Die Einhaltung der Schuldenbremse und die vom Finanzministerium geforderte Haushaltskonsolidierung stehen den dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen entgegen. Von der anfänglichen Aufbruchstimmung zu Beginn der Legislaturperiode scheint nicht mehr viel übrig zu bleiben. Eine Sparpolitik hätte fatale Folgen für die sozial-ökologische Transformation und den ansteigenden Investitionsstau der Kommunen.
DGB/Simone M. Neumann
Zu Beginn der Legislaturperiode herrschte Aufbruchstimmung. Der Koalitionsvertrag trug den Titel „mehr Fortschritt wagen“ und versprach ein „Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“. In einer ersten Amtshandlung steckte der neue Bundesfinanzminister Milliarden in den Energie- und Klimafonds, um Investitionen zu fördern.
Jetzt scheint es, als wolle Lindner den Rückwärtsgang einlegen: Er hält es für „das Wichtigste“, die Staatsverschuldung zu senken und will den Haushalt konsolidieren. Eine Einhaltung der Schuldenbremse ab 2023 hält er trotz Ukraine-Krieg und neuer Notlage für „unverhandelbar“. Kurz: Er droht damit, bald einen Sparkurs einzuschlagen. Hinzu kommt, dass schon vergangene Woche mit dem Bundeshaushalt eine folgenschwere Entscheidung getroffen wurde: Nun sollen nicht nur die Corona-bedingt aufgenommenen Staatsschulden ab 2028 zurückgezahlt werden – was ohne vernünftigen Grund allein Haushaltsmittel in Höhe von 11 Milliarden Euro jährlich für die Tilgung binden wird. Auch wurde in der letzten Woche beschlossen, dass die 100 Milliarden Euro an Krediten, die im Kontext des „Sondervermögens Bundeswehr“ aufgenommen werden, spätestens ab 2031 zu tilgen sind. Je nachdem, wie lang der Tilgungszeitraum ausfällt, fließen so – nur aufgrund der Selbstverpflichtung – jährlich Milliarden in die Kredit-Rückzahlung, die für Investitionen und andere nötige Ausgaben fehlen.
Ein baldiger öffentlicher Sparkurs wäre eine Katastrophe. Er würde nicht nur kurzfristig die Rezessionsgefahr erhöhen, sondern vor allem auch die dringend notwendigen Staatsaufgaben ausbremsen: Angesichts der hohen Inflation braucht es bald ein neues Entlastungspakt für die Verbraucher*innen. Das kostet Geld. Hinzu kommen die enormen Zukunftsaufgaben: Der Ausbau der erneuerbaren Energien und des Nahverkehrs muss angesichts der Energiekrise noch einmal beschleunigt werden. Investitionen in die sozial-ökologische Transformation haben nichts an Dringlichkeit verloren. Und die Kommunen, die einen Großteil der öffentlichen Investitionen realisieren müssen, schieben seit Jahren einen immensen Investitionsrückstand vor sich her. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) stellt in ihrem Kommunalpanel die aktuellen Zahlen dar: Mit 159 Milliarden Euro beziffern die Kommunen den Investitionsstau im Jahr 2021 – 10 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Trauriger Spitzenreiter ist erneut der Schulbereich, gefolgt von Straßen und Verwaltungsgebäuden.
Quelle: KfW Kommunalpanel 2022 / Darstellung: DGB
Geprägt sind diese Einschätzungen wie im Jahr zuvor von den verschiedenen Krisen, die auf die kommunalen Haushalte durchschlagen: die Ausläufer der Pandemie und in Teilen des Landes die Folgen der Flutkatastrophe. Und obwohl die Auswirkungen des Angriffs auf die Ukraine zum Zeitpunkt der Befragung der Kommunen noch keine Rolle spielten, gingen schon in 2021 mehr als 20 Prozent von ihnen davon aus, dass sich die Finanzierungsbedingungen für Investitionen in den folgenden Jahren eher verschlechtern werden.
Das darf nicht passieren. Die investitionsfeindliche Schuldenbremse gehört abgeschafft, die Einnahmebasis des Staates durch ein gerechtes Steuersystem gestärkt. Die kommenden Jahre dürfen kein Jahrzehnt des Rückschritts werden.
DGB/hqrloveq/123rf.com
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