Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur EU-Kapitalmarktunion
Stellungnahme07. Juli 2025
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Wir setzen uns für gute Arbeitsbedingungen durch eine starke Tarifbindung und einen existenzsichernden Mindestlohn ein. Hier finden sie alle Inhalte unserer tarifpolitischen Arbeit.
Der DGB setzt sich für eine starke Tarifbindung und einen existenzsichernden Mindestlohn ein. Denn Tarifverträge sichern nicht nur die ökonomische Teilhabe der Beschäftigten. Die Bewältigung der anstehenden sozialen und ökologischen Transformationsprozesse ist ohne Tarifverträge nicht denkbar. Sie erhöhen dadurch nicht nur die Akzeptanz der anstehenden Veränderungen, eine starke Tarifbindung ist zugleich ein Garant für den gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und Motor für wirtschaftlichem Fortschritt.
Dennoch nimmt seit Jahrzehnten die Tarifbindung stetig ab. Aktuell sind nur noch rund die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland tarifgebunden. Die Erosion der Tarifbindung ist vor allem Folge gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklungen sowie konkreter politischer Entscheidungen der vergangenen 20 Jahre: Die Schaffung eines der größten Niedriglohnsektoren in Europa war ein entscheidender Treiber für Tarifflucht und der damit einhergehenden Prekarisierung der Arbeit.
Die Tarifbindung verliert seit Jahren ihre Bindekraft – und damit auch tarifvertragliche geregelte Löhne. Dort, wo es keine Tariflöhne gibt, greift der gesetzliche Mindestlohn, um zumindest ein Lohnniveau zu gewährleisten, welches existenzsichernd ist. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Erfolg der Gewerkschaften. Durch den gesetzlichen Mindestlohn konnten die Einkommen am unteren Rand der Einkommensverteilung stabilisiert werden. Dennoch ist festzuhalten, dass Beschäftigte, die zum Mindestlohn arbeiten, kaum Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe haben. Der Mindestlohn kann nur eine unterste Haltelinie sein, um Niedrigstlöhnen einen Riegel vorzuschieben.
Zudem haben sich die Mitgliedstaaten der EU, somit auch Deutschland, mit der 2022 verabschiedeten Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union der Zielsetzung einer hohen Tarifbindung verpflichtet. Liegt diese nicht bei mindestens 80 Prozent, so muss der Mitgliedstaat bis Ende 2025 einen nationalen Aktionsplan mit einem klaren Zeitplan und konkreten Maßnahmen zur schrittweisen Erhöhung der tarifvertraglichen Abdeckung vorlegen. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben bereits einen 14-Punkte-Plan dazu vorgelegt. Unsere 14 Forderungen zur Stärkung der Tarifbindung haben wir hier in aller Kürze aufgelistet .
Nicht zuletzt schließt die DGB-Tarifgemeinschaft für die Leiharbeits-Branche mit dem Gesamtverband der Personaldienstleister e. V. (GVP) einen Tarifvertrag. Dieser regelt die Arbeitsbedingungen und Entgelte sowie einen Mitgliedervorteil für Mitglieder der DGB-Gewerkschaften gibt. Die Tarifverträge der DGB-Tarifgemeinschaft Leiharbeit gelten für rund 98 Prozent der insgesamt ca. 560.000 Leiharbeiter*innen in ganz Deutschland. Und zwar für alle Leiharbeiter*innen, die bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, der Mitglied im Gesamtverband der Personaldienstleister e. V. (GVP) ist.
Wir setzen uns für eine starke Tarifbindung ein. Die Stärkung der Tarifbindung ist eine der zentralen Aufgaben unserer Zeit. Von ihr hängt ab, ob es in unserer Gesellschaft gerecht zugeht und ob die Beschäftigten an den ökonomischen Erfolgen teilhaben. Tarifverträge sichern die Teilhabe der Beschäftigten und tragen zu sozialem Frieden und wirtschaftlichem Fortschritt bei. Tarifverträge sorgen für einen demokratischen Interessenausgleich in Betrieben, Unternehmen und Dienststellen. Sie fördern Gleichbehandlung und Gerechtigkeit – zwischen Frauen und Männern, zwischen Ost und West, zwischen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte.
Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fortschritt waren historisch immer eng mit erfolgreichen gewerkschaftlichen Kämpfen und tarifvertraglichen Einigungen verknüpft. Ob bei der Zahl der Urlaubstage, bei der Arbeitszeit oder bei anderen arbeitsgestaltenden Fragen – Tarifverträge schaffen zukunftsweisende Normen und setzen Standards, die über staatliche Mindestnormen oft deutlich hinausgehen. Gleichzeitig sind Tarifverträge und darauf aufbauende Betriebs- und Dienstvereinbarungen flexibel – greifen nicht nur aktuelle branchenspezifische Bedürfnisse der Beschäftigten auf, sondern reagieren auch kurzfristig auf außergewöhnliche Umstände.
Tarifverträge tragen zu fairen Wettbewerbsbedingungen bei, steigern die gesamtwirtschaftliche Produktivität und stabilisieren damit die ökonomische Entwicklung. Zudem weisen Beschäftigte in tarifgebundenen Unternehmen längere Betriebszugehörigkeiten auf. Dies senkt den Aufwand für Arbeitgeber*innen und auch das langjährig erworbene Know-how der Mitarbeit*innen bleibt länger im Unternehmen.
Allerdings verliert die Tarifbindung seit Jahren ihre Bindekraft. Aktuell arbeiten bereits 50 Prozent der westdeutschen und 58 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten in Betrieben ohne Tarifvertrag (Stand: 2024). Diese Entwicklung ist dramatisch und keineswegs nur eine Gefahr für die Rolle der Gewerkschaften. Sollte sie nicht aufgehalten werden, gefährdet das unseren Wohlstand und schwächt die Demokratie in Wirtschaft und Gesellschaft.
Die schwindende Tarifbindung folgt dabei keinem Naturgesetz, sondern hat vielfältige – politische und strukturelle – Gründe. Zum Beispiel veränderte Wirtschaftsstrukturen: Mit dem Wachsen des Dienstleistungssektors, zunehmender Privatisierung und gleichzeitiger Änderung der Wertschöpfungssysteme im Industriesektor sind Herausforderungen für die gewerkschaftliche Organisierung der Beschäftigten und damit für die Grundlage von Tarifbindung verbunden. Dasselbe gilt für neue Beschäftigungsformen am Arbeitsmarkt.
Ein bedeutender Grund für die sinkende Tarifbindung liegt auch in der Tarifflucht durch die Arbeitgeber*innen. In einigen Arbeitgeberverbänden gibt es mittlerweile mehr Mitgliedschaften ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaften) als normale Mitglieder. Gleichzeitig wird immer häufiger die Möglichkeit genutzt, im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen Tarifflucht zu begehen.
Den Sozialversicherungen und dem Staatshaushalt gehen ebenfalls durch Tarifflucht jährlich mehrere Milliarden durch die Hände. Die Kaufkraft sinkt, niedrigere Einkommensteuern sind die Folge. Am Ende zahlt die öffentliche Hand doppelt.
So vielfältig die Gründe für den Rückgang der Tarifbindung sind, so vielfältig müssen die Ansätze zu ihrer Stärkung sein. Die Gewerkschaften selbst richten ihre Kraft darauf, ihre Mitgliederbasis zu stärken. Neue Formen der Ansprache und der Organisierung werden entwickelt und angegangen. Neue Branchen und neue Beschäftigungsformen werden in den Fokus genommen, um gewerkschaftliche Organisationskraft auch in tariflosen Branchen zu verankern.
Auch die Politik darf nicht länger zuschauen, wenn mit zurückgehender Tarifbindung eine tragende Säule unserer Sozial- und Wirtschaftsordnung ins Wanken gerät. Das deutsche Tarifvertragssystem ist ein öffentliches Gut, das enorme gesamtgesellschaftliche Vorteile und Wohlfahrtsgewinne ermöglicht. Die Politik muss jetzt die Rahmenbedingungen für eine Förderung der Tarifbindung setzen.
Der Mindestlohn ist eine Erfolgsgeschichte, denn für viele Beschäftigte hat er zu einer spürbaren Lohnerhöhung geführt. Vielen Befürchtungen zum Trotz ist er kein Job-Killer. Im Gegenteil: Seit seiner Einführung im Jahr 2015 ist die Beschäftigung in Gänze gestiegen, vor allem die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat sich gut entwickelt. Zudem sorgt der Mindestlohn für faire Wettbewerbsbedingungen, denn einzelne Unternehmen können sich nicht länger Vorteile durch Lohn-Dumping verschaffen.
Aus Sicht der Gewerkschaften kann der Mindestlohn nur die unterste Haltelinie sein. Wirklich gute Lohn- und Arbeitsbedingungen gibt es nur mit Tarifverträgen. Doch leider profitieren immer weniger Beschäftigte von tarifvertraglichen Regelungen, da zunehmend mehr Unternehmen und Betriebe aus die Tarifbindung gehen. Auch deshalb braucht es unterstützende Maßnahmen seitens der Politik, die Tarifverträge stärken und die Tarifbindung wieder erhöhen.
Im Jahr 2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,82 Euro je Zeitstunde. Dies hat die Mehrheit der Mindestlohnkommission im Juni 2023 festgelegt. Dieser Beschluss wurde erstmals seit Bestehen der Mindestlohnkommission nicht einstimmig, sondern gegen die Stimmen der gewerkschaflichen Vertreter*innen gefasst. Die Gründe für Anlehnung des Beschlusses hat die Gewerkschaftsseite in dem Beschluss vom 26.Juni 2023 detailliert dargelegt.
Für die Jahre 2026 und 2027 hat sich die Mindestlohn im Juni 2025 einstimmig auf eine Anhebung des Mindestlohns in zwei Stufen geeinigt.
Nach langen Verhandlungen haben die Sozialpartner einem Vermittlungsvorschlag der Vorsitzenden der Mindestlohnkommission zugestimmt. Danach soll der gesetzliche Mindestlohn zum 1.1.2026 um 1,08 Euro auf 13,90 Euro steigen. In einem zweiten Schritt sind ab 1.1.2027 dann 70 Cent mehr, also 14,60 Euro vorgesehen.
Während manche Arbeitgeber am liebsten gar keine Erhöhung wollten, hat die Gewerkschaftsseite in der Kommission dennoch ein Plus von insgesamt 13,9 Prozent durchgesetzt. Das dürfte für viele Millionen Menschen eine der größten Gehaltssteigerungen sein, die sie jemals erhalten haben.
Die Kommission hat bei ihrer Entscheidung im Rahmen einer Gesamtabwägung den Mindestschutz der Beschäftigten, die wirtschaftliche Entwicklung und den nachlaufenden Tarifindex des Statistischen Bundesamtes sowie das 60-Prozent-Medianlohn-Kriterium berücksichtigt. 60 Prozent vom Medianeinkommen bei Vollzeitbeschäftigten sind demnach eine Richtgröße für einen armutsfesten Mindestlohn. Es ist der Verdienst der Gewerkschaften, dass dieses Kriterium überhaupt Berücksichtigung bei der Gesamtabwägung der Mindestlohnkommission findet.
Besonders Frauen wie auch Beschäftigte in Ostdeutschland profitierten stark von der Erhöhung der gesetzlichen Lohnuntergrenze, da sie besonders häufig zu den Beschäftigten gehören, die zu Mindestlohnbedingungen arbeiten und in Branchen mit geringer Tarifbindung beschäfigt
sind, wie dem Einzelhandel, Gastronomie, Taxigewerbe wie auch Kurier- und Expressdienste, Spiel, Wett- und Lotterie sowie Berufe wie Bäckereifachverkäufer*innen, Friseur*innen, Florist*innen.
Von der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns profitieren insgesamt gut 6 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Jeder Cent mehr Mindestlohn steigert die Kaufkraft um rund 20 Millionen Euro. Über den Zeitraum von 2 Jahren ergibt sich mit den erzielten Steigerungen ein gesamtwirtschaftliches Lohnplus für die Mindestlohnbeschäftigten von rund 5,7 Milliarden Euro. Es ist davon auszugehen, dass dieses Geld eins zu eins in den Konsum fließt und damit die Konjunktur belebt.
Mit einem höheren Mindestlohn wird auch die Allgemeinheit entlastet, da der Kreis der Anspruchsberechtigten bei den sogenannten Aufstockerleistungen kleiner wird. So hat die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro im Oktober 2022 dazu geführt, dass 9 Prozent weniger für Aufstockerzahlungen geleistet werden musste. Das sind finanzielle Mittel, die freigesetzt und anderweitig genutzt werden können.
Nicht zuletzt als Reaktion auf bisherige Erfahrungen mit Umgehungstatbeständen beim gesetzlichen Mindestlohn fordert der DGB:
In der Branche Leiharbeit koordinieren wir als DGB die Tarifarbeit der 8 Mitgliedsgewerkschaften. Unsere Mitgliedsgewerkschaften und nicht der DGB sind die Unterzeichner der Tarifverträge. Ziel der Tarifarbeit ist es, die Tarifverträge der Leiharbeit stetig weiterzuentwickeln, um die Arbeitsbedingungen der Leiharbeitsbeschäftigten zu verbessern. Verbesserungen, wie der Mitgliedervorteil Leiharbeit für Mitglieder der DGB-Gewerkschaften, mehr Urlaubstage, aber auch substanzielle Verbesserungen bei den Entgelten sind über die Jahre erreicht worden. Auch wurde erstmalig durch uns ein Mindestlohntarifvertrag für die Branche erreicht, der Grundlage für die Lohnuntergrenze Leiharbeit ist. Dadurch wird abgesichert, dass Entgelte unterhalb dieser Schwelle nicht rechtmäßig sind. Weiteres über die Tarifverträge Leiharbeit oder die Tarifrunden Leiharbeit erfahren Sie hier.
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