Seit rund 70 Jahren ist das Gesetz zur Montanmitbestimmung in Kraft. 2021 erinnert der DGB an die Debatten und diesen ersten wichtigen Meilenstein in der Geschichte der jungen Bundesrepublik. Zur Geschichte der Montanmitbestimmung.
Mitbestimmung wird zur Chefsache. DGB–Vorsitzender Ludwig Rosenberg, DGB–Kundgebung zur Mitbestimmung in Köln. DGB Archiv
Die Montanmitbestimmung gilt seit 1951. Sie regelt in Unternehmen aus der Kohle und Stahlbranche, die Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen in den Aufsichtsräte. Besonders das ausgewogene Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sorgt für eine Parität zwischen beiden Gruppen. Man spricht auch von der Parität zwischen Kapital (Arbeitgeber) und Arbeit (Beschäftigte). Bei besonders strittigen Fragen oder Kampfabstimmungen im Aufsichtsrat entscheidet ein zusätzliches (neutrales) Aufsichtsratsmitglied. Dieses Mitglied wird sowohl von der Arbeitnehmer- als auch von der Arbeitgeberbank einvernehmlich bestellt. Bis heute gelten damit in der Montanmitbestimmung besonders demokratische Regeln. Grund dafür ist auch die historische Verstrickung der Industriezweige Kohl und Stahl in der Nazi-Diktatur. Sie galten als zentrale Säulen der Rüstungsindustrie.
Für die Sozialisierungsvorhaben der Gewerkschaften finden sich in der jungen Bundesrepublik keine parlamentarischen Mehrheiten. So ist schon damals die Mitbestimmung zentrales Thema der gewerkschaftlichen Reformdebatten. Vielen erscheint sie als geeignete Möglichkeit zur Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft – vielleicht sogar als besserer Weg im Vergleich zu Verstaatlichungen und Planwirtschaft.
Bereits im März 1947 hatte die britische Militärregierung in ihrer Besatzungszone die paritätische Mitbestimmung in der Eisen– und Stahlindustrie eingeführt. Die IG Metall hoffte, dieses Modell auch in der Bundesrepublik sichern zu können. Der DGB wollte es auf alle Großunternehmen übertragen.
Im November 1950 legte Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard einen Entwurf zum Betriebsverfassungsgesetz ohne paritätische Mitbestimmung vor – ein Rückschritt, der zu gewerkschaftlichen Protesten führte. IG Metall und IG Bergbau führten zur Jahreswende Urabstimmungen für einen Streik um die Sicherung und Ausweitung der paritätischen Mitbestimmung durch, die mit überwältigender Zustimmung endeten. Neuerliche Verhandlungen mit dem Bundeskanzler brachten einen Kompromiss, der die paritätische Mitbestimmung zumindest in der Montanindustrie verankerte.
Im Gegenzug verzichteten die Gewerkschaften auf die Ausdehnung auf andere Branchen. Das Gesetz wurde am 10. April 1951 vom Bundestag verabschiedet.
Der Aufsichtsrat montanmitbestimmter Unternehmen setzt sich seither je zur Hälfte aus Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer bzw. Gewerkschaften zusammen, die beiden Parteien einigen sich auf ein weiteres, neutrales Aufsichtsratsmitglied. Der Arbeitsdirektor wird einvernehmlich mit den Arbeitnehmervertretern des Aufsichtsrats bestellt.
Ein Selbstläufer ist die Montanmitbestimmung nicht. Es bedarf der Urabstimmungen, um das Gesetz zu verankern. Erst als sich 90 Prozent der Gewerkschafter in der Schwerindustrie für Streik aussprechen, lenkt die Regierung ein. Das Gesetz, das dann verabschiedet wird, ist ein Meilenstein in der Geschichte der Mitbestimmung – bis heute: Die Aufsichtsräte großer Montanunternehmen werden mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern paritätisch besetzt. Die Bestellung des Arbeitsdirektors ist nur mit Zustimmung der Arbeitnehmerseite möglich.
Nach diesem Erfolg setzen die Gewerkschaften darauf, ähnliche Regelungen für die Gesamtwirtschaft durchsetzen zu können. Doch allein die Tatsache, dass es sich bei der paritätischen Mitbestimmung um eine Sonderregelung für die Montanindustrie handelt, signalisiert, dass die Ausweitung dieser Form der Mitbestimmung kaum für alle Großunternehmen gelingen wird. Die Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952 bestätigt das: Es bleibt weit hinter dem Gesetz zu Montanmitbestimmung zurück. Betriebsräte haben nur eingeschränkte Mitwirkungsrechte in personellen und sozialen Angelegenheiten, im Aufsichtsrat von Großunternehmen sind nur ein Drittel der Sitze für Arbeitnehmervertreter reserviert.
Das entscheidende Merkmal der Montan-Mitbestimmung ist das die sogenannte Parität zwischen Arbeitgebervertretern und Arbeitnehmervertretern. Es wird also auf gleiche Augenhöhe verhandelt. So sitzen je nach größe des Unternehmens auf beiden Seiten jeweils gleich viele Vertreter am Verhandlungstisch – 11, 15 oder 21 VertreterInnen.
Juristisch formuliert bedeutet das: Das Montan-Mitbestimmungsgesetz ist ein Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der eisen- und stahlerzeugenden Industrie in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit eigener Rechtspersönlichkeit.
Montanindustrie leitet sich ab von mons – lateinisch für Berg. Im Kern geht es um den Bergbau und die Rohstoffverarbeitende Industrie also Eisen- und Stahl. Nach dem zweiten Weltkrieg war es den Gewerkschaften wichtig, in diesen Bereichen mitzubestimmen, da die Montanindustrie zentrale Säule der Kriegswirtschaft in der Nazi-Zeit waren. Die Arbeitgeber hatten gemeinsame Sache mit den Nazis gemacht und waren Teil der Kriegsindustrie.