Der Arbeitgeber muss bei einer Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung leisten, wenn der/die Arbeitnehmer*in den krankheitsbedingten Ausfall nicht selbst verschuldet hat. Geht man nach dem BAG, hat der/die Arbeitnehmer*in die Arbeitsunfähigkeit nur zu verschulden bei einem groben Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen. Das kann zum Beispiel bei besonders gefahrgeneigten Extremsportarten der Fall sein oder bei Schönheitsoperationen. Das LAG Schleswig-Holstein hat dies in einer Entscheidung für eine Arbeitsunfähigkeit wegen einer Entzündung der Haut nach einer Tätowierung angenommen. Die Arbeitnehmerin hätte mit der Tätowierung eine solche Entzündung billigend in Kauf genommen und sie damit vorsätzlich herbeigeführt (siehe einblick Nr. 9/25). Das LAG hat ein Risiko für eine solche Infektion von 1 bis 5 Prozent ausreichen lassen, um davon auszugehen,
dass man, wenn man sich tätowieren lässt, eine Infektion zumindest billigend in Kauf nimmt. Dass LAG setzt damit das Tätowieren mit Extremsportarten und Schönheitsoperationen gleich, was angesichts der Gefahrgeneigtheit und dem Verletzungsrisiko absurd erscheint.
DGB-Rechtsexperte Tim Hühnert ist kritisch: “Ob das BAG das ebenso sieht, ist jedenfalls fraglich. Wir werden es womöglich nie erfahren, denn das LAG hat die Revision zum BAG nicht zugelassen. Jedenfalls sollte man sich nicht dazu verleiten lassen zu glauben, das LAG hätte in seiner Entscheidung einen allgemeinen Rechtsgrundsatz aufgestellt, wonach Infektionen infolge Tätowierungen stets einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließen würden.” Das LAG habe hier einen Einzelfall mit fragwürdiger Begründung entschieden, der kaum verallgemeinert werden könne, so Hühnert.
LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 22.05.2025 – 5 Sa 284 a/24