Deutscher Gewerkschaftsbund

23.06.2022
Arbeitsmarkt: Zahl des Monats

300.000 Pflegekräfte würden durch Rückkehr in den Beruf oder Aufstockung der Arbeitszeit zusätzlich zur Verfügung stehen

Die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen dazu deutlich verbessert werden

Rund sechs Millionen Menschen werden 2030 pflegebedürftig sein. Der Fachkräftemangel in der Pflege verschärft sich. Das muss nicht sein: Wenn sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich verbessern, würden 300.000 Pflegekräfte mehr in ihren Beruf zurückkehren oder ihre Arbeitszeit aufstocken.

Grafik mit Zahl: 300.000 Pflegekräfte würden in den Beruf zurückkehren oder aufstocken, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbessern.

DGB via Canva

Der Fachkräftemangel in der Pflege droht sich weiter zu verschärfen: Die Zahl der Pflegebedürftigen wird bis 2030 auf rund sechs Millionen Menschen steigen. Zugleich werden bis dahin hunderttausende Pflegekräfte fehlen. Dabei stünden mindestens 300.000 Vollzeit-Pflegekräfte in Deutschland durch Rückkehr in den Beruf oder Aufstockung der Arbeitszeit zusätzlich zur Verfügung – wenn sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich verbessern würden. Das zeigt die aktuelle, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie „Ich pflege wieder, wenn…“.

Eklatante Schieflage für die Pflege am Arbeitsmarkt: mehr Arbeit, mehr Pflegebedürftige, weniger Personal  

Bereits vor Beginn der Covid-19-Pandemie stand das Pflegesystem in Deutschland an der Belastungsgrenze. Über vier Millionen Menschen sind derzeit bundesweit pflegebedürftig – Tendenz steigend. Nach einer aktuellen Prognose für den Barmer-Pflegereport erhöht sich die Zahl der Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2030 auf rund sechs Millionen Menschen. Dabei ist schon heute die Arbeitsbelastung sowohl in der Langzeitpflege – vor allem älterer Menschen – als auch in der Krankenpflege hoch. Entsprechend viele Pflegekräfte erwägen, aus dem Beruf auszusteigen oder haben dies bereits getan. Bereits innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Ausbildung verlassen knapp 25 Prozent der Pflegekräfte ihren Beruf. Ursachen sind vor allem ein zu hoher Zeitdruck, zu wenig Personal und eine schlechte Arbeitsorganisation, aber auch, dass Pflegekräfte infolge dieser Bedingungen in der täglichen Arbeit hinter ihren fachlichen Ansprüchen zurückbleiben müssen. Die hohen Arbeitsbelastungen sind auch ein Grund dafür, dass fast zwei Drittel der Pflegekräfte in der Langzeitpflege in Teilzeit arbeiten, ebenso wie knapp die Hälfte der Pflegekräfte in Krankenhäusern.

Fachkräftemangel: Bis 2030 fehlen hunderttausende Pflegekräfte

Der eklatante Fachkräftemangel in der Pflege wird sich der Studie „Ich pflege wieder, wenn…“ zufolge weiter verschärfen – allein im Laufe der nächsten zehn bis zwölf Jahre werden rund 500.000 Pflegekräfte das Rentenalter erreichen. Um das zu kompensieren, müssten Jahr für Jahr ca. 12.500 ausgebildete Kräfte dazukommen – deutlich mehr als die 10.750 im Schnitt der Jahre 2015 bis 2019. Allerdings erweist sich die Fachkräftegewinnung schon heute als äußerst schwierig und langwierig: Es dauert aktuell 230 Tage, bis die Stelle einer Krankenpflegefachkraft besetzt werden kann, 210 Tage bei einer Altenpflegefachkraft – obwohl in den vergangenen Jahren die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Pflege überdurchschnittlich gestiegen ist. Insgesamt sind in der stationären Altenpflege laut Professor Heinz Rothgang, einem der Autoren des BARMER-Reports, schon heute rund 115.000 zusätzliche Stellen nötig, um bedarfsgerecht zu pflegen. Infolge der Zunahme von Pflegebedürftigkeit und zunehmender pflegefachlicher Anforderungen wird der Bedarf weiter steigen. Allein für die Langzeit-/Altenpflege wird prognostiziert, dass bis zum Jahr 2030 mehr als 180.000 Pflegekräfte zusätzlich benötigt werden. Für den Krankenhaussektor wird der Mehrbedarf bereits jetzt auf 100.000 Fachkräfte geschätzt.

Der DGB fordert: Endlich bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege!

Seit Jahren kritisieren der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften die zu geringe Personalausstattung in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, die teils untertarifliche Entlohnung und die extrem belastenden Arbeitsbedingungen der Pflegebeschäftigten. Beschäftigte in Pflege brauchen endlich bessere Arbeitsbedingungen. Die bereits erwähnte Studie zeigt, wie das gelingen kann.

Rund 12.000 bereits ausgebildete, aber „ausgestiegene“ Pflegekräfte wurden dazu befragt, ob und unter welchen Bedingungen sie in ihren Beruf zurückkehren beziehungsweise Teilzeit-Pflegekräfte ihre Arbeitszeit erhöhen würden. Das erstaunliche Ergebnis: Die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten und sogar 60 Prozent der Ausgestiegenen können sich eine Rückkehr in den Beruf bzw. ein Aufstocken der Stunden vorstellen. Als stärkste Motivation nennen die Befragten eine Personaldecke, die sich tatsächlich am Bedarf der pflegebedürftigen Menschen ausrichtet. Außerdem wünschen sich Pflegekräfte eine bessere Bezahlung und verlässliche Arbeitszeiten. Sie möchten mehr Zeit für menschliche Zuwendung, erwarten verbindliche Dienstpläne und wollen nicht unterbesetzt arbeiten müssen. Ebenso wünschen sie sich respektvolle Vorgesetzte, einen kollegialen Umgang mit allen Berufsgruppen, mehr Augenhöhe gegenüber den Ärztinnen und Ärzten, das Vorhandensein einer betrieblichen Interessenvertretung, eine vereinfachte Dokumentation und eine bessere Vergütung von Fort- und Weiterbildungen.

Mehr Informationen: 

Langversion der Studie "Ich pflege wieder, wenn..."

Working-Paper der Böckler-Stiftung: Von der Unterbesetzung in der Krankenhauspflege zur bedarfsgerechten Personalausstattung

Barmer-Pflegereport 2021

Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich


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