Mit dem neuen Berufsbildungsgesetz (BBiG) hat der Bundestag ein wichtiges Gesetz beschlossen, mit dem die berufliche Bildung und Ausbildung in Deutschland gestärkt wird. Es hat viele Pluspunkte, dennoch sieht der DGB in einzelnen Punkten weiter Handlungsbedarf. Eine Übersicht.
Mindestausbildungsvergütung ("Azubi-Mindestlohn")
Anpassung der Mindestausbildungsvergütung ab 2024
Freistellung von Azubis vor und nach der Berufsschule
Lernmittelfreiheit in der Ausbildung
Prüfungen in der Ausbildung: Ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer
Bezeichnungen für die Mindestausbildungsvergütung
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Ein absolutes Novum ist die Mindestausbildungsvergütung (oft auch "Mindestlohn für Azubis" genannt). Wer profitiert und wie funktioniert sie?
Künftig darf in den 326 Ausbildungsberufen der dualen Ausbildung grundsätzlich keine Vergütung unterhalb der Mindestgrenze gezahlt werden. Rund 115.000 Azubis bekommen laut Bundesagentur für Arbeit zurzeit weniger als 500 Euro brutto im Monat. Das sind rund 7 Prozent der Azubis. Die Mindestvergütung ist ab 2020 verpflichtend. Sie wird bis 2023 in mehreren Stufe eingeführt (siehe Tabelle).
1. Ausbildungsjahr | 2. Jahr (+18% im Vergleich zum 1. Jahr) | 3. Jahr (+35% im Vergleich zum 1. Jahr) | 4. Jahr (+40% im Vergleich zum 1. Jahr) | |
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im Jahr 2020 | 515 Euro | 608 Euro | 695 Euro | 721 Euro |
im Jahr 2021 | 550 Euro | 649 Euro | 743 Euro | 770 Euro |
im Jahr 2022 | 585 Euro | 690 Euro | 790 Euro | 819 Euro |
im Jahr 2023 | 620 Euro | 732 Euro | 837 Euro | 868 Euro |
Ab 2020 wird die Mindestausbildungsvergütung ("Azubi-Mindestlohn") stufenweise eingeführt. Im Jahr 2020 startet sie mit 515 Euro im 1. Ausbildungsjahr bis zu 721 Euro im 4. Ausbildungsjahr. Die Mindestausbildungsvergütung steigt danach für alle Ausbildungsjahre stufenweise bis 2023 an. Ab 2024 wird sie nach dem Durchschnitt aller Ausbildungsvergütungen automatisch erhöht. DGB
Tarifverträge werden zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelt. Sie sind Maßstab und Garant für eine ordentliche Ausbildungsvergütung - und bieten daneben noch viele weitere Vorteile für Auszubildende und Beschäftigte. Nahezu alle Tarifverträge, in denen Ausbildungsvergütungen geregelt sind, liegen schon heute deutlich oberhalb der Mindestausbildungsvergütung. Das ist auch gut so. Die Mindestvergütung hilft vor allem dort, wo es bisher keine Tarifverträge gab.
Auch wenn die Mindestausbildungsvergütung manchmal auch "Mindestlohn für Azubis" genannt wird: Den gesetzlichen Mindestlohn (2019: 9,19 Euro; 2020: 9,35 Euro) erhalten Azubis nicht. Mehr dazu auch unter "Bezeichnungen für die Mindestausbildungsvergütung". Azubis erhalten seit 2020 eine Mindestausbildungsvergütung - der gesetzliche Mindestlohn für Beschäftigte ist etwas anderes.
Jugendliche in außerbetrieblicher Ausbildung zählen ebenfalls zu den Gewinnern der BBiG-Reform. Auch sie bekommen seit 2020 die Mindestvergütung. Diese Jugendlichen hatten bisher nur 391 Euro im Monat erhalten.
Auch Menschen mit einer Behinderung, die zum Beispiel eine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk machen, profitieren. Ihr Ausbildungsgeld wir auch auf das Niveau der Mindestvergütung angehoben.
Bei der Ausbildung zum Erzieher bzw. zur Erzieherin sieht es anders aus – sie fallen nicht unter das Berufsbildungsgesetz. Ändern könnten das die Bundesländer, die bei diesen Ausbildungsformen zuständig sind. Der DGB und die Gewerkschaften wollen aber, dass die Mindestvergütung auch in diesen Berufen die Untergrenze ist. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.
Müssen denn Azubis ab 2024 mit jahrelangen Nullrunden bei der Vergütung rechnen, ähnlich wie es Studierenden beim BAföG ergeht?
Nein, die Mindestvergütung wird nach der Einstiegsphase ab 2024 immer mit nach dem Durchschnitt aller Ausbildungsvergütungen automatisch erhöht. Die Datenbasis dafür erhebt das Statistische Bundesamt. Nullrunden sind damit nicht möglich. Das ist auch ein Vorteil gegenüber dem Studierenden-BAföG, für das Gewerkschaften und Studentenwerke seit fast 50 Jahren eine automatische Anpassung fordern.
Künftig nicht mehr, denn die Freistellung für die Berufsschule ist jetzt klar im Berufsbildungsgesetz geregelt. Hat der Berufsschultag mehr als fünf Schulstunden, müssen die Azubis vorher oder nachher nicht mehr in den Betrieb. Sie haben jetzt Zeit für die Vor- oder Nachbereitung des Unterrichts. bisher galt diese Regelung nur für minderjährige Azubis, jetzt für alle.
Ja, das Durchschnittsalter eines Jugendlichen zu Beginn der Ausbildung liegt bei 20 Jahren. Deshalb wird der Großteil dieser Jugendlichen von der Freistellung profitieren.
Ja, auch das ist neu. Für einen Lerntag vor den Prüfungen werden die Azubis jetzt bezahlt freigestellt.
Auch das ist ein Pluspunkt für die Azubis. Im neuen Berufsbildungsgesetz wird ausdrücklich klargestellt, dass Fachliteratur unter die Lernmittelfreiheit fällt und von den Auszubildenden nicht bezahlt werden muss.
Die Ehrenamtlichen sind das Rückgrat der beruflichen Bildung. Das Prinzip „Praxis prüft Praxis“ zählt zu den Qualitätsmerkmalen der dualen Ausbildung. Wir stehen bei den Prüferinnen und Prüfern in den kommenden Jahren vor einem echten Generationenwechsel. Doch schon heute fällt es schwer, Männer und Frauen noch für dieses Ehrenamt zu gewinnen. Aufgrund der hohen Arbeitsverdichtung werden viele Prüfer/-innen nicht mehr freigestellt. Sie nehmen oft Urlaub für die Prüfungen oder sie prüfen am Wochenende. So wird das Ehrenamt unattraktiv. Es ist daher gut, dass im Gesetz jetzt auch die Freistellung dieser Prüferinnen und Prüfer geregelt ist. Wir wollten aber die bezahlte Freistellung, damit es auch keinen Verdienstausfall gibt. Darauf konnten sich die Koalitionäre nicht einigen. Der DGB und die Gewerkschaften werden hier am Ball bleiben.
Zunächst leider nichts. Der DGB und die Gewerkschaften wollten, dass auch für die dual Studierenden die Schutzrechte und Qualitätsstandards des Berufsbildungsgesetzes gelten. Das wäre über Nacht möglich, wenn die betrieblichen Phasen des Dualen Studiums in das BBiG aufgenommen würden. Dabei wäre auch die Hochschulautonomie und die Freiheit der Lehre nicht angetastet. Für Studierende und Betriebe gäbe es damit transparente, einheitliche Spielregeln – und zwar die gleichen, wie für die betrieblichen Auszubildenden auch. Doch die Bundesregierung konnte sich hier nicht einigen. Jetzt soll ein gemeinsamer Prozess von Bund, Ländern und Sozialpartnern starten, um diese Frage zu klären. Auch hier werden der DGB und die Gewerkschaften hartnäckig bleiben.
Nur weil ein Bäckermeister sich künftig auch „Bachelor Professional“ nennen darf, wird die Fortbildung nicht attraktiver. Es reicht nicht, den Abschlüssen neue Etiketten aufzukleben. Um die Qualität der beruflichen Aufstiegsfortbildung zu verbessern, sind verbindliche Inhaltspläne für die Lernprozesse wichtig. Dafür werden wir uns weiter einsetzen.
DGB/Simone M. Neumann
Weitere Hintergrundinfos
Eigentlich ist diese Bezeichnung für die Mindestausbildungsvergütung nicht korrekt. Denn Auszubildende erhalten keinen "Lohn", da sie keine regulären Beschäftigten sind, sondern sich noch in der Ausbildung befinden. Entsprechend können sie auch keinen Mindestlohn erhalten. Die korrekte Bezeichnung für das Einkommen von Auszubildenden lautet "Ausbildungsvergütung". Dementsprechend heißt der Mindestbetrag für die Ausbildungsvergütung "Mindestausbildungsvergütung".
MiAV ist eine der gängigen Abkürzungen für die Mindestausbildungsvergütung.