Deutscher Gewerkschaftsbund

24.09.2012

Pflegereform: Am Bedarf vorbei geplant

Der Bundesrat hat der Pflegereform von Gesundheitsminister Daniel Bahr zugestimmt. Eine Zumutung für Pflegebedürftige, Familien und Pflegekräfte sei dies, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Denn die Probleme würden durch die so genannte Reform nur auf die lange Bank geschoben, der Pflegenotstand bleibe weiter ungelöst.

Von Annelie Buntenbach, DGB-Bundesvorstandsmitglied

Die Pflegereform ist nicht einmal ein Reförmchen. Die Probleme werden auf die lange Bank geschoben. Minister Bahr ist damit grandios gescheitert. 2012 sollte das Jahr der Pflege werden. Was bleibt, ist der Pflegenotstand, den die FDP mit viel Show überdecken will. Für Pflegebedürftige, Familien und Pflegekräfte ist diese so genannte Reform eine Zumutung. Wir brauchen sofort nach der Bundestagswahl eine echte Reform, damit der Pflegenotstand endlich ein Ende hat. 

Die Pflegepläne folgen nicht dem tatsächlichen Bedarf, sondern parteitaktischen Spielchen. Die leichte Anhebung der Pflegesätze soll offensichtlich als Stillhalteprämie bis zur kommenden Bundestagswahl dienen. Statt die nötigen Antworten auf die enormen Herausforderungen in der Pflege zu geben, werden Leistungen versprochen, die mit der geplanten Beitragsanhebung von 0,1 Prozent aber nur bis 2015 finanziert werden können. Die Halbwertzeit liegt also bei zwei Jahren.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat zwei Jahre ungenutzt verstreichen lassen, die sie für die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs hätte nutzen müssen. Die Vorarbeiten des Pflegebeirats liegen dafür seit Jahren auf dem Tisch. Die Ankündigung einer erneuten Kommission ist entweder schlichte Ignoranz oder der plumpe Versuch, die Probleme der Pflegebedürftigen und Pflegenden auszusitzen.

Nur die umfassende Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs würde die Voraussetzungen für den Leistungszugang grundlegend verbessern: An Demenz erkrankte Menschen würden im Vergleich zu körperlich eingeschränkten Personen nicht mehr benachteiligt, sondern endlich einen gleichberechtigten Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung bekommen. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff ist auch Voraussetzung dafür, dass mehr geeignete ambulante und stationäre Leistungsangebote für die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen geschaffen werden.


Hintergrund
Finanzbedarf der Pflegereform

Jahr

2010

2014

2020

2030

 

 

Beitragssatz in Prozentpunkten
nach Berechnungen des DGB

1,95

 

 

 

 

 

2,1

+0,361)

+0,042)

+0,293)

 

2,3

+0,361)

+0,042)

 

 

 

2,5

+0,361)

+0,042)

 

 

 

 

1,95

 2,79

2,7

2,9

1) Ausweitung Pflegebedürftigkeitsbegriff
2) Kosten für zusätzliche Dynamisierung, um Kostensteigerungen aufzufangen (gesetzte Annahmen)
3) Finanzielle Auswirkungen durch Bestandsschutzregelungen für drei Jahre auf Basis des Beiratsergebnisses zur Ausweitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes in: Umsetzungsbericht des Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, S. 41, BMG, 20.05.2009.

Die Bundesregierung verschleppt die dringend notwendigen strukturellen Veränderungen im Leistungsrecht aus taktischen Gründen, um sich um die Finanzierungsfrage herumzudrücken. Für die Umsetzung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes sind jährliche Kosten in Höhe von ca. 3,6 Milliarden Euro erforderlich. Damit wäre den demenzerkrankten Menschen und ihren Angehörigen wirklich geholfen. Für eine Übergangszeit von wenigen Jahren wären ca. 3 Milliarden Euro für Bestandsschutzregeln notwendig. Nach dem tatsächlichen Pflegebedarf ergibt sich eine Beitragssteigerung auf ca. 2,8 Prozent. Dieser notwendige Beitragsanstieg lässt sich jedoch durch die Einführung einer Bürgerversicherung Pflege auf moderate 2,35 Prozent begrenzen. Mit einer Anhebung von je 0,2 Beitragspunkten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber wäre durch die Bürgerversicherung ein echter Durchbruch erreichbar, denn die heutigen und künftigen Herausforderungen wären auf lange Sicht finanzierbar. Notwendig wären dazu die Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen, die Beteiligung der Privaten Pflegeversicherung sowie die Einbeziehung von Kapitaleinkünften.

Die Bundesregierung hat die politische und auch moralische Verpflichtung, die Qualität in der Pflege langfristig zu sichern und sozial gerecht zu finanzieren. Das Eingeständnis von Bundesgesundheitsminister Bahr, seine Pflegepläne würden nur bis 2015 reichen, ist dagegen ein Offenbarungseid.


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