Im Bundestag wurde am Donnerstag beschlossen, dass Gewerkschaftsbeiträge ab 2026 zusätzlich zum “Arbeitnehmerpauschbetrag” bei der Ermittlung der Einkommensteuer abgesetzt werden können. Der Bundesrat muss allerdings noch zustimmen. Bei allen Gewerkschafter*innen, deren berufsbezogene Kosten (sog. Werbungskosten) die Höhe des Arbeitnehmerpauschbetrags von 1.230 Euro nicht überschreiten, hatte der Beitrag bei der Steuererklärung bislang keinen zusätzlichen Einspar-Effekt. Künftig lohnt sich die Geltendmachung des Gewerkschaftsbeitrags gegenüber dem Fiskus in jedem Fall. Je nach persönlichem Steuersatz werden so in der Mehrzahl der Fälle zwischen 25 Prozent und 35 Prozent des Jahresbeitrags vom Fiskus zurückerstattet.
Die neue Absetzbarkeit der Gewerkschaftsbeiträge schafft eine angemessene Anerkennung für Gewerkschaftsmitglieder. Schließlich ermöglichen diese durch ihr Engagement die Aushandlung von Tarifverträgen und damit die Verwirklichung der in Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerten Tarifautonomie. Der Gewerkschaftsbeitrag stellt besondere Werbungskosten dar, welche Menschen ohne Gewerkschaftsmitgliedschaft nicht haben. Nicht-Mitgliedern steht aber der gleiche Arbeitnehmerpauschbetrag zu. Es ist also gerecht, dass Gewerkschaftsbeiträge zusätzlich absetzbar werden und nicht mehr im Pauschbetrag untergehen.
Insgesamt werden Gewerkschaftsmitglieder nach Schätzung der Bundesregierung durch die Regelung künftig jedes Jahr gut 160 Millionen Euro an Steuern sparen. Das ist ein Erfolg für uns und unsere Mitgliedsgewerkschaften, die sich seit langem für diese Anerkennung stark machen. Die verbesserte Absetzbarkeit kann ein zusätzlicher Anreiz sein, einer Gewerkschaft beizutreten und gemeinsam für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Denn nur wenn sich viele Beschäftigte in Gewerkschaften solidarisch zusammentun, können den Arbeitgebern auch gute Bedingungen abgerungen und die Einkommen insgesamt gerechter verteilt werden.
Was es bringt, sich mit der Gewerkschaft für starke Tarifverträge einzusetzen, konnten vor kurzem auch wieder viele Beschäftigte auf ihrem Lohnzettel sehen. Denn mit Tarifvertrag verdoppelt sich fast die Chance, Weihnachtsgeld zu erhalten. In Betrieben mit Tarifvertrag erhalten 77 Prozent der Beschäftigten diese Sonderzahlung, in Betrieben ohne Tarif sind es nur 41 Prozent. Hinzu kommt: Beschäftigte mit Tarifvertrag verdienen mehr, haben kürzere Arbeitszeiten, mehr Urlaubstage und andere Extras.
Immer mehr Beschäftigte erkennen diese Vorteile, wie eine aktuelle Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt: Demnach ist die Tarifbindung eines Betriebs für 71 Prozent der Beschäftigten ein wichtiges oder eher wichtiges Merkmal, das ihr jetziger oder ein künftiger Arbeitsplatz erfüllen sollte. Trotz dieser Attraktivität unter potentiellen Bewerber*innen werben nicht alle tarifgebundenen Unternehmen mit ihrem Tarifvertrag. Nur in jeder 5. Stellenanzeige wird die Tarifbindung des Betriebs erwähnt.
Tarifgebundene Unternehmen können diesen Vorteil stärker ins Schaufenster stellen. Insbesondere sollten aber die rund 76 Prozent der Betriebe, die keinen Tarifvertrag haben, umdenken und erkennen, welche Vorteile tarifvertraglich abgesicherte und verlässliche Regeln auch für sie bringen. Die Gewerkschaften streiten dafür, mehr Tarifverträge abzuschließen. Es ist gut, dass die Bundesregierung dieses Engagement jetzt mit der Absetzbarkeit des Gewerkschaftsbeitrags stärkt. Doch um die Tarifabdeckung wirksam zu erhöhen – mittelfristig auf die von der EU empfohlenen 80 Prozent der Beschäftigten – muss die Regierung mehr tun. Das Bundestariftreuegesetz muss jetzt beschlossen, ein digitales Betriebs-Zugangsrecht für Gewerkschaften geschaffen und eine umfassende Tarifwende gestartet werden.