Niedrigere Steuern und damit „mehr Netto vom Brutto“ - so soll nach dem Willen der FDP die Binnennachfrage gesteigert werden. Doch bisher konnte keine einzige Steuersenkung den privaten Konsum stärken, es profitierten vor allem hohe Einkommen. Statt weniger Steuern brauchen wir weniger Privilegien. Starke Schulten müssen mehr schultern, fordert der klartext.
Die Regierungsparteien stehen seit den Steuergeschenken für Hoteliers und der Laufzeitverlängerung für Atommeiler in der Missgunst des Wahlvolkes. Die Liberalen knabbern sogar an der Fünfprozenthürde.
Nun versprechen die „Bürger-Entlastungs-Parteien“ wieder einmal, Steuern und Sozialabgaben zu senken. Die FDP behauptet, mit Steuersenkungen die Bürger am Aufschwung zu beteiligen und mit mehr Netto vom Brutto die Binnennachfrage zu stärken. Die Union entdeckt mit der Senkung der Sozialabgaben ihr Herz für den „kleinen Mann“, der kaum Steuern aber viel Sozialabgaben zahle.
Solche Heilsversprechen kennt Deutschland seit über 30 Jahren. Sie wurden immer unterschiedlich begründet: Während der rot-grünen Zeit, um den heimischen Wirtschaftsstandort für den internationalen Wettbewerb fit zu machen. Und seit 2005 kommen Merkel und Westerwelle mit einem Zusatz-Argument: Mehr Netto vom Brutto. Ganz neu ist allerdings, dass die FDP in der Steuersenkung sogar eine Stärkung der Binnennachfrage entdeckt hat.
Zu den Fakten: Verantwortlich für die schwache Binnennachfrage sind niedrige Löhne, nicht zu hohe Steuern. Rund die Hälfte der privaten Haushalte zahlt keine Einkommensteuer, weil sie zu wenig verdienen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse und der politisch geförderte Niedriglohnsektor sind für diesen Missstand am Arbeitsmarkt verantwortlich. Ihnen helfen nur kräftige Lohnerhöhungen und Mindestlöhne. Erst dann klappt es auch mit mehr Binnennachfrage. Denn von der Steuersenkung profitieren nur Steuerpflichtige. Und mit steigendem Einkommen steigt auch die steuerliche Entlastung. Das nennt man Klientelpolitik. Zudem führte in der Vergangenheit nachweislich keine einzige Steuersenkung zu mehr Konsum (siehe Abbildung). Vor allem, wenn gleichzeitig immer mehr Arbeitnehmer/-innen unter chronischer Lohnarmut leiden.
Grafik: DGB/Daten: Destatis, BMF
Auch die Senkung der Sozialabgaben führte bei sehr niedrigen Bruttolöhnen nicht zu einer spürbaren Steigerung von Netto-Einkommen. Stattdessen hinterließ sie jedes Mal klamme öffentliche Kassen und unterfinanzierte Sozialsicherungssysteme. Die Folgen sind bekannt: kaputte Straßen, marode Schulen, soziale Schieflage, wachsende öffentliche Armut, Rentenkürzungen und eine Zwei-Klassen-Medizin.
Statt Steuersenkungen braucht unser Land endlich Steuergerechtigkeit: Vermögen, Erbschaften, sehr hohe Einkommen, Kapitaleinkünfte und Unternehmensgewinne wurden in früheren Steuerreformen zulasten der Arbeitnehmer/-innen und des Staates privilegiert. Das muss sich ändern: Denn starke Schultern sollen und können mehr zum Gemeinwohl beitragen. Von solchen Überlegungen sind die Regierungsparteien Lichtjahre entfernt.