Steuerschätzung: Öffentliche Haushalte unter Druck
Die in der vergangenen Woche veröffentlichte Steuerschätzung für die kommenden Jahre fiel etwas günstiger aus als die letzte Schätzung im Mai. Dennoch bleibt unklar, wie die öffentlichen Haushalte bis Ende des Jahrzehnts ohne drastische Kürzungen auf eine solide Grundlage gestellt werden können. Trotz gelockerter Schuldenbremse und Sondervermögen wird nur der Bund schon in den Jahren 2027 bis 2029 auf rund 170 Milliarden Euro Einnahmen verzichten müssen.
Wie Minister Klingbeil auch selbst erklärte, rührt dieser Fehlbetrag zu einem bedeutenden Teil von dem “Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm” her, das umfangreiche Steuerentlastungen für Unternehmen ermöglicht.
Investitionsanreize: Wirkung fraglich
Allein die darin enthaltene erneute Einführung der degressiven Abschreibung ist für den Fiskus mit einem Minus von 32 Milliarden Euro verbunden. Sie soll Unternehmen einen Anreiz bieten, geplante Investitionen vorzuziehen und dadurch einen Wachstumsimpuls auslösen. Da dieses Instrument bereits seit 2020 fast durchgängig zur Krisenbekämpfung genutzt wurde, ist fraglich, ob es noch nennenswerte Impulse auslösen kann; möglich, dass es in den Steuerabteilungen der Unternehmen als willkommenes Geschenk für ohnehin geplante Investitionen genutzt wird. Weitere rund 16 Milliarden Euro werden den öffentlichen Haushalten bis Ende 2029 durch Steuersatzsenkungen für Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen fehlen (vgl. klartext Nr. 27/2025). Hierbei ist es erklärtes Ziel, “in der Breite wirksame Liquiditätssteigerungen” für die Unternehmen zu erreichen, unabhängig davon, ob diese in Investitionen oder direkt auf die Konten der Unternehmer und Aktionäre fließen. Lediglich die steuerliche Förderung der Elektrifizierung betrieblicher Fuhrparks, die kaum mehr als 2 Milliarden Euro kosten wird, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit eine zusätzliche Nachfrage auslösen und damit konjunkturstützend wirken.
Fokus der Steuerpolitik: Unternehmen statt Haushalte
Statt wie die Vorgängerregierungen den wirtschaftlichen Folgen von Pandemie und Ukrainekrieg etwa mit dem Kinderbonus, einem höheren Alleinerziehenden-Freibetrag oder der Steuerbefreiung der Inflationsausgleichsprämie auch durch eine Stützung der Massenkaufkraft zu begegnen, setzt die neue Bundesregierung bisher nur auf bessere steuerliche Rahmenbedingungen für die Unternehmen. Werden sich aber die Absatzchancen für die Wirtschaft nicht verbessern, so fließen die gesparten Steuern im besten Falle in Rationalisierungsinvestitionen, im schlechtesten Falle in riskante Spekulationsgeschäfte.
DGB-Forderung: Mehr Gerechtigkeit in der Steuerpolitik
Deshalb brauchen wir eine Kehrtwende in der Steuerpolitik. Dazu müssen Steuersenkungen direkt der breiten Masse der privaten Haushalte zukommen, während die obersten 5 Prozent in der Einkommens- und Vermögensverteilung mehr beitragen müssen. Dass dafür keine Fabriken und Maschinen verscherbelt werden müssen, belegen Zahlen des Beratungsunternehmens ZEB. Dieses hat untersucht, wieviel liquides und für die Finanzanlage freies Vermögen im reichsten Teil des Privatkundenmarkts der deutschen Banken vorhanden ist. Dabei kam es zu dem Ergebnis, dass das von Banken verwaltete Privatvermögen der vermögendsten 700.000 Haushalte (1,7 Prozent der Privatkunden) von 2008 bis 2023 von 4,5 auf knapp 7 Billionen Euro gestiegen ist.