Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten. Doch eine aktuelle Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit zeigt: Die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit verhindert eine größere Erwerbsbeteiligung von Frauen. Job, Kinder, Pflege von Angehörigen und Hausarbeit – viele Frauen müssen das alles gleichzeitig unter einen Hut bekommen. Die Folgen: mangelnde Vereinbarkeit, Erschöpfung und wirtschaftliche Abhängigkeit. Der DGB fordert Politik und Arbeitgeber zum Handeln auf.
Hochqualifiziert – und trotzdem in Teilzeit
Die Zahlen sind eindeutig: Während nur jeder achte Mann in Teilzeit arbeitet, ist es bei den Frauen jede zweite. Besonders alarmierend: Auch eine gute Ausbildung ändert daran wenig.
Sorgearbeit ist Hauptgrund für Teilzeit bei Frauen:
- 57 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen geben Kinderbetreuung und 19 Prozent Pflege von Angehörigen als Grund für Teilzeit an.
- Bei Teilzeitbeschäftigen im Alter zwischen 35 und 44 Jahren sind 93 Prozent der Frauen aufgrund von Kinderbetreuung in Teilzeit erwerbstätig.
Teilzeitarbeit trotz guter Qualifikation:
- Fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen (44 bis 45 Prozent), die erfolgreich eine Fachweiterbildung oder ein Studium absolviert haben, sind lediglich in Teilzeit beschäftigt. Bei den Männern ist es nur etwa jeder zehnte.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor allem für Frauen in Vollzeit eine Herausforderung:
- 39 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Vollzeit geben an, (sehr) oft Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu haben. Bei Frauen in Teilzeit sind es 27 Prozent.
Frauen sind häufiger von Erschöpfung betroffen. Der Zusammenhang mit mangelnder Vereinbarkeit ist groß:
- Fast die Hälfte der Frauen (49 Prozent) gibt an, nach der Arbeit (sehr) häufig erschöpft zu sein. Bei den Männern sind es 38 Prozent.
- Von den Frauen, die häufig Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit haben, geben 80 Prozent an, (sehr) häufig nach der Arbeit erschöpft zu sein.
"Frauenerwerbstätigkeit ist kein Selbstläufer"
Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, sagte dazu:
“Wer Fachkräfte sucht, kann auf Frauen nicht verzichten. Doch die Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit ist kein Selbstläufer, das machen die Ergebnisse des DGB-Index Gute Arbeit deutlich. Erwerbstätige Frauen sind enorm belastet: Job, Kinder, Pflege von Angehörigen und Hausarbeit – das alles müssen viele von ihnen gleichzeitig unter einen Hut bekommen. Angesichts der mangelnden Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht das oft nur in Teilzeit.
Politik und Arbeitgeber müssen daher handeln. Zielgerichtete betriebliche Maßnahmen, zum Beispiel eine zeitliche Freistellung und finanzielle Zuschüsse für Kinderbetreuung und Pflege sowie mobiles Arbeiten, können die Vereinbarkeit verbessern und ermöglichen vor allem Müttern eine größere Erwerbsbeteiligung. Besonders wichtig: selbstbestimmte und familienbewusste Arbeitszeiten für Frauen und Männer, denn sie sind Voraussetzung für eine partnerschaftliche Aufteilung der Familienaufgaben. Auch ein flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuungs- und Pflegeinfrastruktur sowie Gutscheine für haushaltsnahe Dienstleistungen hätten positive Effekte.
Bessere familienpolitische Maßnahmen können außerdem dazu führen, dass Väter sich stärker zu Hause bei der Kinderbetreuung engagieren: Wir brauchen mehr Partnermonate beim Elterngeld und die in der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie vorgesehene bezahlte Freistellung von Vätern nach der Geburt eines Kindes. Nur so können die wirtschaftliche Eigenständigkeit von Frauen gestärkt und ihr großes Erwerbspotenzial zur Fachkräftesicherung genutzt werden.”
Teilzeit als Karrierebremse und Armutsfalle
Die Sonderauswertung zeigt: Frauen stecken in der Teilzeitfalle fest. Während bei Männern die Teilzeitquote mit der Familiengründung sinkt, steigt sie bei Frauen im Alter zwischen 25 und 34 Jahren stark an – und bleibt bis ins Rentenalter auf hohem Niveau. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Frauen liegt bei 33 Stunden, die von Männern bei knapp 41 Stunden. Eine Arbeitszeitlücke von 7 Stunden pro Woche.
Die Folgen sind gravierend: Frauen in Teilzeit sind deutlich seltener in Leitungspositionen tätig als Frauen in Vollzeit. Nur 47 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen geben an, dass ihr Einkommen (sehr) gut zum Leben ausreicht. Bei vollzeitbeschäftigten Frauen sind es 72 Prozent. Mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in Deutschland verdient nicht genug, um die eigene Existenz auch im Alter abzusichern.
Betriebliche Maßnahmen wirken, werden aber zu selten ergriffen
Die gute Nachricht: Wo Arbeitgeber aktiv werden, verbessert sich die Situation messbar. Frauen, die von ihrem Arbeitgeber bei Kinderbetreuung oder Pflege unterstützt werden, haben deutlich seltener Vereinbarkeitsprobleme. Auch die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten reduziert die Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit um 10 Prozentpunkte.
Die schlechte Nachricht: Bislang erhalten nur etwa ein Drittel der Frauen eine hohe Unterstützung vom Arbeitgeber bei Kinderbetreuung oder Pflege. Zwei Drittel berichten von keiner oder nur geringer Hilfe. Auch mobiles Arbeiten können nur 30 Prozent der Frauen in hohem Maße für eine bessere Vereinbarkeit nutzen. Bei teilzeitbeschäftigten Frauen sind es sogar nur 24 Prozent.
Partnerschaftlichkeit statt Doppelbelastung
Für die Gewerkschaften ist klar: Fachkräftesicherung funktioniert nur mit besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf – und mit einer gerechteren Verteilung der Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern. Die ungleiche Verteilung unbezahlter Sorgearbeit ist nach wie vor enorm: Frauen verbringen im Durchschnitt knapp 30 Stunden pro Woche mit unbezahlter Sorgearbeit, Männer nur 21 Stunden. Der Gender Care Gap liegt bei 44 Prozent.
Nur wenn Männer mehr Verantwortung übernehmen, können Frauen ihre Erwerbsarbeitszeit ausdehnen, ohne an die Grenzen der Belastbarkeit zu stoßen. Dafür braucht es familienpolitische Maßnahmen wie mehr Partnermonate beim Elterngeld, eine bezahlte Freistellung von Vätern nach der Geburt und den Abbau von Fehlanreizen im Steuer- und Sozialrecht. Gleichzeitig müssen Kinderbetreuungs- und Pflegeinfrastruktur flächendeckend ausgebaut und Gutscheine für haushaltsnahe Dienstleistungen eingeführt werden. Nur so können die wirtschaftliche Eigenständigkeit von Frauen gestärkt und ihr großes Erwerbspotenzial zur Fachkräftesicherung genutzt werden.
Die Sonderauswertung des Index Gute Arbeit gibt es hier zum Download.