An der hohen Inflationsrate ist nicht die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank schuld. Dafür verantwortlich sind eher Sondereffekte, wie die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Energiepreis-Schock. Das führt zu einer starken finanziellen Belastung von Gering- und Normalverdienenden. Es braucht deshalb kurzfristige und direkt wirkende politische Maßnahmen, um den Preisanstieg zu bremsen.
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Seit langem kritisieren konservative Wirtschaftspolitiker*innen und Ökonom*innen die Europäische Zentralbank (EZB). Deren expansive Geldpolitik mit Anleihen-Ankaufprogramm und niedrigem Leitzins führe zwangsläufig zu hoher Inflation, heißt es Jahr für Jahr. Jetzt ist die Inflation tatsächlich da – mit 4,9 Prozent im Januar im Vergleich zum Vorjahr – und die EZB-Kritiker fühlen sich bestätigt. Doch sie lagen nicht nur all die letzten Jahre daneben, in denen die Preise nur wenig stiegen. Auch jetzt noch ziehen sie die falschen Schlüsse, wenn sie der Geldpolitik die Schuld am Preisanstieg geben.
Denn verantwortlich für die derzeit hohe Inflation sind Sondereffekte: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und insbesondere der Energiepreis-Schock, der durch verschiedenste Entwicklungen entstanden ist und kaum vorhersehbar war. Die Energiepreise tragen nach neusten Untersuchungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) mit zwei Prozentpunkten zur aktuellen Preissteigerungsrate bei.
Eine Zinserhöhung der EZB wäre deshalb die falsche Strategie, um der aktuellen Inflation Herr zu werden. Es ist zwar davon auszugehen, dass die EZB die Zinsen früher oder später erhöht, weil die wirtschaftliche Erholung im Euroraum nach der Coronapandemie voranschreitet. Tut sie das allerdings aus den falschen Gründen zu früh, bereitet sie der Erholung ein Ende.
Grundsätzlich braucht es aber politische Reaktionen, wie ein weiteres Ergebnis der genannten IMK-Inflationsstudie zeigt: Die Tatsache, dass insbesondere Energiepreise steigen, führt nämlich zu einer oft untragbaren Belastung von Gering- und Normalverdienenden. Da diese Gruppen einen großen Teil ihres Einkommens für Energie ausgeben müssen, treibt der Energiepreisanstieg die „persönlichen“ Inflationsraten dieser Haushalte besonders stark an – bei einem Single mit einem Einkommen von weniger als 900 Euro um 1,6 Prozentpunkte, während der Beitrag zur durchschnittlichen gesamtwirtschaftlichen Inflationsrate nur 1,2 Prozentpunkte beträgt (siehe Grafik).
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Deshalb braucht es kurzfristige und direkt wirkende politische Maßnahmen, um den Preisanstieg zu bremsen. Einige Vorschläge – wie einen erweiterten Heizkostenzuschuss, die Einführung eines Mobilitätsgeldes, das unabhängig vom Einkommen und Verkehrsträger geleistet wird und eine vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage – hat der DGB schon in seinem 8-Punkte-Papier gemacht. Auch eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung auf Energie oder die Deckelung von Gaspreisen, wie sie aktuell diskutiert werden, können eventuell sinnvolle Schritte sein.
Klar ist zudem, dass höhere Preise sich auch in der Höhe von Sozialtransfers und Löhnen niederschlagen müssen. So sind die aktuellen Inflationsraten ein weiterer guter Grund für eine schnelle Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Auch ist es mehr als verständlich, wenn Gewerkschaften in Tarifverhandlungen darauf hinweisen, dass Reallohnverluste – also Lohnsteigerungen unterhalb der Inflationsrate – mittelfristig nicht hinzunehmen sind. Angesichts von im Durchschnitt satten Gewinnen, können Unternehmen durchaus deutlich höhere Löhne finanzieren, ohne etwa erneut die Preise erhöhen zu müssen.
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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