Deutscher Gewerkschaftsbund

15.10.2020
klartext 35/2020

Bürokratieabbau: Gute Arbeit statt Deregulierung!

Das Land Nordrhein-Westfalen will das Konjunkturpaket zur Corona-Krise um Maßnahmen zum „Bürokratieabbau“ ergänzen. Das klingt gut, doch tatsächlich sollen Arbeitsrechte, Sozial- und Umweltstandards auf breiter Front untergraben werden. Die Lasten der Krise würden damit wieder die Beschäftigten tragen.

Geld und Zeitung mit Stellenanzeigen

DGB/Bartolomiej Pietrzyk/123rf.com

In der kommenden Woche diskutieren Ausschüsse des Bundesrates einen Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen. Dieser schlägt vor, die zur Bewältigung der Corona-Krise beschlossenen Konjunkturpakete um zahlreiche Maßnahmen zum „Bürokratieabbau“ zu ergänzen. Unternehmen sollen so entlastet, Investitionen erleichtert und die Effizienz durch Kostenreduktion gesteigert werden.

Wiederkehrender Lobgesang auf die Deregulierung

Was auf den ersten Blick plausibel klingen mag, entspricht jedoch einem in Wirtschaftskrisen wiederkehrenden Lobgesang auf die Deregulierung als vermeintlicher Garant für Wachstum und Beschäftigung. Unter dem Deckmantel eines investitionsfreundlichen Bürokratieabbaus wird versucht, Arbeitsrechte, Sozial- und Umweltstandards auf breiter Front zu untergraben.

Die negativen Auswirkungen zahlreicher Flexibilisierungs- und Deregulierungsmaßnahmen im Zuge der Wirtschaftskrise 2008/09 sind auch noch zehn Jahre danach besonders auf den Arbeitsmärkten in Südeuropa spürbar: hohe Jugendarbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung. Eine spürbare Erhöhung der privaten Investitionstätigkeit blieb dennoch aus.

Größter Niedriglohnsektor in der EU würde weiter wachsen

Auch der Antrag aus NRW wälzt die Lasten der Krise auf den Beschäftigten ab. Durch den Vorschlag, die Verdienstgrenze für Minijobs von 450 auf 530 Euro anzuheben, würden atypische Beschäftigungsverhältnisse ausgeweitet. Gut 300.000 regulär Beschäftigte würden durch diese Erhöhung in Minijobs rutschen. Die Pandemie hat klar gezeigt, dass die hier Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt ungeschützt sind: MinijoberInnen wurden massiv entlassen, Anspruch zum Beispiel auf Kurzarbeitergeld haben sie keinen. Der Versicherungsschutz würde für viele ArbeitnehmerInnen abgebaut und der ohnehin schon größte Niedriglohnsektor in der EU weiter wachsen.

Liniediagramm: Geringfügige und befristete Beschäftigte in Deutschland

DGB / Quelle: Bundeagentur für Arbeit, destatis

Zudem wird beispielsweise auch vorgeschlagen, dass sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse nicht mehr nur zwei, sondern drei Jahre andauern und vier statt drei Mal verlängert werden dürften. Auch diese Maßnahmen wirken besonders negativ auf die atypische Beschäftigung: 2,3 Millionen Arbeitsverhältnisse sind bereits befristet (siehe Grafik).

Hieb gegen gesellschaftliche Solidarität

Neben Angriffen auf die Rechte von ArbeitnehmerInnen ist der Vorstoß aus NRW auch ein Hieb gegen gesellschaftliche Solidarität. So wird von der Einführung einer Finanztransaktions- oder Vermögensteuer ausdrücklich abgeraten. Dabei sollten starke Schultern mehr zur Überwindung der Krise beitragen.

Mit einer sinnvollen Überprüfung bürokratischer Hürden haben die meisten Vorschläge aus NRW wenig zu tun. Dabei zeigt die Pandemie klar auf, dass Länder mit Lösungen zur Kurzarbeit und einem soliden Sozialstaat deutlich besser durch die Krise kommen. Jeder gute und sichere Arbeitsplatz stützt die Binnennachfrage, stabilisiert die Wirtschaft und ermöglicht so Investitionen.


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