Ein strenger Sparkurs bringt mittelfristig viel höhere Kosten für zukünftige Generationen. Die enormen Herausforderungen der kommenden Jahre lassen sich nur mit einem gestärkten Sozialstaat und zukunftsweisenden Investitionen bewältigen. Es war ein Fehler, mitten in der Inflationskrise die Schuldenbremse wieder anzuziehen. Sie bleibt eine Zukunftsbremse und gehört abgeschafft.
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In der Bundesregierung schwelt ein Streit um den nächsten Bundeshaushalt. Bundesfinanzminister Lindner hat die für diese Woche geplante Vorlage entsprechender Eckpunkte verschoben. Gleichzeitig fordert er alle Ministerien zum Sparen auf. Lindner, der sich bei Amtsantritt noch als "Ermöglichungsminister" bezeichnet hatte, wird immer mehr zum Verhinderer.
Der Minister behauptet, die Staatsausgaben seien zu hoch und will sie auf das aus seiner Sicht "Wesentliche" zurückstutzen. Nachdem er kürzlich noch Änderungen bei der Einkommensteuer vornahm, die auch Top-Verdienende stark entlasteten und die Staatseinnahmen reduzierten, sagt er nun, der Staat müsse mit den vorhandenen Mitteln auskommen. Steuererhöhungen für Reiche oder neue Kredite lehnt er ab.
Doch diese Denke ist kurzsichtig. Wenn der Staat seiner Handlungsfähigkeit beraubt wird, bringt das mittelfristig viel höhere Kosten für die heutige Gesellschaft und künftige Generationen. Die öffentliche Hand hat in den kommenden Jahren enorme Herausforderungen zu bewältigen. Es braucht mehr bezahlbaren Wohnraum und viel mehr Geld für die Bildung. Der Sozialstaat muss gestärkt werden – auch mit einer effektiven Kindergrundsicherung. Zur sozial-ökologischen Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft braucht es massive Investitionen in Dekarbonisierung, Verkehr, Infrastruktur und Digitalisierung. In China und den USA werden hunderte von Milliarden in Zukunftsinvestitionen gesteckt. Wenn Deutschland hier bremst, verliert es für lange Zeit den Anschluss.
Der Bundesfinanzminister bedient sich allerlei argumentativer Tricks, um eine staatliche Mager-Kur alternativlos erscheinen zu lassen. Jüngst warnte Lindner beispielsweise, die Zinsausgaben des Bundes hätten sich seit 2021 auf fast 40 Mrd. Euro im Jahr 2024 verzehnfacht.
So schürt der Minister Ängste vor zusätzlicher öffentlicher Kreditaufnahme. Was er verschweigt: Die Zahl 40 Mrd. kommt nur durch eine veraltete und verzerrende Berechnungsmethode zustande, die eigentlich schon längst geändert werden sollte (mehr dazu lesen).
*nach VGR / Quelle: Destatis, eigene Berechnung / eigene Darstellung
Und selbst wenn man diese irreführend hohe Zahl zur Grundlage nimmt, relativiert sich ihre bedrohliche Wirkung, wenn man die Zinszahlungen zu den staatlichen Gesamtausgaben ins Verhältnis setzt. Selbst wenn sich die Zinsausgabenquote 2023 zum Vorjahr verdoppelt, wie das Finanzministerium voraussagt, bleibt die Belastung im Langfrist-Vergleich niedrig (siehe Grafik).
Die deutsche Staatsverschuldung ist im internationalen Vergleich gering. Sie treibt auch nicht die Inflation. Im Gegenteil: Kreditfinanzierte Maßnahmen, wie die Einführung der Gas- und Strompreisbremse, wirken der Inflation entgegen. Es war ein Fehler, mitten in der Inflationskrise die Schuldenbremse wieder anzuziehen. Sie bleibt eine Zukunftsbremse und gehört abgeschafft. Bis dahin muss sie umgangen werden, wie beim Sondervermögen für die Bundeswehr geschehen.
Gleichzeitig müssen Reiche mehr zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft beitragen. Die Inflationskrise zeigt auch: Eine gerechtere Erbschaftsteuer und die Wiedererhebung der Vermögensteuer sind überfällig.
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Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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