SPD, Grüne und FDP wollen zwar steuerpolitische Vorhaben umsetzen, aber auf Maßnahmen, die die Mehrheit der Menschen entlastet und Reiche in die Pflicht nimmt, verzichtet die Ampel-Koalition. Mehr Gerechtigkeit und zukunftsfeste Staatsfinanzen sind aber nur möglich, wenn sich die Politik nicht weiter an einer stärkeren Belastung der größten Vermögen und der höchsten Einkommen vorbeimogelt.
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Wer im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung nach mehr Steuergerechtigkeit sucht, schaut in die Röhre. Die Schieflage bei der Verteilung von Einkommen und Vermögen wird noch nicht einmal erwähnt. Sicherlich – der höhere Mindestlohn, die Einführung einer Kindergrundsicherung und andere im Vertrag genannte Maßnahmen werden die unteren Einkommen stärken und zu Umverteilung beitragen. Aber auf eine Vermögensteuer, eine gerechtere Erbschaftsteuer oder einen Einkommensteuertarif, der die Mehrheit der Menschen entlastet und Reiche in die Pflicht nimmt, verzichtet die Ampel-Koalition.
Dass diese Maßnahmen aber dringend nötig wären belegt aktuell wieder eine Studie, die zeigt, dass die gesellschaftliche Mitte in Deutschland stark erodiert und der einkommensarme Anteil der Bevölkerung stark gestiegen ist (siehe Grafik).
Dabei haben SPD, Grüne und FDP durchaus Verabredungen zur Steuerpolitik getroffen. An erster Stelle des Steuerkapitels stehen „Superabschreibungen“ und großzügigere Regeln zur Verlustverrechnung für die Unternehmen, um privates Kapital für Investitionen in den Strukturwandel zu aktivieren. Danach folgen Maßnahmen, die für die Beschäftigten oder Menschen im Ruhestand von unmittelbarer Bedeutung sein können. Eine der wichtigsten ist, dass die Auflagen des Bundesfinanzhofs zur Vermeidung einer zweifachen Steuerbelastung der Altersbezüge erfüllt werden sollen. Das ist überfällig und muss jetzt effektiv umgesetzt werden.
Auch soll der Ausbildungsfreibetrag für Kinder, die auswärts zur Berufsausbildung untergebracht sind, angehoben werden. Die wegen der Pandemie eingeführte Home-Office-Pauschale von bis zu 600 Euro wird auch im kommenden Jahr gewährt und der Sparerpauschbetrag soll von 801 auf 1.000 Euro angehoben werden.
DGB/ Quelle: OECD (2021), Is the German Middle Class Crumbling? Risks and Opportunities, eigene Berechnungen
Auch ist verabredet, dass die Steuerklassenkombination 3 und 5, die meist bei verheirateten Frauen zu einem relativ hohen monatlichen Lohnsteuerabzug führt, abgeschafft werden soll. Alleinerziehende, „die heute am stärksten von Armut betroffen sind“, sollen eine nicht näher bezifferte Steuergutschrift erhalten. Soweit es gelingt, die Umgehung der Grunderwerbsteuer durch sogenannte Share Deals zu begrenzen, sollen die Mehreinnahmen an Erwerber von selbst genutztem Wohneigentum weitergereicht werden. Schließlich will die Koalition mehr Rechtssicherheit für gemeinnützige Organisationen schaffen und weiterhin gegen Steuergestaltung und Steuerhinterziehung tätig bleiben.
Gegen die Mehrzahl der geplanten steuerpolitischen Vorhaben lässt sich aus gewerkschaftlicher Sicht nichts einwenden. Allerdings werden sie nicht zu einer maßgeblichen Entlastung der Mehrzahl der arbeitenden Menschen führen. Schon gar nicht verschaffen sie dem Bund die notwendigen zusätzlichen Mittel, um den sozial-ökologischen Wandel zu bewältigen und die notwendigen zusätzlichen laufenden Ausgaben zu tätigen. Mehr Gerechtigkeit und zukunftsfeste Staatsfinanzen sind nur möglich, wenn sich die Politik nicht weiter an einer stärkeren Belastung der größten Vermögen und der höchsten Einkommen vorbeimogelt.
DGB/hqrloveq/123rf.com
Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.
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