Deutscher Gewerkschaftsbund

05.01.2018
Entgelttransparenzgesetz

Erfahren, was die Kollegen verdienen: So geht's (oder auch nicht)

Neue Regelungen sollen mehr Klarheit schaffen

Mehr Transparenz, mehr Gerechtigkeit? Seit Anfang Januar 2018 haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Recht zu erfahren, was Kolleginnen und Kollegen mit vergleichbaren Aufgaben verdienen. Doch die Hürden dafür sind hoch - und längst nicht alle Beschäftigten profitieren von dem neuen Gesetz.

Frau hält Geldscheine vor das Gesicht

DGB/Welcomia/123rf.com

Auskunftsanspruch mit Hindernissen

Noch immer verdienen Frauen für dieselbe Arbeit oft deutlich weniger als Männer. Selbst wenn man Faktoren wie Teilzeit herausrechnet, liegt die Lohnlücke in Deutschland bei sieben Prozent. Ein neues Gesetz soll jetzt für mehr Gerechtigkeit sorgen: Mit dem Entgelttransparenzgesetz haben Beschärftigte ab dem 6. Januar 2018 ein Recht darauf zu erfahren, wie Kolleginnen und Kollegen bezahlt werden, die ähnliche Tätigkeiten ausüben.

Doch so einfach, wie es klingt, ist das nicht - und vielen Beschäftigten nutzt das Gesetz nichts. Denn: Der Gesetzgeber hat große Hürden eingebaut. So gilt die neue Regelung nur

  • für Frauen und Männer, die in einem Betrieb mit mindestens 200 Angestellten arbeiten und
  • wenn es mindestens sechs Kolleginnen oder Kollegen des jeweils anderen Geschlechts gibt, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben wie der Antragsteller bzw. die Antragstellerin.
Zwei Drittel der Frauen ausgeschlossen

Durch diese Einschränkungen bleiben Beschäftigte in kleinen und mittelständischen Unternehmen außen vor - doch genau in diesem Bereich "ist die Entgeltgeltdiskrimierung am höchsten", sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack im Deutschlandfunk:

"Eine Frau, die in einem Betrieb mit 199 Beschäftigten arbeitet, hat nach diesem Gesetz keinen Auskunftsanspruch. Und eine Frau, die in ganz kleinen Betrieben mit fünf, sechs oder sieben Beschäftigten arbeitet, erst recht nicht. Das heißt: Zwei Drittel aller erwerbstätigen Frauen in Deutschland - die arbeiten nämlich in den kleinen und Kleinstbetrieben - sind von diesem Gesetz ausgenommen."

Junge Frau schsut nachdenklich auf viele Fragezeichen

DGB/Ion Chiosea/123rf.com

So funktioniert der Auskunftsanspruch
  • Die Anfrage muss in Textform gestellt werden, also schriftlich oder per Mail. Musterformulare dafür gibt es zum Beispiel beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
  • Wenn es einen Betriebsrat gibt, ist er der Ansprechpartner für die Beschäftigten. Er kann die Anfragen anonymisiert an die Personalabteilung weiterleiten.
  • Alternativ dazu können sich die Beschäftigten direkt an die Personalabteilung wenden.
  • Das Unternehmen hat drei Monate Zeit, die Anfrage zu beantworten.
  • Das Unternehmen muss den Mittelwert der Gehälter von mindestens sechs Kolleginnen bzw. Kollegen mit ähnlicher Tätigkeit nennen.
  • Auf Anfrage muss das Unternehmen auch Auskunft über zwei Zusatzleistungen wie Zulagen oder Prämien geben. Der Antragsteller muss diese jedoch konkret benennen, also vorher wissen oder zumindest vermuten, welche Extras die Kolleginnen oder Kollegen bekommen.
  • Das Unternehmen ist nicht verpflichtet, Auskunft über das Gehalt und die Zusatzleistungen eines bestimmten Mitarbeiters zu geben.
  • Wenn sich herausstellt, dass jemand tatsächlich weniger verdient als die Kolleginnen und Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit, kann er oder sie ein höheres Gehalt verlangen oder einklagen.
  • Eine automatische Anpassung des Gehalts oder Strafen für Unternehmen, die ungerecht bezahlen, sieht das Gesetz nicht vor.
Hohes Risiko für Beschäftigte

Doch selbst wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind und ein Auskunftsanspruch besteht, ist es für Beschäftigte oft mit einem Risiko verbunden, diesen auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen: "Ich würde Frauen immer erstmal raten, zu schauen: Gibt es einen Betriebsrat im Betrieb, der sich wirklich intensiv für die Interessen und Belange der Beschäftigten einsetzt? Wenn es einen solchen Betriebsrat gibt, dann würde ich auch raten: Okay, dann lass mal über den Betriebsrat dein Auskunftsbegehren klären", so Elke Hannack.

"Ansonsten ist es natürlich schwierig. Ein Auskunftsbegehren bringt die betroffenen Frauen immer in eine schwierige Situation. Entweder sie unterstellen ihrem Arbeitgeber, der jetzt mal reinen Gewissens seine Gehaltsstrukturen ausgestaltet hat, indirekt Entgeltdiskriminierung und bringen damit auch eventuell ungerechtfertigtes Misstrauen zum Ausdruck. Oder sie decken tatsächlich am Ende eine Entgeltdiskriminierung auf - und können nicht wirksam dagegen vorgehen. An der Stelle lässt das Gesetz die Frauen im Regen stehen."

"Allerhöchstens ein erster Schritt"

Denn: Das Entgelttransparenzgesetz sichert, mit den genannten Einschränkungen, nur einen Auskunftsanspruch zu - kein Recht auf eine Anpassung des Gehalts. Beschäftigte können zwar vor das Arbeitsgericht ziehen und auf Grundlage der Auskunft eine bessere Bezahlung einklagen, müssen das aber individuell tun, da das Gesetz kein Verbandsklagerecht vorsieht. Auch das ist für Elke Hannack ein großes Manko. Ihr Fazit:

 

Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes

DGB/Simone M. Neumann

"Das Entgelttransparenzgesetz wird nicht dazu beitragen, dass wir zu mehr Lohngerechtigkeit in den Betrieben kommen. Es wird allerhöchstens als erster Schritt dazu beitragen, dass wir mehr Transparenz in Bezug auf die Gehaltsstruktur in den Betrieben und Verwaltungen bekommen."

Unternehmen in die Pflicht

Der DGB fordert, das Entgeltransparenzgesetz, das den Auskunftsanspruch in den Mittelpunkt stellt, zu einem echten Lohngerechtigkeitsgesetz weiterzuentwickeln. Dieses müsste Betriebe und Verwaltungen dazu verpflichten, ihre Gehaltsstrukturen mit verbindlichen Verfahren zu überprüfen - und Diskriminierungen zu beseitigen. Aktuell sieht das Gesetz nur Berichtspflichten für Unternehmen vor, die mehr als 500 Beschäftigte haben - aber keinerlei Strafen, wenn die Unternehmen dieser Aufforderung nicht nachkommen.

Grundlage für den Auskunftsanspruch und mögliche Prüfverfahren ist die Vergleichbarkeit von Beschäftigungsverhältnissen. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat ein Instrument entwickelt, das solche Vergleiche auf eine systematische Basis stellt und auch Diskriminierungen enthüllt, die auf der Unterbewertung von Frauentätigkeiten beruhen. Hans-Böckler-Stiftung: Daten und Fakten zur Entgeltungleichheit.

Schaubild Kriterien für die geschlechtsneutrale Arbeitsbewertung

WSI 2016

Weitere Infos:

Stellungnahme des DGB zum Entwurf eines Entgelttransparenzgesetzes (PDF, 490 kB)

Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Entwurf des Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen zwischen Frauen und Männern. März 2017


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