Der DGB und seine Gewerkschaften kämpfen schon lange dafür, dass nur tarifgebundene Unternehmen öffentliche Aufträge erhalten dürfen. Mit einem Bundestariftreuegesetz will die Bundesregierung dieser Forderung nun nachkommen. Neben einem breiten Anwendungsbereich braucht das Gesetz vor allem effektive Kontrollen und Sanktionen, um Schlupflöcher im Vorfeld zu vermeiden.
DGB/Ivan Smuk/123rf.com
Das Prinzip ist einfach: Ein Unternehmen darf einen öffentlichen Auftrag – und damit Steuergelder – nur dann erhalten, wenn es tarifgebunden ist oder den maßgeblichen Tarifvertrag anwendet. Die Gewerkschaften kämpfen schon seit Langem für die Tariftreue bei der Auftragsvergabe. Geht der Staat mit gutem Beispiel voran und achtet beim Einkauf auf die Arbeitsbedingungen bei den beauftragten Unternehmen, statt nur das billigste Angebot zu wählen, stärkt dies mittelbar auch unser Tarifsystem. Tarifgebundene Unternehmen werden vor Wettbewerbsverzerrungen durch Lohndumping geschützt und vorhandene Tarifstandards gesichert.
Nur noch 52 Prozent der Beschäftigten arbeiten unter dem Schutz eines Tarifvertrags. Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung sind also dringend geboten – und der Staat kann etwas dafür tun.
Laut Schätzungen von OECD und dem Wirtschaftsministerium (BMWK) vergibt der deutsche Staat öffentliche Aufträge im Volumen von 300 bis 500 Milliarden Euro – pro Jahr! Die wirtschaftliche Gestaltungskraft des Staates ist also groß. Nun plant die Bundesregierung, die Tariftreue bei der Vergabe von Aufträgen des Bundes einzuführen. Wir sagen: Gut so!
Neuere Entwicklungen des EU-Rechts machen die Tariftreue möglich. Wer jetzt noch mit Verweis auf die früher restriktive Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die Europarechtskonformität anzweifelt, ignoriert das neue EU-Recht. Die Aufnahme sozialer Kriterien in die EU-Vergaberichtlinie 2014, die Reform der Entsende-Richtlinie 2018 und neuere EuGH-Urteile machen die Wiedereinführung starker Tariftreueklauseln bei der Vergabe möglich. Tariftreue ist nicht „vergabefremd“.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben sich positioniert. Auf der Fachtagung von DGB und Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) „Öffentlicher Auftrag? Nur mit Tarif!“ diskutierten sie am 12. Mai mit Verbänden, Wissenschaft, Arbeitgebern und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, wie ein Bundestariftreuegesetz idealerweise aussieht.
DGB / Quelle: BMWK
Es braucht einen breiten Anwendungsbereich. Ein Bundestariftreuegesetz muss auf nachgeordnete Bundesbehörden und bundeseigene Unternehmen genauso anzuwenden sein wie auf Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes. Explizit sind hier die Deutsche Bahn, die Bundesdruckerei und die Bundesagentur für Arbeit zu nennen, die Unternehmen oft mit Weiterbildungsmaßnahmen beauftragt. Zu öffentlichen Aufträgen gehören auch Konzessionen, zum Beispiel die Vergabe von Mobilfunkfrequenzen nur an Mobilfunkunternehmen mit Tarifvertrag.
Es müssen bei der Auftragsausführung mindestens die tariflichen Entgelte, Arbeitszeiten und Urlaubsregelungen gewährt werden, die im maßgeblichen Tarifvertrag festgelegt sind. Dabei müssen auch Haustarifverträge berücksichtigt werden, wenn diese als maßgeblich für eine Branche anzusehen sind. Natürlich braucht es effektive Kontrollen durch eine zentrale Kontrollgruppe, abschreckende Sanktionen und die Nachunternehmerhaftung, damit durch Sub- und Sub-Sub-Vergaben keine Schlupflöcher entstehen.
Bislang verfügen Thüringen, Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt und Bremen über gesetzliche Tariftreueregelungen. Klar ist: Ein Bundesgesetz muss so gut sein, dass es Vorbild für die weiteren Bundesländer ist. Den größten Anteil der Auftragsvolumina vergeben laut Auskunft des BMWK schließlich Länder (38 Prozent) und Kommunen (30 Prozent).
DGB/hqrloveq/123rf.com
Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
Deutscher Gewerkschaftsbund
Bundesvorstand
Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Keithstraße 1
10787 Berlin
E-Mail: info.wirtschaftspolitik.bvv@dgb.de
Carina Ortmann
Telefon +49 30 24060-727
Manuela Schmidt
Telefon +49 30 24060-107
Mélanie Millet
Telefon +49 30 24060-744
Florian Moritz
Abteilungsleiter Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Dr. Dominika Biegoń
Europäische und internationale Wirtschaftspolitik
Nora Rohde
OECD/TUAC
Öffentliche Daseinsvorsorge
Handelspolitik
Raoul Didier
Steuerpolitik
Dr. Robby Riedel
Tarifpolitische Koordinierung und Mindestlohn
Dr. Maximilian Fuhrmann
Wohnungs- und Verbraucherpolitik