Die Ökonomin Katja Rietzler plädiert für eine Vermögensabgabe, um die massiven Ausgaben für die Verteidigung in den kommenden Jahren zu finanzieren. Sie erläutert unter anderem, warum diese Abgabe für Vermögende den Charakter einer Versicherungsprämie hat.
Vermögensabgabe: Geplanter Anstieg der Verteidigungsausgaben
Die Bundesregierung plant, die Verteidigungsausgaben einschließlich relevanter Infrastruktur in kurzer Zeit auf 5 Prozent der Wirtschaftsleistung anzuheben. Damit reagiert die Politik auf die veränderte globale Situation. Die Verteidigungsausgaben in einem engeren Sinne sollen dabei 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen.
Haushaltsregeln und Schuldenbremse
Mit geplanten Ausgaben von knapp 153 Milliarden Euro, wie sie die Ende Juli vorgestellte mittelfristige Finanzplanung vorsieht, würde dieses Ziel im Jahr 2029 annähernd erreicht. Soweit diese Ausgaben – im Haushaltsjargon “Ausgaben der Bereichsausnahme” – die Schwelle von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten, gilt für sie seit der Grundgesetzänderung vom März 2025 eine Ausnahme von der Schuldenbremse.
Diese Vorgehensweise der neuen Bundesregierung ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. So ist unklar, wie die Haushaltsplanung der Bundesregierung mit den europäischen Fiskalregeln in Einklang gebracht werden soll. Eine “national escape clause” erlaubt für gewisse Verteidigungsausgaben Ausnahmen vom Regelwerk. Allerdings ist die Abgrenzung deutlich enger, die Ausnahmen sind nur für 4 Jahre erlaubt und es gibt eine Obergrenze von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Grundsätzlich ist eine Kreditfinanzierung von Verteidigungsausgaben bei den europäischen Fiskalregeln nicht vorgesehen.
Ökonomische Einordnung der Kreditfinanzierung
Aus rein ökonomischer Sicht spricht vieles gegen eine Kreditfinanzierung von Verteidigungsausgaben. Sie haben verglichen mit Investitionen in Infrastruktur und Bildung eine deutlich geringere positive Wirkung auf Konjunktur und Wachstum und somit eher einen konsumtiven Charakter.
Die Ökonomen Tom Krebs und Patrick Kaczmarczyk verweisen in einer aktuellen Analyse auf Studien, die keinerlei positive Wirkung von kreditfinanzierten Verteidigungsausgaben finden. Das dürfte insbesondere bei importierten Rüstungsgütern der Fall sein. Ein investiver Charakter von Verteidigungsausgaben dürfte allenfalls dann gegeben sein, wenn neue Technologien entwickelt werden, die auch zivil nutzbar sind. Bei den geplanten Ausgaben ist das nicht in großem Umfang zu erwarten.
Die Orientierung an einer Ausgabenquote anstelle konkreter inhaltlicher Anforderungen birgt, insbesondere angesichts begrenzten Wettbewerbs in der Rüstungsindustrie, die Gefahr von Ineffizienzen und überhöhten Preisen.
Goldene Regel: Kredite nur für echte Investitionen
Die Bundesregierung sollte die Kreditfinanzierung im Sinne einer goldenen Regel auf echte investive Ausgaben für die Modernisierung der Infrastruktur und klimaneutrale Geschäftsmodelle der Zukunft beschränken. Beim größten Teil der Verteidigungsausgaben handelt es sich – auch wenn militärische Waffensysteme mittlerweile in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen als Investitionen verbucht werden – nicht um investive Ausgaben, die langfristig die Wirtschaftsleistung und folglich die Steuereinnahmen erhöhen.
Finanzierung über einmalige Vermögensabgabe
Aus diesem Grund sollten die Verteidigungsausgaben, mit Ausnahme von breit anwendbaren Forschungs- und Entwicklungsausgaben, primär durch Steuereinnahmen und nicht durch Kredite finanziert werden. Für den in naher Zukunft notwendigen steilen Anstieg der Verteidigungsausgaben sind zusätzliche Einnahmequellen erforderlich. Besonders passend wäre eine einmalige Vermögensabgabe, wie sie im Artikel 106 des Grundgesetzes vorgesehen ist.
Im Rahmen des Lastenausgleichs nach dem Zweiten Weltkrieg hat es eine Vermögensabgabe in der Geschichte der Bundesrepublik schon gegeben. Damals betrug die Abgabe 50 Prozent des abgabepflichtigen Vermögens über einen Zeitraum von fast 30 Jahren. Die Vermögensabgabe steht allein dem Bund zu und ist für Fälle eines einmaligen außergewöhnlichen Finanzierungsbedarfs vorgesehen. Durch die kurzfristig massiv auszuweitenden Verteidigungsausgaben erscheint sie damit als geeignet.
Für die Belastung hoher Vermögen zur Finanzierung der Verteidigung spricht nicht nur die sehr ungleiche Verteilung der Nettovermögen hierzulande – das reichste Hundertstel verfügt über einen Anteil von rund einem Drittel – sondern auch der Vorteil, den die Verteidigung und Abschreckung für Vermögende bieten.
Bei ihnen wird nicht nur Leib und Leben geschützt, sondern auch das Vermögen. Die Vermögensabgabe hat somit in Teilen auch den Charakter einer Versicherungsprämie. Durch die einmalige Anwendung auf das Vermögen an einem Stichtag wird zudem der Erhebungs- und Befolgungsaufwand begrenzt.
Eine einmalige Vermögensabgabe kann so ausgestaltet werden, dass sie progressiv mit dem Vermögen ansteigt und hauptsächlich das reichste Tausendstel der Vermögensverteilung betrifft. Der allergrößte Teil der Bevölkerung wäre nicht betroffen.
Leistungsfähigkeit hoher Vermögen
Zu beachten ist, dass die Renditen, die Hochvermögende aus ihren Aktiva erzielen können, weit oberhalb der Verzinsung liegen, die Durchschnittsbürger aus ihren Spareinlagen ziehen. Der Grund: Ein erheblicher Teil von Topvermögen steckt in profitablen Unternehmensanteilen.
Stefan Bach vom DIW Berlin hat das jährliche Aufkommen, das durch eine Vermögensabgabe über 20 Jahre erzielt werden kann, je nach konkreter Ausgestaltung des Steuertarifs und der Freibeträge in einer Studie aus dem Jahr 2020 zwischen 17 und 34 Milliarden Euro veranschlagt. Der maximale Steuersatz läge dabei bei 30 Prozent für sehr hohe Einkommen, was bei einer Streckung über 20 Jahre leicht aus den Erträgen finanziert werden könnte.
Fazit: Breite Finanzierung, stärkere Beteiligung der Vermögenden
Zwischen Ende 2020 und Ende 2024 haben die Nettovermögen in Deutschland nach Daten der Bundesbank um 28,6 Prozent zugenommen. Entsprechend höher dürfte demnach das Aufkommen aus einer einmaligen Vermögensabgabe heute ausfallen.
Sie könnte zwar nicht die gesamten zusätzlichen Verteidigungsausgaben finanzieren, sie könnte aber einen substanziellen Beitrag dazu leisten, die Lasten einer Ausweitung der Verteidigungsausgaben gerecht zu verteilen. Die Politik sollte den Mut aufbringen, die besonders Vermögenden stärker an der Finanzierung der Anpassung an die neuen geopolitischen Gegebenheiten zu beteiligen.
Dr. Katja Rietzler leitet seit 2012 das Referat Steuer- und Finanzpolitik im Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung.
Sie hat in München und Berlin Volkswirtschaftslehre studiert und an der FU Berlin promoviert. In ihrer mehr als dreißigjährigen beruflichen Laufbahn war sie auch bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und im eigenen Unternehmen “Rietzler Economics” tätig.