Deutscher Gewerkschaftsbund

24.11.2023
klartext Nr. 41/2023

Verfassungsgericht macht Schuldenbremse zur Gefahr

Vergangene Woche hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Woche ein Urteil gefällt, das die Handlungsfähigkeit des Staates massiv einschränkt. Die Politik muss nun schnell und vernünftig handeln, sonst droht eine fatale Entwicklung. Es braucht zu dem eine Reform der Schuldenbremse. Denn mangelnde Zukunftsinvestitionen sind ein Problem, eine etwas höhere Verschuldung nicht.

Bremspuren auf Asphalt, Rennstrecke

DGB/Abdul Razak Latif/123rf.com

Handlungsfähigkeit wird eingeschränkt

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat vergangene Woche ein Urteil gefällt, dass die Handlungsfähigkeit des Staates massiv einschränkt. Wenn die Politik nicht schnell und vernünftig reagiert, droht eine fatale Entwicklung.

Die Begrenzung der Neuverschuldung kann ausgesetzt werden

Die Schuldenbremse enthält eine Klausel, mit der die Begrenzung der staatlichen Neuverschuldung aufgrund einer Notlagensituation durch Parlamentsmehrheit ausgesetzt werden kann. Diese Ausnahmeregel legt das BVerfG jetzt sehr eng aus. Es schreibt unter anderem vor, dass zwischen der zugrundeliegenden Notsituation und den mit Notkrediten finanzierten Maßnahmen ein enger Zusammenhang bestehen muss. Außerdem muss das "Jährlichkeitsprinzip" beachtet werden: Kredite müssen in dem Jahr abgerufen werden, in dem sie bereitgestellt wurden.

2. Nachtragshaushalt für 2021 ist nichtig

Das BVerfG hat damit den 2. Nachtragshaushalt 2021 für nichtig erklärt. Dieser verschob Notfall-Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro, die zur Corona-Krisenbekämpfung beschlossen, aber nicht benötigt worden waren, in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), um sie in den Folgejahren für die Transformation zu nutzen.

Weitere Sondervermögen sind in Gefahr

Mittlerweile zeichnet sich ab, dass nicht nur diese Mittel durch das Urteil wegfallen. Auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und viele andere mit Notkrediten gespeiste Sondervermögen bei Bund und Ländern sind in Gefahr. Eine umfangreiche Haushaltssperre wurde verhängt. Der 100-Milliarden-Fonds für die Bundeswehr dürfte aber unbeschadet bleiben, weil er mit zwei Drittel Mehrheit in die Verfassung geschrieben wurde.

Entwicklung der Staatsschulden seit 1996 von Deutschland im internationalen Vergleich

Deutschlands Schulden sind vergleichsweise niedrig. Mehr Investitionen sind möglich und nötig. DGB/Quelle: AMECO Online

Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen

Die Regierungsparteien hatten sich im Koalitionsvertrag auf ein "Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen" festgelegt. SPD; Grüne und FDP hatten verstanden, dass Klimaschutz, eine erfolgreiche Transformation, gute Bildung und eine Modernisierung des Landes zusätzliche kreditfinanzierte öffentliche Investitionen in Höhe von vielen Milliarden Euro nötig machen. Sie gingen bislang davon aus, das über die verschiedenen Sondervermögen finanzieren zu können, ohne die Schuldenbremse zu verändern.

Regierung und Opposition müssen gemeinsamen Ausweg finden

Diesen Weg hat das BVerfG jetzt versperrt. Die Bundesregierung muss deshalb – am besten gemeinsam mit der Opposition –schnellstmöglich einen anderen Weg wählen, um die Haushaltssperre zu beenden und die notwendigen Investitionen voranzubringen. Passiert das nicht, drohen ein Konjunktureinbruch und langfristig extreme wirtschaftliche und soziale Verwerfungen.

Für 2023 will die Bundesregierung die Schuldenbremse nun konsequenterweise wegen Notlage aussetzen. Dasselbe muss mit Hinweis auf die anhaltende Energiekrise auch für 2024 geschehen.

Schuldenbremse nicht mehr zeitgemäß

Außerdem müssen auch CDU/CSU jetzt einsehen, dass die neu ausgelegte Schuldenbremse nicht mehr einem modernen Staatswesen entspricht und reformiert werden muss: Es ist sinnvoll, neue Investitionen mit Krediten zu finanzieren, deshalb müssen diese künftig von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Mangelnde Zukunftsinvestitionen sind ein Problem, eine etwas höhere Verschuldung nicht – Deutschlands Schulden sind ohnehin vergleichsweise niedrig (s. Grafik).

Bis zur Reform der Schuldenbremse muss die Bundesregierung alle trotzdem noch vorhandenen Möglichkeiten zur Kreditaufnahme nutzen. Auf keinen Fall dürfen Ausgaben gekürzt werden. Das wäre unsozial und fortschrittsfeindlich.


Nach oben

Der DGB-Steuerrechner

DGB
Wieviel Netto bleibt vom Brutto? Wie hoch sind die Steuern und Abgaben? Was kann eine gerechte Lohnsteuerreform bewirken? Der DGB-Steuerrechner zeigt auf einen Blick, wieviel mehr Netto vom Brutto mit den DGB-Steuervorschlägen für Ihren Haushalt am Jahresende übrig bleiben würde.
zur Webseite …

Lohn- und Gehaltscheck

Lohn­spie­gel.­de – Ver­glei­che dein Ge­hal­t!
Geldscheine in einer Hand
DGB/Vladyslav Starozhylov/123RF.com
Nutzen Sie den Lohn- und Gehaltscheck von Lohnspiegel.de und vergleichen Sie Ihr Gehalt. Über 500 Berufe werden abgedeckt und zahlreiche persönliche Merkmale berücksichtigt. Lohnspiegel.de wird vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung wissenschaftlich betreut.
zur Webseite …

Stellungnahmen

Reichstag Berlin
DGB/andreahast/123rf.com
Hier finden Sie die Stellungnahmen und Positionen der Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
weiterlesen …

Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik

Globus und Geldmünzen

DGB/hqrloveq/123rf.com

Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik stellt sich der Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum gesteigert und zum Wohl der arbeitenden Bevölkerung verteilt werden kann. Uns geht es darum, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit für höhere Löhne, weniger Arbeitszeit und mehr Sozialstaat zu nutzen. Dies erfordert ein produktives Zusammenwirken von Staat und Markt. Märkte können schöpferisch sein und den gesellschaftlichen Wohlstand mehren. Märkte sind jedoch sozial und ökologisch blind. Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das destruktive Potenzial unregulierter Märkte eindrucksvoll offengelegt. Deswegen bedarf es staatlicher Regulierung, Verteilungs-, Wirtschafts-, Sozial-, sowie Industrie- und Dienstleistungspolitik, um die Marktkräfte zu zivilisieren. Die Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik entwickelt und popularisiert wirtschaftspolitische Strategien und Instrumente, die diesen Zielen dienen.

Kontakt

Deutscher Gewerkschaftsbund
Bundesvorstand
Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Keithstraße 1
10787 Berlin

E-Mail: info.wirtschaftspolitik.bvv@dgb.de

Assistent*innen

Carina Ortmann
Telefon +49 30 24060-727


Manuela Schmidt
Telefon +49 30 24060-107

Ansprechpartner*innen

Florian Moritz
Abteilungsleiter Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik


Dr. Dominika Biegoń
Europäische und internationale Wirtschaftspolitik


Nora Rohde
OECD/TUAC
Öffentliche Daseinsvorsorge
Handelspolitik

Raoul Didier
Steuerpolitik


Dr. Robby Riedel
Tarifpolitische Koordinierung und Mindestlohn

 

Dr. Inga Jensen
Wohnungs- und Verbraucher*innenpolitik

 
Friederike Posselt
Tarifkoordination
 
Tarifkoordination
 
Henriette Neumann
Allgemeine Wirtschaftspolitik Marktregulierung und Verteilungspolitik