Die geplante EU-Dienstleistungskarte sei ein Angriff auf Regeln zum Schutz von Beschäftigten, sagt DGB-Vorstand Stefan Körzell. Mindestlöhne, Arbeitsschutz und andere Arbeitsstandards der Mitgliedsstaaten könnten mit ihr ausgehebelt werden.
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Eigentlich soll die EU-Dienstleistungskarte für bessere Arbeitnehmer-Freizügigkeit sorgen und es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus einem EU-Land vereinfachen, in anderen EU-Staaten zu arbeiten. Doch so, wie die EU-Kommission die Dienstleistungskarte umsetzen will, befürchtet der DGB erhebliche negative Effekte: "Die Dienstleistungskarte öffnet Betrug Tür und Tor. Einem europäischen Dumping-Wettbewerb zu Lasten der Beschäftigten in der Bauindustrie und anderen Dienstleistungsbereichen wird weiter Vorschub geleistet", kritisiert DGB-Vorstand Stefan Körzell.
Der Hintergrund: Eigentlich soll in der EU bei Arbeitnehmern, die grenzüberschreitend tätig sind, das so genannte Ziellandprinzip gelten. Heißt: Wer in Deutschland arbeitet, für den gelten die deutschen Arbeitsstandards – zum Beispiel der deutsche Mindestlohn. Beim Streit um die EU-Dienstleistungsrichtlinie vor rund zehn Jahren konnten die Gewerkschaften dieses Ziellandprinzip durchsetzen und verhindern, dass das "Herkunftslandprinzip" eingeführt wurde. Das hätte bedeutet, dass heute etwa für Arbeitnehmer aus der Slowakei, Portugal oder Bulgarien, die in Deutschland arbeiten, slowakische, portugiesische, beziehungsweise bulgarische Standards (wie etwa die dortigen Mindestlöhne) gegolten hätten.
Der DGB befürchtet jetzt, dass mit der Dienstleistungskarte de facto das Herkunftslandprinzip durch die Hintertür eingeführt werden soll. Denn: Die Dienstleistungskarte wird im Heimatstaat des Unternehmens ausgestellt, bei dem ein Arbeitnehmer beschäftigt ist. Sie soll bescheinigen, dass das Unternehmen die notwendigen Voraussetzungen erfüllt, in einem anderen Land tätig zu werden und die dortigen Arbeitsstandards einhält. Kontrollieren und bestätigen sollen das Behörden im Herkunftsland. Doch woher soll beispielsweise eine bulgarische Behörde wissen, ob ein bulgarisches Unternehmen für seine bulgarischen Beschäftigten in Deutschland den geltenden Arbeits- und Gesundheitsschutz einhält? Oder die korrekten Mindestlöhne zahlt?
Eine solche Prüfung und Kontrolle der deutschen Standards sei für ausländische Behörden "kaum möglich", meint DGB-Vorstand Körzell. Schlimmer noch: Der "ausländische Dienstleistungserbringer", also das ausländische Unternehmen, werde so "von der Verpflichtung befreit, dem Zielland nachzuweisen, dass er die dortigen Regeln einhält. Die Behörde im Zielland muss stattdessen verstärkt und unter engem Zeitdruck nachweisen, dass der Antragsteller die Regeln nicht einhält."
"Mit dieser überflüssigen und schädlichen Initiative leistet die Kommission auch dem europäischen Zusammenhalt einen Bärendienst", so Körzell weiter. "Ihre Auswirkungen werden anti-europäische Stimmungen weiter nähren und noch mehr Menschen in die Arme von Nationalisten und Populisten treiben."
Vorläufige Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu den Vorschlägen der EU-Kommission für eine Richtlinie und eine Verordnung zur Einführung einer Elektronischen Europäischen Dienstleistungskarte; COM(2016) 824 final / COM(2016) 823 final