Die Energiekrise hat private Haushalte, soziale Einrichtungen und Wirtschaft und Industrie in Deutschland schwer getroffen. Aus diesem Grund wurde bei der Hans-Böckler-Stiftung eine Studie erstellt, die klären soll, wie groß die wirtschaftlichen Schäden der Energiepreiskrise sind und wie Gegenmaßnahmen aussehen können. Was steht in dieser Studie? Wie können die Verbraucher*innen entlastet werden? Würde auch das Handwerk von diesen Regelungen profitieren? Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB, beantwortet die wichtigsten Fragen.
DGB/Simone M. Neumann
Laut Einschätzung des Studienautors Prof. Tom Krebs beträgt der kurzfristige Produktionsverlust rund 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auch die Reallöhne sind stark gefallen – das ist nicht nur ein Nachteil für die Beschäftigten, nachgelagert schadet es auch vielen Handwerksbetrieben, wenn die Menschen weniger in der Tasche haben. Bis Ende 2024 könnte sich der Produktionsrückgang auf rund 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bzw. 390 Milliarden Euro belaufen. Es drohen auch langfristige wirtschaftliche Schäden.
Entscheidend für den weiteren Verlauf dieser Krise sind unter anderem die Energiekosten. Aus diesem Grund muss eine weitere Steigerung der Kosten verhindert werden, um eine langjährige Stagnation zu vermeiden. Aber es müssen auch Investitionen in die Transformation des Wirtschaftsstandorts angestoßen werden. Dafür wird in der Studie eine Verlängerung und Anpassung der Strompreisbremse vorgeschlagen, um Unsicherheiten zu reduzieren und Investitionen in den Wirtschaftsstandort auszulösen. Das wäre ein zentraler Baustein einer übergreifenden wirtschaftspolitischen Strategie zur Stärkung der deutschen Wirtschaft.
Diese Strompreisbremse soll Wirtschaft, soziale Einrichtungen und Privathaushalte entlasten. Das soll keine Dauersubvention werden, sondern so lange stattfinden, bis der Markt zuverlässig günstige Strompreise sicherstellt. Die Strompreisbremse soll Planungssicherheit für diese Übergangsphase schaffen. Um diese Phase nicht zu lange zu gestalten, müssen erneuerbare Energien, Speicher und Netze unbedingt entschlossen ausgebaut werden.
Die Entlastungen orientieren sich direkt am Verbrauch. Handelt es sich um einen Verbrauch von unter 30.000 kWh pro Jahr, soll der Strompreis bei maximal 35 Cent je kWh gedeckelt werden. Das betrifft vor allem private Haushalte und kleine Unternehmen. Wenn der Jahresverbrauch über diese Menge steigt, soll er auf 10 Cent pro kWh gedeckelt werden.
Energieintensive Unternehmen, die Großabnehmer von Energie sind und eine Transformationsverpflichtung eingehen, sowie eine Standort- und Beschäftigungsgarantie abgeben, sollen maximal 6 Cent pro kWh bezahlen. In der Studie wird vorgeschlagen, das an einem Jahresverbrauch von einer Gigawattstunde, also einer Million Kilowattstunden, festzumachen. Es wird auch vorgeschlagen, dass der garantierte Preis für Unternehmen mit Tarifbindung jeweils ein Cent niedriger liegen soll, unabhängig von Branche oder Jahresverbrauch. Für uns ist eine Knüpfung von Unterstützung an Tarifbindung sehr wichtig – schließlich geht es am Ende darum, Gute Arbeit abzusichern.
Ja, denn eine Deckelung des Strompreises sorgt für Planungssicherheit, auch in Handwerksunternehmen. Ein Beispiel: Eine durchschnittliche Friseurmeisterin (4 Mitarbeiter*innen in Vollzeit, eine Salonfläche von 96 m² mit 9 Plätzen und 28 Kunden am Tag), verbraucht ca. 8.000 kWh pro Jahr. Im 2. Halbjahr 2022 hat der Strom durchschnittlich 40 Cent, im März 2023 sogar 48 Cent pro kWh gekostet. Die jährliche Ersparnis würde also zwischen 400 und rund 1.000 Euro liegen. Ist der Betrieb tarifgebunden, würde die Einsparung nach dem vorgeschlagenen Modell zwischen 480 und 1.120 Euro betragen.
Bei einem Bäcker, der mehr als 30.000 kWh Strom pro Jahr verbraucht, greifen die 10 Cent. Die jährliche Ersparnis wäre hier nochmal um einiges höher. Auch gerade das energieintensive Handwerk würde also von der vorgeschlagenen Anpassung der Strompreisbremse profitieren. Im Fall von Großfleischern oder Gießereien wird das noch deutlicher. Sie würden noch erheblicher von der Preisbremse profitieren.
Einen weiteren Cent können die Unternehmen sparen, die sich an einen Tarifvertrag halten. Auch das wäre ein sehr gutes Zeichen. Gute Arbeit erfährt zusätzliche Wertschätzung und man versucht sie zu erhalten.
Was ist das Projekt PerSePlus? Im Erklärfilm kommen die Projektverantwortlichen, Akteure sowie Teilnehmer*innen des Projektes zu Wort. Ein Film von Arbeit und Leben und des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
PerSe PLUS ist das Projekt "Perspektive Selbstverwaltung – Das Bildungsprojekt zur Stärkung der Selbstverwaltung des Handwerks". PerSe PLUS unterstützt Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter im Handwerk, um den Strukturwandel im Handwerk begleiten und gestalten zu können.