Deutscher Gewerkschaftsbund

06.05.2021

Für eine sozial gerechte und ökologische Mobilitätswende

Im „Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende“ haben DGB, ver.di und IG Metall im letzten Jahr gemeinsam mit Umwelt-, Sozial-, Wohlfahrtsverbänden und der Evangelischen Kirche an der Idee und Umsetzung einer sozialgerechten und ökologischen Mobilitätswende gearbeitet. Am 15. April wurden die Vorschläge der Öffentlichkeit präsentiert. Wir geben einen Einblick, was euch in der Broschüre „Wie wir das Klima schützen und eine sozial gerechte Mobilitätswende umsetzen können“ erwartet.

Kampagnenbild des Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende

Bildcopyright: Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende/Illustration: Elisabeth Deim

Das Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende hat am 15. April Vorschläge für eine sozial gerechte und ökologische Mobilitätswende vorgestellt. Auf Einladung des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) wurden der DGB, die IG Metall und ver.di an der Erarbeitung des Papiers direkt beteiligt. Auf Umweltseite waren außerdem der BUND und der vcd sowie von den Sozialverbänden die AWO, der Sozialverband Deutschland, der VdK und die Evangelische Kirche dabei.

Im Verkehrssektor ist die Lücke zwischen Klimazielen und tatsächlichen Treibhausgas-Emissionsminderungen in den letzten Jahrzehnten nicht kleiner geworden. Aus gewerkschaftlicher Sicht muss verhindert werden, dass der Zeitdruck zu wirtschaftlichen oder sozialen Brüchen führt. Für eine gerechte Gestaltung des Strukturwandels im Sinne der Beschäftigten in der Automobilindustrie und in den anderen Verkehrsbereichen ist die Unterstützung durch dieses zivilgesellschaftliche Bündnis hilfreich.

Die Erklärung zeigt die große Einigkeit darüber, dass die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen mit den Erfordernissen des Klimaschutzes vereinbar sind. Eine Mobilitätswende kann für mehr soziale Gerechtigkeit und Lebensqualität sorgen. Die Partner sind überzeugt, dass es zugleich möglich ist, Deutschland mit seiner traditionell starken Automobilindustrie emissionsfreier, klima- und umweltfreundlicher auszurichten und damit international beispielgebend für die Vereinbarkeit von wirtschaftlichem Erfolg und Nachhaltigkeit zu sein.

Es wurden vier Handlungsfelder identifiziert, in denen die Beteiligten an einem Strang ziehen wollen, damit die Verkehrswende sozial gerecht umgesetzt wird. Dabei wurde auch die Finanzierung dieser Transformation diskutiert:

1. Mobilität als Teil der Daseinsvorsorge ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe

Der Umweltverbund mit Bus und Bahn, Taxi und Rad ist für das Bündnis das Rückgrat der neuen Mobilität. Damit der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) auch von allen uneingeschränkt genutzt werden kann, müssen die Regelsätze der Grundsicherung für Mobilität erhöht werden. Barrierefreiheit muss überall gesetzlich verpflichtend werden. Wir brauchen sichere Fuß- und Radwege und einheitliche Bedienstandards für den ÖPNV, von der Infrastruktur über eine engere Taktung bis zu bedarfsgerechten Angeboten an jedem Wohnort. Er muss bezahlbar sein. Preis- und Buchungssysteme müssen verständlich sein – und zwar analog wie digital.

„Stadt der kurzen Wege“ ist ein oft gemaltes Idealbild. Es bleibt aber auch in Zukunft eine Fata Morgana, solange eine integrierte Planung von Arbeit, Wohnen und Versorgung nicht Standard der Stadt- und Raumentwicklung ist. Dazu müssen auch die Planungskapazitäten aufgebaut werden.

Das Bündnis fordert eine solidarische Senkung von Emissionen, d.h. zuerst von jenen, die aktuell viele Emissionen erzeugen. Es kann nicht sein, dass für Pendelnde der gezwungenermaßen immer längere Weg zur Arbeit ins Zentrum immer teurer wird, während andere von hohen Kaufprämien profitieren und einen CO2-intensiven Lebensstil weiterhin pflegen.

2. Neue Mobilität trägt zu Lebensqualität und Gesundheit bei

Zentral sind hier langfristige Strategien zur Senkung von Schadstoff- und Lärmemissionen. Dazu gehören verkehrsberuhigende Maßnahmen und die Umgestaltung von Quartieren, für mehr Raum zum Bleiben statt zum Passieren. Damit alle Bevölkerungsschichten davon profitieren, müssen diese Maßnahmen jedoch von einer sozialen Wohnungspolitik begleitet werden, die für mehr bezahlbare Wohnungen auch in den Innenstadtbezirken sorgt. Schließlich stehen auch Maßnahmen für das Ziel von null Verkehrstoten auf der Agenda.

3. Mobilitätswirtschaft bringt Wohlstand und Beschäftigung

Eine zentrale Aufgabenstellung ist aus Sicht des Bündnisses die industrie- und strukturpolitische Begleitung der Transformation des Automobilsektors. Gefordert wird, dass eine präventive Strukturpolitik besonders betroffene Regionen unterstützt, bevor es zu wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen kommt. Aber auch im Mobilitätssektor insgesamt gibt es große Herausforderungen: damit die Verkehrsleistungen im ÖPNV und im Schienenverkehr erhöht werden können wie von der Politik gewünscht, reicht es nicht, in Infrastruktur und Fahrzeuge zu investieren. Wir brauchen erheblich mehr Personal. Bei den neuen Mobilitätsdiensten wie im Mobilitätssektor insgesamt muss das Leitbild „Gute Arbeit“ durchgesetzt werden. Die Basis soll der DGB-Index sein.

Gleichzeitig braucht es weitsichtige rechtliche Rahmensetzungen für klimafreundliche Mobilität und Zukunftstechnologien. Die Wettbewerbsbedingungen für klimafreundliche Verkehrsträger müssen verbessert werden und es werden umfassende Weiterbildungsinitiativen und eine visionäre Qualifizierungspolitik gefordert.

4. Mobilitätswende braucht einen kulturellen Wandel

Die Voraussetzung für einen erfolgreichen kulturellen Wandel sind eigene Erfahrungen mit einer anderen Alltagsmobilität. Das Bündnis fordert mehr „Reallabore“ und entsprechende rechtliche Freiräume und Finanzmittel für die Kommunen, damit sie Lösungen temporär ausprobieren können und im Erfolgsfall auch verstetigen können.

Mit diesen „Experimentierräumen“ ist auch die Hoffnung verbunden, dass eine direkte Beteiligung die Akzeptanz für die Mobilitätswende erhöht. Das Hinterfragen von Konsumgewohnheiten, die das Verkehrsaufkommen erhöhen und eine Mobilitätsbildung für alle Altersklassen werden als weitere Ansätze zur Diskussion gestellt.

Aus gewerkschaftlicher Sicht ist das Betriebliche Mobilitätsmanagement eine gute Chance, dass Beschäftigte zu Gestaltenden der Mobilitätswende werden. Das Bündnis fordert deshalb, dass Unternehmen und Institutionen an allen Standorten verpflichtet werden, Mobilitätsstrategien zu entwickeln. Der ACE ist ein wichtiger Partner, wenn es um „Gute Wege zur Arbeit“ geht.

5. Finanzierung der Mobilitätswende

Die Allianz drängt auf eine Ausweitung der öffentlichen Investitionen: Einerseits in die industrie- und strukturpolitische Begleitung der Transformation des Automobilsektors, andererseits in den ÖPNV und den Schienenverkehr. Allein für die Sanierung und den Ausbau des ÖPNV und des Schienennetzes sind in den 20er Jahren über 20 Milliarden Euro zusätzlich erforderlich. Auch hier fehlen Planungskapazitäten. Eine Finanzierung dieser Zukunftsinvestitionen auch über erhöhte Kreditaufnahme ist eine legitime, aber im Bündnis umstrittene Option.

Vorgeschlagen wird eine sozialverträgliche Finanzierung der Mobilitätswende über Steuermittel. Nur so orientiert sich die individuelle Belastung an Einkommen und Vermögen. Besonders klimaunverträgliches Verhalten soll kosten. In den Gewerkschaften nicht unumstritten ist auch, dass Mittel über die Umschichtung aus dem Fernstraßenbau und über den Abbau klimaschädlicher Subventionen mobilisiert werden sollen - aber diese Debatten werden wir führen müssen. Allerdings bindet allein der Erhalt des Straßennetzes erhebliche Mittel und der Subventionsabbau soll planbar sein und ohne soziale Verwerfungen ablaufen. Grundsätzlich müssen umweltfreundlichere Alternativen geschaffen werden, bevor Verbote kommen. Parkraummanagement und die Umverteilung von Straßenraum können kein Tabu sein.

Die gemeinsame Erklärung des Bündnisses „Wie wir das Klima schützen und eine sozial gerechte Mobilitätswende umsetzen können“ und insbesondere die Handlungsempfehlungen sollen eine Einladung zur Debatte sein. Sie hat erst begonnen, bisher wird fast nur über Technologien diskutiert. Es ist Zeit, dass in den Mittelpunkt rückt, was der Wandel für die Bürgerinnen und Bürger und für die Beschäftigten im Mobilitätssektor bedeutet – und wie sie und wir als Gewerkschaften ihn beeinflussen können. 

Das Papier und die nun geplanten Aktivitäten auch auf regionaler Ebene können dazu beitragen, dass gewerkschaftliche Argumente in der Debatte um die Verkehrswende und bei der Gestaltung des Strukturwandels in diesem Sektor breiten Raum einnehmen. Alles zur Pressekonferenz vom 15. April.


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