Deutscher Gewerkschaftsbund

08.03.2012
klartext 09/2012

Fiskalpakt zementiert Sozialabbau

Die Schuldenbremse im Fiskalpakt soll die Neuverschuldung der EU-Staaten drosseln. Doch um das zu schaffen, sind massive Kürzungen unvermeidbar. Das trifft die sozial Schwachen und auch die Wirtschaft wird ausgebremst. Der klartext.

Still und heimlich bastelt sich die deutsche Kanzlerin ihr eigenes Europa zurecht. Merkels neuester Coup: Der Fiskalvertrag, den 25 der 27 EU-Regierungen vergangene Woche unterzeichnet haben und der auch den Fiskalpakt zum Abbau der Staatsverschuldung enthält. Europaweit sollen Schuldenbremsen künftig die staatliche Neuverschuldung auf Null drücken. Staaten dürfen künftig nicht mehr ausgeben als einnehmen, sonst drohen automatische Sanktionen.

Aber was passiert, wenn die Wirtschaft und damit die Steuereinnahmen massiv einbrechen, wie derzeit in Spanien, Griechenland, Portugal? Was, wenn an anderer Stelle festgeschrieben steht, die „Wettbewerbsfähigkeit“ müsse gefördert werden, weshalb Steuererhöhungen für Reiche und Unternehmen nicht drin seien? Na klar: Dann werden wieder Ausgaben gekürzt.

Ausgabenkürzungen werden mit dem Fiskalpakt sofort zur Pflicht. Das geht vor allem zu Lasten von sozial Schwachen und Geringverdienern. Auch öffentliche Investitionen und Aufträge für Unternehmen fallen weg und die gesamte europäische Wirtschaft wird ausgebremst. Die absurde Folge des Sparkurses: Die Steuereinnahmen gehen zurück und die Staatsschulden wachsen, anstatt zu sinken.

Eigentlich wäre das Gegenteil nötig: Investitionen müssten die Wirtschaft ankurbeln. Das Wirtschaftswachstum würde Steuereinnahmen bringen und das Defizit würde sich automatisch verringern. Aber genau das verhindert der Fiskalpakt. Auch sinnvolle Konjunkturprogramme sind zukünftig nicht mehr drin.

Grafik Einsparverpflichtung pro Jahr durch die Schuldenabbau-Regel im Fiskalpakt in Prozent der Staatsausgaben

Beispiel Italien: Das Land hat Schulden in Höhe von 121 Prozent des BIP. Es muss pro Jahr 1/20 der Schulden, die über 60 Prozent des BIP hinaus gehen, abbauen. Das entspricht Einsparungen von 48 Milliarden pro Jahr - fast sieben Prozent der derzeitigen Staatsausgaben. Grafik: DGB; Zahlen: Ameco-Datenbank (Daten: Staatsschulden in % des BIP Ende 2011, Staatsausgaben ohne Zinszahlungen 2011)

Und nicht nur Neuverschuldung wird verboten. Zusätzlich verpflichten sich die EU-Länder zum Abbau des Schuldenstandes. Der Schuldenstand muss mittelfristig auf maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) reduziert werden. Das wird auch Deutschland direkt treffen: Die Bundesrepublik hat Schulden in Höhe von rund 82 Prozent des BIP – also 22 Prozentpunkte zu viel. Davon muss laut Fiskalpakt jedes Jahr 1/20 abgebaut werden. Der Pakt verpflichtet Deutschland also zu jährlichen Extra-Einsparungen von mehr als einem Prozent des BIP. Das sind 25 bis 30 Milliarden Euro und damit 2,5 Prozent der Staatsausgaben – mehr, als der Bund im Jahr für Hartz IV ausgibt. Für andere Länder kommt es noch härter. Italien muss im Jahr nach Einführung der neuen Regel 48 Milliarden Euro, also fast sieben Prozent der gesamten Staatsausgaben einsparen, Griechenland sogar fast zwölf Prozent.

Der Fiskalpakt zementiert Sparkurs und Sozialabbau für alle Ewigkeit. Als völkerrechtlicher Vertrag lässt er sich kaum ändern. Und ist eine Schuldenbremse erst in der Verfassung, ist sie auch durch andere Mehrheiten kaum zu verändern.

Der Fiskalpakt wurde unter Umgehung des Europäischen Parlaments beschlossen. Auch die nationalen Parlamente können am Inhalt nichts mehr ändern. Aber es gibt noch Hoffnung für die Demokratie und ein soziales Europa: Der Pakt braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Die Opposition kann ihn noch stoppen!


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