpreise vor allem auf die gestiegenen Bodenwerte zurückzuführen sind. Während die gestiegenen Bodenwerte privatisiert werden, gehen die Steigerungen auf die Bereitstellung von sozialer Infrastruktur (im weiteren Sinne) zurück. Diese wird von der Allgemeinheit finanziert. Er plädiert für eine Entkapitalisierung des Bodens durch kommunale Bodenbevorratung, eine Bodensteuer und Grundstücksvergaben im Erbbaurecht.
In der anschließenden Diskussion wurde die Notwendigkeit weiterer Regulierung der Mieten zur Reduzierung der sozialen Ungleichheit diskutiert. Melanie Weber-Moritz legte dar, dass die steigenden Mieten die Umverteilung von unten nach oben weiter verschärfen, und forderte die Bundesregierung auf, zumindest die im Koalitionsvertrag festgelegten Mietregulierungen umzusetzen. Stefan Körzell verwies auf Hans-Jochen Vogel, der sein Leben lang dafür kämpfte, dass Bodenwertsteigerungen, die auf Leistungen der Allgemeinheit zurück gehen, nicht privatisiert werden. Der DGB setzt sich deswegen für einen Planungswertausgleich und eine stärkere Besteuerung des Bodenwertzuwachses ein. Besonders drastisch zeigt sich die Ungleichheit durch die Verteilung des Immobilienvermögens in dem Umstand, dass Vonovia 2021 45 Prozent der Mieteinnahmen direkt als Dividende an ihre Aktionär*innen ausschüttete, wie die „Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen“ berechnete. Solche Exzesse sind von öffentlichen Wohnungsunternehmen nicht zu erwarten, weswegen auch Wege der Rekommunalisierung und Vergesellschaftung von Wohnungsbeständen diskutiert wurden. Denn wohnen sollte am Gemeinwohl und nicht an Profitinteressen ausgerichtet werden. Ob die Überführung von Wohnungen in öffentliches Eigentum sinnvoll ist, muss im Einzelfall und in erster Linie am vereinbarten Preis entschieden werden.
An den Diskussionen beteiligten sich haupt- und ehrenamtliche Gewerkschafter*innen, Mitglieder des Bundestags und des Berliner Abgeordnetenhauses, Aktive in der Mieter*innenbewegung und Fachleute aus verschiedenen Verbänden. Die Wohnraumkrise zu lösen wird nicht einfach, es muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Doch die Konferenz machte deutlich, dass Lösungen auf dem Tisch liegen. Die Politik muss sie umsetzen und bis dahin werden der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften nicht lockerlassen.
Maximilian Fuhrmann
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