Jahrelang spielte der Finanzdienstleister Wirecard ganz vorne in der internationalen Finanzbranche mit. Dann folgte der Absturz. Wie heute bekannt ist wurden viele Investoren und Anleger betrogen und tausende Beschäftigte haben ihren Job verloren. Damit so etwas nicht wieder passiert, fordert der DGB-klartext härtere Gesetze und stärkere Kontrollen.
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Der Zahlungsdienstleister Wirecard ist in aller Munde. Jahrelang galt das Unternehmen als der deutsche Börsen-Star. Im Konzert der internationalen Finanzbranche spielte Wirecard in der ersten Reihe. Geld verdiente das Unternehmen vor allem mit dem Abwickeln von Online-Bezahlvorgängen und dem Herausgeben von Kredit- und Girokarten. Wohl ein lukratives Geschäft. Das Wachstum war rasant. Innerhalb weniger Jahre wuchs die Bilanz um ein Vielfaches (s. Abbildung). Doch nun ist der Höhenflug jäh beendet – die Insolvenz ist bereits angemeldet.
Wie man heute weiß, wurde die Bilanz künstlich aufgebläht. Schlappe 1,9 Milliarden Euro, oder ein Viertel der Bilanz, waren demnach Luftbuchungen. Die vermeintlichen Drahtzieher zogen in diesem filmreifen Wirtschaftskrimi alle Register. Laut Zeitungsberichten wurden etwa fiktive Bankangestellte samt dazugehöriger Bürokulisse in Übersee installiert, um den Eindruck zu vermitteln, dass alles mit rechten Dingen zugeht.
Der ganze Schaden ist bisher nicht abzuschätzen. Insgesamt 3,2 Milliarden Euro hat sich Wirecard bei Banken und Investoren geliehen. Geld, was zum Großteil verloren ist. Tausende Beschäftigte haben ihren Job verloren oder stehen kurz vor der Entlassung. Auch Kleinanleger wurden um ihre Ersparnisse geprellt. Hinzu kommt ein Imageschaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Dabei gab es offenbar bereits vor Jahren Hinweise auf Ungereimtheiten. Doch weder die Wirtschaftsprüfergesellschaft noch Aufsicht oder Politik nahmen dies zum Anlass, genauer hinzuschauen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin), die höchste Finanzaufsichtsbehörde hierzulande, ignorierte das Problem offenbar jahrelang trotz Warnungen. Ein Untersuchungsausschuss soll nun weitere offene Fragen klären.
Quelle: Geschäftsberichte Wirecard.
Neben delikaten Details – BaFin-Mitarbeiter spekulierten wohl mit Wirecard-Aktien – treten nun auch strukturelle Probleme zutage: Nur ein Teil des Unternehmens, die Wirecard Bank, unterlag der direkten Aufsicht der BaFin. Der Rest der Holding fiel unter die Wertpapieraufsicht und damit unter andere Regeln. Hier bedarf es einer grundlegenden Reform der Finanzaufsicht. Zudem muss die Behörde personell besser ausgestattet werden, denn lediglich zwei Mitarbeiter waren in der Vergangenheit für alle Zahlungsdienstleister mit deren Aufsicht betraut.
Der Wirtschaftsprüferkonzern Ernst & Young testierte jahrelang das Unternehmen und winkte die Abschlüsse durch. Der Betrug blieb unerwähnt. Das gibt Anlass, einen grundsätzlichen Interessenskonflikt im Prüfer-Geschäft in den Blick zu nehmen: Zum einen prüfen die Gesellschaften die Unternehmen, zum anderen beraten sie sie auch für gutes Geld. Zukünftig brauchen Wirtschaftsprüfer klare Gesetze und stärkere Kontrollen, um ein Versagen wie im Fall Wirecard zu vermeiden.
Ebenso hinkt die Regulierung für Zahlungsdienstleister den Entwicklungen hinterher. Sie ist in jetziger Ausgestaltung von Ausnahmen durchlöchert und bleibt somit ein stumpfes Schwert. Bisher haben Politiker keinen Handlungsbedarf gesehen, die Regeln nachzuschärfen. Spätestens jetzt ist er offensichtlich geworden.