Deutscher Gewerkschaftsbund

26.02.2024
Besoldung

Weiterhin Unsicherheit und Zweifel

Als das Bundesverfassungsgericht 2020 seine wegweisenden Beschlüsse zur verfassungswidrig zu niedrig bemessenen Alimentation in Berlin und Nordrhein-Westfalen fasste, waren die Erwartungen an besoldungsrechtliche Reformen hoch. Knapp vier Jahre und 16 unterschiedliche Versuche der Besoldungsreparatur später, ist die Unsicherheit bezüglich der Verfassungsmäßigkeit ihrer Alimentation bei vielen Beamt*innen, Richter*innen und Soldat*innen allerdings größer als zuvor.

Permanenter Nachsteuerungsbedarf

Die vom Gericht 2020 zu entscheidenden Fragen bezogen sich auf zwei verschiedene Aspekte: zum einen auf den Mindestabstand der Besoldung zum Grundsicherungsniveau, zum anderen auf die Höhe der Besoldung von Beamt*innen bzw. Richter*innen mit drei und mehr Kindern. Die beiden Beschlüsse erhöhten die Komplexität der Prüfung der Alimentation auf Amtsangemessenheit. Zugleich betonte das Bundesverfassungsgericht, dass es sich bei den aufgestellten Maßstäben nicht um ein Rechenmodell zur Ermittlung einer ausreichenden Besoldung handele. Vielmehr könne man damit aufzeigen, wann eine Unteralimentation vorläge. Die Realität sieht nun jedoch so aus: Die 16 Landesgesetzgeber (der Bund blieb bislang tatenlos) berechnen die Höhe der Besoldung – teilweise sogar centgenau – so, dass sie ganz knapp nicht verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist. Diese centgenauen Berechnungen führen zu einem ständigen Nachsteuerungsbedarf bezüglich der Einhaltung des Mindestabstands der untersten Besoldungsgruppe zum Grundsicherungsniveau, wenn dieses angehoben wird. Da der Gesetzgebungsprozess mehrere Monate dauert, ist die Gefahr, dass es in der Zwischenzeit folglich wieder zu einer Unteralimentation und damit zu einem Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG kommt, mehr als real.

Unübersichtlichkeit massiv gestiegen

Neben dem Mindestabstandsgebot zur Grundsicherung führten die vom Bundesverfassungsgericht benannten Maßstäbe für die Besoldung von Beamt*innen mit drei und mehr Kindern zu einem nie dagewesenen Erfindungsreichtum der Besoldungsgesetzgeber: Der Familienzuschlag ab dem dritten Kind wurde deutlich erhöht, es wurden zusätzliche (abschmelzende) Erhöhungsbeträge eingeführt, Beihilfebemessungssätze angehoben, der Familienzuschlag mit einem mietstufenabhängigen Betrag gekoppelt. Einige Landesgesetzgeber wählten eines der Instrumente, andere kombinierten mehrere dieser Maßnahmen. Hinzu kam die Idee eines einkommensabhängigen Familienergänzungszuschlags, den Schleswig-Holstein zuerst einführte. Dabei wird bei der Ermittlung der Mindestalimentation von Beamt*innen mit Kindern das Einkommen des zweiten unterhaltspflichtigen Elternteils künftig berücksichtigt. Reicht die Summe aus beiden Einkommen nicht aus, kann von der betroffenen Beamtin bzw. dem betroffenen Beamten ein Ergänzungszuschlag beantragt werden. Mit diesem Schritt erfolgt die Abkehr vom bislang vom Bundesverfassungsgericht zu Grunde gelegten so genannten Alleinverdienermodell. Hiernach muss jeder Grundgehaltssatz so bemessen sein, dass er zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner bzw. die Ehepartnerin und zwei Kinder angesichts des ausgeübten Amtes als amtsangemessen anzusehen ist.

Rechtsunsicherheit und Vertrauensverlust

Unstrittig kommt dem Besoldungsgesetzgeber ein großer Gestaltungsspielraum zu. Die entwickelten Regelungen führen jedoch bei vielen Beamt*innen zu massiven Irritationen, die letztlich eine große Rechtsunsicherheit zur Folge haben und Skepsis gegenüber dem eigenen Dienstherrn hervorrufen .

Wenn in der Besoldungspolitik vornehmlich das Ziel der Kostenminimierung verfolgt wird, geht das Vertrauen der Beamt*innen in das rechtsstaatliche Handeln ihrer Dienstherren bei Besoldungsfragen verloren. Statt die Zahl der Massenverfahren zu minimieren, werden sie weiterhin stetig zunehmen. Mit entsprechenden finanziellen Folgen für die Beamt*innen, aber auch deren rechtsschutzgewährenden Gewerkschaften. Auf diese Problematik hat der DGB Anfang 2024 in zwei Stellungnahmen an das Bundesverfassungsgericht zur Besoldung in Berlin und in Brandenburg ausführlich hingewiesen.

Beim Bundesverfassungsgericht liegen aktuell über 50 Normenkontrollverfahren zur Frage der amtsangemessenen Besoldung. Dabei handelt es sich um Verfahren aus verschiedenen Bundesländern, die unterschiedliche Zeiträume – durchweg vor 2020 – und auch unterschiedliche Besoldungsordnungen und -gruppen betreffen. Aufgrund der Verfahrensdauern wird deshalb noch sehr lange unklar sein, ob die nach 2020 normierten Maßnahmen der Besoldungsgesetzgeber eine vom Grundgesetz gedeckte Fortentwicklung des Beamtenrechts darstellen oder doch eher gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums verstoßen.


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