Mit hunderten Kundgebungen und Veranstaltungen auf den Straßen und Plätzen im gesamten Bundesgebiet feiert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) den Tag der Arbeit. Unter dem Motto „Mach dich stark mit uns!“ richten sich die Gewerkschaften an die Beschäftigten in Deutschland und fordern sie dazu auf, sich gemeinsam mit den Gewerkschaften und der Kraft der Solidarität für mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen, eine starke Wirtschaft und mehr soziale Sicherheit einzusetzen.
Auf der zentralen Kundgebung in Chemnitz wandte sich die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi an die Beschäftigten: “Wir haben das Gerede satt, dass die Beschäftigten nicht genug leisten. Sie sind nicht Ursache der Wirtschaftsschwäche, und wir machen uns stark dafür, dass sie nicht die Leidtragenden werden. Wir wollen ein Wirtschaftswachstum für gute Jobs statt noch mehr Geld für Geschäfte auf dem Rücken der Beschäftigten.”
Um soziale Sicherheit und gute Arbeit zu schaffen, müssten die Arbeitgeber endlich ihren Teil beitragen, so Fahimi: “Jetzt, wo die Rahmenbedingungen durch Investitionszusagen stehen, und die Energiekosten sinken, müsst ihr liefern. Sorgt für sichere Jobs, faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen. Dann sorgen die Beschäftigten mit ihrer Leistung für Wachstum und Wohlstand!”
Mit Blick auf die Lohnlücke zwischen Ost und West forderte die Gewerkschafterin eine Tarifwende. Bei Vollzeitbeschäftigten liege der Lohnunterschied immer noch bei 19 Prozent. Wo hingegen nach Tarif bezahlt werde, gebe es eine Lohn-Angleichung von 98 Prozent. “Arbeitgeber haben immer noch nicht begriffen, dass sie mit Billiglöhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen keine Fachkräfte gewinnen können”, vermutete Fahimi. Sie forderte ein bundesweites Tariftreuegesetz, damit öffentliche Aufträge nur an tarifgebundene Unternehmen vergeben werden: “Schluss mit Steuergeld für Tarif- und Sozialdumping! Wir brauchen eine echte Tarifwende, die allen Beschäftigten Schutz und faire Löhne garantiert.”
In ihrer Rede warnte Fahimi zudem vor einer Politik, die soziale Sicherheit aushöhlt. “Soziale Stabilität ist Standortfaktor. Die Bundesregierung muss eine Investitionsoffensive starten – in Schulen, Krankenhäuser, Verkehr und Digitalisierung.” Sie betonte, dass soziale Sicherheit und wirtschaftliches Wachstum kein Widerspruch seien: “Eine gerechte Wirtschaft bedeutet, dass Menschen nicht bloß Zahlen sind. Dass die Wirtschaft nicht nur Gewinne erwirtschaftet, sondern Wohlstand für alle schafft”, so die DGB-Chefin.
Abschließend appellierte Fahimi an die Politik, die Transformation sozial gerecht zu gestalten: “Wir brauchen Investitionen, die Arbeitsplätze sichern und die öffentliche Infrastruktur stärken. Wir brauchen eine Steuerpolitik, die untere und mittlere Einkommen entlastet und Vermögende stärker in die Verantwortung nimmt. Und wir brauchen ein Ende der Tarifflucht – Subventionen müssen an Tarifbindung und Standorttreue gekoppelt werden.”
Fahimi rief dazu auf, angesichts der aktuellen Herausforderungen gemeinsam zu kämpfen: “Wir stehen für eine Zukunft, die allen Perspektiven bietet. Gemeinsam können wir für einen starken Sozialstaat, gesunde Arbeitszeit und gerechten Lohn sorgen. Gemeinsam können wir erreichen, dass niemand zurückgelassen wird! Deshalb: Mach dich stark mit uns!”
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack forderte in Bamberg “Priorität für Bildung”. Dies sei entscheidend für die Zukunft unserer Gesellschaft. “In keinem anderen Land hängen Bildungschancen so stark mit der sozialen Herkunft zusammen. Wenn mehr als 50.000 junge Menschen jedes Jahr ohne Abschluss von der Schule gehen, wenn jedes vierte Kind die Schule verlässt, ohne die Basiskompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen erlernt zu haben, wenn wir 2,9 Millionen junge Menschen ohne Berufsausbildung haben – dann ist das ein eindeutiges Warnsignal.” Viele Bildungsvorhaben der künftigen Bundesregierung stünden unter Finanzierungsvorbehalt, kritisierte Hannack. “Wir brauchen aber keine leeren Versprechen. Wir brauchen dringend mehr Investitionen in Bildung – für den Bau neuer Kitas und Schulen, aber vor allem auch für mehr qualifiziertes Kita- und Lehrpersonal.” Der flächendeckende Kita-Ausbau sei schon deshalb wichtig, damit mehr Frauen erwerbstätig sein können.
Die DGB-Vize warnte davor, unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus Personalkürzungen im öffentlichen Dienst vorzunehmen. “Wer einen effizienteren Staat mit schlankeren Genehmigungsverfahren will, braucht dafür auch künftig einen gut ausgestatteten Öffentlichen Dienst. Knapp 30 Prozent der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes werden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Bund, Länder und Kommunen müssen endlich massiv gegensteuern, damit der Staat auf allen Ebenen handlungsfähig bleibt. „Wir brauchen genügend Personal bei kommunalen Einrichtungen, beim Jobcenter, beim Bürgeramt, in den Gerichten. Eine gute öffentliche Infrastruktur ist unverzichtbar, damit die Bürgerinnen und Bürger vor Ort erleben, dass unser Gemeinwesen funktioniert.”
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte in Nürnberg: “Um die Wirtschaft zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu sichern, müssen die Strompreise schnellstens gesenkt werden. Die Zukunft ganzer Unternehmen und unzähliger Arbeitsplätze hängt davon ab. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Senkung der Stromsteuer sowie die Deckelung der Netzentgelte müssen oberste Priorität für die neue Bundesregierung haben.” Überdies gehöre die Energieversorgung in staatliche Hand. “Sie darf kein Spekulationsobjekt sein, mit dem man auf Kosten der Allgemeinheit horrende Renditen erzielen kann.”
Um die Binnennachfrage zu stärken, müssten “jetzt schnell Investitionen in Infrastruktur, wirtschaftliche Modernisierung und Daseinsvorsorge angeschoben werden. Das sichert nicht nur langfristig die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, sondern bekämpft auch kurzfristig die drohende Rezession.” Körzell forderte, dafür die Kommunen besser finanziell auszustatten. “Die Kommunen brauchen das Geld am dringendsten, um spürbare Verbesserungen für die Menschen vor Ort auf den Weg zu bringen. Eine funktionierende öffentliche Infrastruktur, gute Arbeit und bezahlbarer Wohnraum gehören unbedingt dazu.”
Um dies zu finanzieren, fordert der DGB eine grundlegende Reform der Schuldenbremse, wie die Koalitionäre sie bereits angekündigt haben, aber auch höhere Steuern für Reiche: “Der Reichtum unserer Gesellschaft muss besser verteilt werden. Dafür brauchen wir die Vermögensteuer, eine wirksame Erbschaftsteuer sowie höhere Steuersätze für Spitzenverdiener. Hierauf gibt der Koalitionsvertrag keine Antworten. Diese Lücke muss aber schnellstens geschlossen werden, um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken.”
Neben Maßnahmen für eine stärkere Tarifbindung brauche es nach wie vor einen armutsfesten gesetzlichen Mindestlohn. “Wir bleiben dabei: Ein armutsfester Mindestlohn muss bei 60 Prozent des Medianlohns liegen. Das sind aktuell circa 15 Euro.”
DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel mahnte anlässlich der Mai-Kundgebung in Braunschweig, die Sozialsysteme zukunftsfest zu machen. “Bei der Rente muss sich die neue Bundesregierung zur Decke strecken. Es reicht nicht, das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent zu stabilisieren – wir brauchen eine langfristige Perspektive.” Die Gewerkschafterin forderte, Selbstständige und Abgeordnete in den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung einzubeziehen und Frauen mehr Erwerbsarbeit zu ermöglichen: “Frauen landen viel zu oft in der Teilzeitfalle und später in Altersarmut. Arbeitgeber und Staat müssen endlich Verantwortung übernehmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf!” Für die Finanzierung der Rente brauche es außerdem mehr Tarifbindung und einen höheren Bundeszuschuss, der durch eine höhere Erbschaftsteuer und die Wiedereinführung der Vermögensteuer gedeckt werden soll.
Zum Vorhaben der Koalition, eine Wochen- statt Tageshöchstarbeitszeit einzuführen, sagte Piel: “Hände weg vom Arbeitszeitgesetz! Der 8-Stunden-Tag ist kein Relikt aus der Vergangenheit, sondern eine Schutzmauer gegen Überbelastung. Wer daran rüttelt, spielt mit der Gesundheit der Beschäftigten!“ Piel kritisierte Unternehmen, die nach mehr Flexibilität rufen, sich aber weigern, Tarifverträge abzuschließen: “Wer Flexibilität will, muss Tarifverträge liefern.”
Zur Debatte um Zuwanderung betonte Piel, dass ohne Migration Millionen Stellen unbesetzt blieben, besonders in systemrelevanten Bereichen. “Vielfalt ist unsere Zukunft. Ohne ausländische Fachkräfte drohen uns massive Versorgungsengpässe. 6,3 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ohne deutschen Pass sichern unseren Arbeitsmarkt.” Doch Piel warnte vor Missbrauch: “Arbeitsmigration darf nicht dazu dienen, schlechte Arbeitsbedingungen und Niedriglöhne zu zementieren. Wir kämpfen für gleiche Chancen und faire Bedingungen für alle.”
- Rede der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi zum 1.Mai 2025
Informationen zu den Maikundgebungen und Auftritten des DGB-Bundesvorstandes und der Gewerkschaftsvorsitzenden finden Sie hier.