Deutscher Gewerkschaftsbund

14.12.2023
klartext Nr. 44/2023

EU-Schuldenregeln: Regierungen sollten auf EU-Parlament hören

Mit Hilfe von "nationalen Plänen" sollen die Ausgabenpfade für die Mitgliedsstaaten streng reguliert werden. Für Investitionsprogramme, die den sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft fördern, soll von diesen Pfaden abgewichen werden dürfen. Dieser Reformvorschlag ist weit von den gewerkschaftlichen Forderungen entfernt. Der DGB fordert für öffentliche Investitionen eine "goldenen Regel".

Europäische Haushaltspoltik will öffentliche Investitionen stärken

Nicht nur in Deutschland auch in der Europäischen Union (EU) werden die Grundpfeiler der Haushaltspolitik gerade neu verhandelt. Mit den sogenannten Fiskalregeln setzt die EU ihren Mitgliedstaaten enge Grenzen für die Haushaltsdefizite und die Staatsverschuldung. Die EU-Fiskalregeln sind nicht mehr zeitgemäß und sollen überarbeitet werden. Im Europäischen Parlament ist dazu Anfang der Woche eine wichtige Entscheidung gefallen. Anders als die Bundesregierung hat das Europäische Parlament erkannt, dass die zukünftige Haushaltspolitik so ausgestaltet werden muss, dass öffentliche Investitionen gestärkt werden.

Nationale Pläne sollen Ausgabenpfade sowie Investitionen und Reformen festlegen

Nach Vorschlägen der EU-Kommission sollen "nationale Pläne" den Kern des zukünftigen Regelwerks bilden. Die Basis für die Erstellung der nationalen Pläne bilden Schuldentragfähigkeitsanalysen der EU-Kommission. Auf dieser Grundlage werden zukünftig die erlaubten Ausgabenpfade der Mitgliedstaaten für die nächsten Jahre ermittelt sowie zentrale Investitions- und Reformvorhaben festgelegt. Die nationalen Pläne werden zukünftig zwischen den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission verhandelt und vom Rat genehmigt.

Europäischer Investitionsfonds soll Mitgliedsstaaten beim sozial-ökologischen Umbau unterstützen

Das Europäische Parlament schlägt nun vor, dass Mitgliedstaaten vom Ausgabenpfad befristet und in Ausnahmefällen abweichen dürfen, wenn sie Investitionsprogramme für den sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft planen. Auch sollen die Investitionsbedarfe systematisch in den nationalen Plänen erhoben werden. Wenn einzelne Mitgliedstaaten ihr staatliches Defizit über die erlaubte Quote von 3 Prozent des BIPs ausweiten, soll es in Ausnahmefällen keine Sanktionen geben. Das gilt insbesondere dann, wenn durch die Ausweitung der Kreditaufnahme Zukunftsinvestitionen finanziert werden. Aufgrund der Energiekrise und der Klimakrise rechnen viele Mitgliedstaaten noch mit einem erhöhten Defizit in den nächsten Jahren (siehe Grafik). Schließlich schlägt das Parlament vor, dass ein Investitionsfonds auf europäischer Ebene geschaffen wird, um Mitgliedstaaten zusätzlich beim sozial-ökologischen Umbau ihrer Volkwirtschaften zu unterstützen.

Grafik: Haushaltssaldo der Eurozonenmitglieder in Prozent des Bruttoinlandprodukts

Aufgrund der Energiekrise und der Klimakrise rechnen viele Mitgliedstaaten noch mit einem erhöhten Defizit in den nächsten Jahren. DGB/Quelle: Europäische Kommission, Herbstprognose 2023

Gewerkschaftliche Forderungen bleiben unberücksichtigt

Die Position des Europäischen Parlaments ist weit entfernt von den Forderungen, die Gewerkschaften, Sozial- und Klimaorganisationen in den Reformprozess eingebracht haben. Der DGB hat sich etwa für eine umfassende Stärkung öffentlicher Investitionen in Form einer "goldenen Regel" stark gemacht. Enttäuschend ist auch, dass das EP an strikten Regeln zum Schuldenabbau festhält und kaum nennenswerte Verfahren der demokratischen Kontrolle bei europäischen Entscheidungen über die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten einführt.

Es braucht einheitliche finanzielle Regeln in Europa und in Deutschland

Dennoch ist das Mandat des Parlaments ein pragmatischer Schritt in Richtung einer investitionsfreundlichen Reform der EU-Fiskalregeln. Wichtig ist, dass der Rat der Finanzminister sich als Co-Gesetzgeber nun auch endlich bewegt. Hier dominieren weiterhin alte Rezepte und eine Fixierung auf das Ziel einer zügigen Defizit- und Schuldenreduktion. Eine unsoziale Sparpolitik, eine verschleppte sozial-ökologische Transformation und ein wirtschaftliches Auseinanderdriften der Mitglieder der Eurozone wären die Folge. Zentral ist auch, dass die europäische Reformdebatte nicht isoliert wird von der Debatte zur Reform der Schuldenbremse, die wir derzeit in Deutschland führen. Was wir brauchen, ist ein einheitliches und kohärentes Regelwerk, das eine solide Finanzierungsbasis für die Zukunftsaufgaben unserer Wirtschaft gewährleistet – in Europa und in Deutschland!


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