Allgemeine Steuersenkungen sind unnötig und kontraproduktiv. In Zeiten drohender Rezession befürworten die Gewerkschaften eine befristete Verbesserung der Abschreibungsmöglichkeiten – oder direkte Beihilfen für gesellschaftlich sinnvolle Investitionen.
Noch vor kurzem ließ der CDU-Vorsitzende Merz den Bundeskanzler wissen, dass er sich künftig Appelle zur Zusammenarbeit sparen könne. Nun hat man sich in der Unionsfraktion offenbar anders entschieden und der Regierung eine Einladung zum Austausch „über ein Maßnahmenpaket zum Wirtschaftsstandort Deutschland“ übersandt. In der Liste mit Maßnahmen, die aus Sicht von CDU und CSU zügig auf den Weg gebracht werden könnten, befinden sich der Vorschlag „Überstunden für Vollzeitbeschäftigte steuerlich zu begünstigen“ und die Forderung nach einer allgemeinen Steuersatzsenkung auf im Unternehmen verbleibende Gewinne. Was ist davon zu halten?
Eine allgemeine Senkung des Steuersatzes für Unternehmen käme den Unternehmen umso mehr zugute, je höher die Profite sind. Ob diese Gewinne Ergebnis einer klugen Investitionspolitik oder eines rigorosen Stellenabbaus sind, wäre dabei ohne Belang. Allgemeine Steuersenkungen sind unnötig und kontraproduktiv.
In Zeiten drohender Rezession befürworten die Gewerkschaften vielmehr eine befristete Verbesserung der Abschreibungsmöglichkeiten oder direkte Beihilfen für gesellschaftlich sinnvolle Investitionen. Das trägt dazu bei, dass Investitionen nicht auf die lange Bank geschoben werden, sondern noch zu Zeiten eines drohenden wirtschaftlichen Abschwungs getätigt werden, um diesem entgegenzuwirken.
Außerdem sind damit keine dauerhaften Einnahmeausfälle verbunden, die einer generellen Senkung des Steuersatzes folgen würden. Das bereits vom Bundestag beschlossene Wachstumschancengesetz sieht solche Verbesserungen der Steuerabschreibungen sowie eine Prämie für Investitionen vor, die in besonderem Maße dem Klimaschutz dienen. Allerdings verhindern CDU und CSU gerade die erforderliche Zustimmung der Länder im Bundesrat.
Eine Schnapsidee ist der Vorschlag, ausgerechnet Mehrarbeit steuerlich zu privilegieren. Nicht nur, weil überlange Arbeitszeiten die Gesundheit und den familiären Zusammenhalt gefährden. Auch aus Gründen der Steuer- und der Geschlechtergerechtigkeit ist dies eine fragwürdige Forderung.
So wäre jemand, der eine gering entlohnte Teilzeittätigkeit aufstockt, einem steigenden Steuersatz unterworfen, während der Steuersatz für einen Top-Verdiener in Vollzeit gerade wegen des zusätzlichen Verdienstes sogar wieder sinken würde. Strukturell benachteiligt wären dadurch vor allem Frauen, die wegen der ungleichen Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit wesentlich häufiger in Teilzeit und wesentlich geringer in Vollzeit beschäftigt sind, wie eine Auswertung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt (siehe Grafik).
Das bedeutet nicht, dass den Menschen, die häufig auch unfreiwillig Mehrarbeit leisten müssen, nicht geholfen werden müsste. So weist eine weitere Studie des IAB nach, dass 2022 den 588 Millionen bezahlten Überstunden 686 Millionen Stunden unbezahlter Mehrarbeit gegenüberstanden. Diesbezüglich spricht sich die Union allerdings für großzügige Spielräume des Arbeitgebers bei der Erfassung der Arbeitsstunden aus. Das geht voll in die falsche Richtung.
DGB/hqrloveq/123rf.com
Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
Deutscher Gewerkschaftsbund
Bundesvorstand
Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Keithstraße 1
10787 Berlin
E-Mail: info.wirtschaftspolitik.bvv@dgb.de
Carina Ortmann
Telefon +49 30 24060-727
Manuela Schmidt
Telefon +49 30 24060-107
Florian Moritz
Abteilungsleiter Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Dr. Dominika Biegoń
Europäische und internationale Wirtschaftspolitik
Nora Rohde
OECD/TUAC
Öffentliche Daseinsvorsorge
Handelspolitik
Raoul Didier
Steuerpolitik
Dr. Robby Riedel
Tarifpolitische Koordinierung und Mindestlohn
Dr. Inga Jensen
Wohnungs- und Verbraucher*innenpolitik