Letzte Woche hat die mit Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter*innen besetzte Mindestlohnkommission nach langen, intensiven Verhandlungen ihren Beschluss vorgelegt. Demnach soll der Mindestlohn zum 01.01.2026 von aktuell 12,82 Euro auf dann 13,90 Euro sowie zum 01.01.2027 auf dann 14,60 Euro je Stunde steigen.
Während manche Arbeitgeber am liebsten gar keine Erhöhung wollten, hat die Gewerkschaftsseite in der Kommission dennoch ein Plus von insgesamt 13,9 Prozent durchgesetzt. Das entspricht 1,78 Euro je Arbeitsstunde. Vollzeitbeschäftigte (40 Stunden) mit Mindestlohn haben damit ab Januar 2026 pro Monat brutto rund 190 Euro mehr auf dem Gehaltszettel. Im zweiten Jahr ergibt sich so ein monatliches Plus von brutto 310 Euro im Gegensatz zu heute. Aufs Jahr gerechnet ist das ein Plus von 3.700 Euro brutto.
Auch netto steht am Ende mehr zu Buche: Kommendes Jahr hat jemand der Vollzeit arbeitet (Steuerklasse 1, ein Kind) nach geltendem Steuerrecht 6,8 Prozent und im Jahr 2027 dann nochmals 4,1 Prozent mehr. Insgesamt ergibt das eine Steigerung von 11,2 Prozent netto im Vergleich zum Jahr 2025. Das dürfte für viele Millionen Menschen eine der größten Gehaltssteigerungen sein, die sie jemals erhalten haben. Der Mindestlohn sichert rund 6 Millionen Menschen, insbesondere in Niedriglohnsektoren wie dem Einzelhandel, der Logistik oder dem Gastgewerbe, ein existenzsicherndes Einkommen. Besonders profitieren Frauen sowie Beschäftigte in Ostdeutschland.
Die Kommission hat bei ihrer Entscheidung im Rahmen einer Gesamtabwägung den Mindestschutz der Beschäftigten, die wirtschaftliche Entwicklung und den nachlaufenden Tarifindex des Statistischen Bundesamtes sowie das 60-Prozent-Medianlohn-Kriterium berücksichtigt. 60 Prozent vom Medianeinkommen bei Vollzeitbeschäftigten sind demnach eine Richtgröße für einen armutsfesten Mindestlohn. Es ist der Verdienst der Gewerkschaften, dass dieses Kriterium überhaupt Berücksichtigung bei der Gesamtabwägung der Mindestlohnkommission findet. Einen Automatismus gibt es dafür nämlich nicht. Auch nicht nach der EU-Mindestlohn-Richtlinie, die diese Schwelle zwar erwähnt, aber nicht als zwingend erachtet. Bezogen auf den zurzeit verfügbaren Medianwert für April 2025, erreicht der Mindestlohn kommendes Jahr 57,5 Prozent und im darauffolgenden Jahr dann 60,4 Prozent des Medians.
Mit einem höheren Mindestlohn wird auch die Allgemeinheit entlastet, da der Kreis der Anspruchsberechtigten bei den sogenannten Aufstockerleistungen kleiner wird. So hat die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro im Oktober 2022 dazu geführt, dass 9 Prozent weniger für Aufstockerzahlungen geleistet werden musste. Das sind finanzielle Mittel, die freigesetzt und anderweitig genutzt werden können.
Jeder Cent mehr Mindestlohn steigert die Kaufkraft um rund 20 Millionen Euro. Über den Zeitraum von 2 Jahren ergibt sich mit den erzielten Steigerungen ein gesamtwirtschaftliches Lohnplus für die Mindestlohnbeschäftigten von rund 5,7 Milliarden Euro. Es ist davon auszugehen, dass dieses Geld eins zu eins in den Konsum fließt und damit die Konjunktur belebt.
Aber klar ist: Der Mindestlohn ist immer nur die zweitbeste Lösung. Gute Löhne und Arbeitsbedingungen entstehen vor allem durch Tarifverträge. Deshalb braucht es auch von der Politik stärkere Maßnahmen zur Förderung der Tarifbindung.