Die Bundesregierung will das Erbschaftsteuergesetz an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anpassen. Doch der Entwurf sieht weitreichende Privilegien für Unternehmer vor – auf Kosten der Beschäftigung, schreibt der DGB-klartext. Er fordert: Schluss mit der steuerlichen Vorzugsbehandlung von Unternehmensvermögen im Erbfall.
Stellen Sie sich vor, sie erhalten einen korrekten Einkommensteuerbescheid, wonach Sie noch 1.500 Euro nachzahlen sollen. Den Erläuterungen entnehmen Sie aber, dass Sie nicht zahlen müssen, wenn Sie nur über ein Guthaben verfügen, von dem die Hälfte nicht ausreicht, um die ganze Steuerschuld zu begleichen (also z. B. 2.900 Euro). Völlig abgedrehte Vorstellung, denken Sie? Richtig! Dieser Irrwitz soll aber nach Regierungsbeschluss demnächst bei Erbe oder Schenkung von Betriebsvermögen im Wert von über 26 Millionen Euro zur Verschonung von der Erbschaftsteuer führen. Da gerade bei Unternehmensfortführungen eher die sorgfältig gestaltete Schenkung die Regel ist, wird es für viele Unternehmerfamilien ein Leichtes sein, die entsprechenden Voraussetzungen für diese Privilegierung zu schaffen.
Trotz dieser offensichtlich unverhältnismäßigen Begünstigung von Multimillionären ist die Kritik der Unternehmer und ihrer Lobby hieran dennoch äußerst scharf. Weil nämlich überhaupt ein Vermögen als Beleg für die bereits großzügig definierte Zahlungs(un)fähigkeit nachgewiesen werden soll, mokieren sie sich über die „Einführung der Vermögensteuer durch die Hintertür“. Offenbar ist Verteilungsgerechtigkeit in diesen Kreisen nur bei Wohltätigkeitsveranstaltungen ein Thema, wenn die zur Imagepflege gezahlten Almosen auch steuermindernd geltend gemacht werden können. Ansonsten zeigt diese Reaktion, dass es von den Superreichen schon als unzumutbar empfunden wird, wenn sich der Staat nur Einblick in ihre Vermögensverhältnisse verschaffen will.
Steuersparmodell neue Erbschaftssteuer: Im Rechenbeispiel zahlt das Unternehmen seinen 8 Beschäftigten über 5 Jahre durchschnittlich 320.000 Euro im Jahr. 85 Prozent der Steuern bekommen die Erben auch dann noch erlassen, wenn sie die Lohnsumme über 5 Jahre ab der Unternehmensübernahme auf durchschnittlich 160.000 Euro reduzieren. DGB
Auch das Versprechen, die Steuerfreiheit von Unternehmervermögen sei durch die sogenannte Lohnsummenregel an den Erhalt von Arbeitsplätzen geknüpft, ist kaum mehr als ein Bluff, um Kritiker ruhig zu stellen. Dies zeigt folgendes aus dem Gesetzentwurf abgeleitete Beispiel: In einem Unternehmen mit acht Beschäftigten wird in den fünf Jahren vor der Vermögensübertragung im Jahresdurchschnitt eine Lohnsumme von 320.000 Euro ausgezahlt. Damit der Sprössling des Seniorchefs in den Genuss einer 85-prozentigen Steuerfreiheit kommt, genügt es, wenn er in seinen ersten fünf Jahren als neuer Chef im Jahresschnitt nur noch 160.000 Euro auszahlt. Was vom Fiskus als Nachweis erfolgreicher Unternehmensfortführung mit Steuergeschenken zu prämieren ist, bedeutet für die Beschäftigten schlicht eine Katastrophe.
Statt mit kruden und grundgesetzwidrigen Regeln Reiche und Superreiche weiter vor dem Fiskus zu schützen, fordert der DGB endlich Schluss zu machen mit der Vorzugsbehandlung bestimmter Vermögensarten. Stattdessen sollten für schwierige Einzelfälle großzügigere Stundungsregeln geprüft werden. Nur, wenn Erben gezwungen sind, fast alle Gewinne zu reinvestieren und ihre Anteile unter Wert an andere Anteilseigner zu veräußern, kann in ganz bestimmten Fällen auch eine niedrigere Steuer in Betracht kommen.