Deutscher Gewerkschaftsbund

20.10.2017
klartext 38/2017

Jamaika: Mindestlohngesetz nicht verwässern!

Die "Jamaika"-Koalition in Schleswig-Holstein will die Dokumentationspflichten im Mindestlohngesetz aufweichen. Doch die Einhaltung des Mindestlohns lässt kaum noch kontrollieren, wenn die Arbeitszeit nicht mehr umfassend aufgezeichnet wird. Deshalb ist für den DGB-klartext klar: Das Mindestlohngesetz darf nicht verwässert und zum zahnlosen Tiger gemacht werden.

Ballons mit Mindestlohn-Logo DGB

DGB/Simone M. Neumann

Fast 10 Jahre kämpften der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften für den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland, der zum 1.1. 2015 in Kraft trat.

Kurz vor Aufnahme der Koalitionsgespräche von Schwarz-Gelb-Grün im Bund trommelt die „Jamaika“-Koalition in Schleswig-Holstein für die Verwässerung der Dokumentationspflichten im Mindestlohngesetz. Sie hat den Bundesrat aufgefordert, die Arbeitszeiterfassung beim Mindestlohn für Teilzeitkräfte „handhabbarer und praxisnäher“ zu gestalten. So könnten vermeintlich unzumutbare Bürokratielasten in der Umsetzung des Mindestlohns vermindert werden.

Schwarze Schafe unter den Arbeitgebern

Diese Leier wurde bereits kurz nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes gedreht. Manchen Unions- und Wirtschaftsvertretern war es von Anfang an ein Dorn im Auge, dass mit dem Mindestlohngesetz auch Sanktionen vorgesehen sind, sofern die Arbeitszeit nicht korrekt erfasst wird. Offenbar lassen die schwarzen Schafe unter den Arbeitgebern ihre Beschäftigten länger arbeiten als vertraglich vereinbart und bezahlt. So berichten es immer wieder ArbeitnehmerInnen – besonders aus dem Gaststättengewerbe.

Bereits Zugeständnisse bei der Arbeitszeiterfassung

In dem Gesetzesantrag aus Schleswig-Holstein wird dafür plädiert, zwischen Teil- und Vollzeitbeschäftigten zu unterscheiden. Es wird argumentiert, dass Teilzeitbeschäftigte die Schwellenwerte zur Pflicht der Arbeitszeiterfassung nicht erreichen, weshalb der Aufwand nicht gerechtfertigt sei. Die Aufzeichnung ist derzeit bis zu einem monatlichen Gehalt von 2.958 Euro brutto vorgeschrieben. Die Schwelle liegt bei 2.000 Euro, wenn die Beschäftigten nachweislich in den letzten 12 Monaten mehr als diese Summe verdient haben. Diese Regelung war bereits ein Entgegenkommen von Arbeitsministerin Nahles an die Arbeitgeber; eine entsprechende Verordnung trat im August 2015 in Kraft.


Kontrollen zur Einhaltung des Mindestlohns und Ermittlungsverfahren

Entwicklung: Zahl der Kontrollen gegen Schwarzarbeit

Die Kontrollen zur Einhaltung des Mindestlohns werden weniger, denn die verantwortliche "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" ist unterbesetzt. Quelle: Kleine Anfrage Bündnis 90/ DIE GRÜNEN „Finanzkontrolle Schwarzarbeit: Kontrolle von Mindestlöhnen 2016“, BT-Drucksache 18/11304 vom 15. Februar 2017. Grafik: DGB

Bereits jetzt zu wenig Kontrollen

Wenn die Arbeitszeitdokumentation nun weiter aufgeweicht werden sollte, ließe sich die Einhaltung des Mindestlohns nicht mehr kontrollieren und Verstößen würde Tür und Tor geöffnet. Schon jetzt hapert es bei den Kontrollen, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist unterbesetzt (siehe Abbildung zu rückläufigen Kontrollen). Wer die Arbeitszeit also nicht dokumentieren will, will nicht weniger Bürokratie, sondern nimmt mehr Ausbeutung in Kauf

Affront gegen Beschäftigte und Gewerkschaften

Teilzeitbeschäftigte dürfen keine ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse sein. Ob jemand 20 oder 40 Stunden arbeitet - die Vorschriften zur Arbeitszeitaufzeichnung müssen für alle gleichermaßen gelten. Zudem widerspräche eine Unterscheidung auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Mindestlohngesetz als wichtigste Sozialreform der letzten Jahre darf nicht verwässert und zum zahnlosen Tiger gemacht werden. Aber Jamaika aus Schleswig-Holstein will mit dem Angriff auf den Mindestlohn offenbar ein Zeichen für den Bund setzen: ein Affront gegen Millionen von Beschäftigten sowie die Gewerkschaften, die fast zehn Jahre für einen Mindestlohn gekämpft haben!


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